Hypervisor-Konkurrenz für VMware und Microsoft

Test - Oracle VM VirtualBox

06.03.2011 von Moritz Jäger und Jürgen Donauer
VirtualBox ist eine Open-Source-Lösung, mit der sich Betriebssysteme sehr einfach virtualisieren lassen. Die aktuelle Version 4.0.2 bietet nicht nur zahlreiche praktische Features, sondern unterstützt auch 64-Bit-Gastsysteme - und ist außerdem für viele Nutzer kostenlos.

Die Software VirtualBox ist ein Software-Hypervisor, mit dem sich virtuelle Umgebungen realisieren lassen. Ein großer Vorteil von VirtualBox ist, dass die Software größtenteils unter einer Open Source-Lizenz entwickelt wird. Außerdem kann sie jedermann kostenlos testen. Für den Eigengebrauch ist VirtualBox grundsätzlich kostenfrei. Somit eignet sie sich also perfekt, um erste Erfahrungen mit virtuellen Umgebungen zu sammeln oder eigene Testsysteme aufzusetzen.

Bildergalerie: Oracle VM VirtualBox.
Oracle VM VirtualBox
Zusatzpaket: Bringt unter anderem Unterstützung für USB 2.0.
Oracle VM VirtualBox
Assistent: Beim Anlegen neuer VMs greift Ihnen die Software unter die Arme.
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Name und Typ: In dieser Maske können Sie die virtuelle Maschine benamen und das Gast-Betriebssystem einstellen.
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RAM: Wie viel Hauptspeicher wollen Sie dem Gast anbieten?
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Festplatte: Neuen oder bereits verwendeten Massenspeicher benutzen?
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Zauberer: Dieser Wizard hilft beim Erstellen einer neuen virtuellen Festplatte.
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Dynamisch oder fest?: Hier können Sie Einstellen, ob die virtuelle Festplatte dann Platz allokieren soll, wenn dieser auch benötigt wird.
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Lage und Größe: Wo die Festplatte liegen soll und wie groß diese ist, bestimmen Sie hier.
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Zusammenfassung: Noch ein Überblick zur eben erstellten Festplatte.
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Fertig: Revision der neu Erstellten virtuellen Maschine.
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Mehr Komfort: Mit den VirtualBox-Treibern bekommt das Gast-System einen wesentlichen Mehrwert.
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Virtualisierung: Oracle VM VirtualBox wurde ursprünglich von innotek erfunden.
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Mit Vorschau: Die Oberfläche wurde komplett überarbeitet.
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Kein Aero: Windows 7 mag die Treiber von VirtualBox in Sachen 3D-Beschleunigung nur teilweise.
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Zwei in einem: Mit dem nahtlosen Modus können Sie mit zwei Betriebssystemen wie in einem arbeiten.
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RAM gesucht: Mit zwei gleichzeitig laufenden Gast-Systemen brauchen Sie entsprechende Hardware. Ansonsten wird es zäh.

Das Programm wurde ursprünglich von der deutschen Firma innotek entwickelt. Diese wurde im Februar 2008 von Sun Microsystems akquiriert. Sun wiederum gehört seit Januar 2010 zu Oracle. Der Software-Konzern entwickelt VirtualBox weiter, hat den Namen aber offiziell in Oracle VM VirtualBox geändert.

Besonderer Vorteil der Software: Nahezu jedes populäre Betriebssystem wird als Host-System unterstützt. Im Download-Bereich finden sich die passenden Dateien für Windows, Linux, Mac OS X oder Solaris. Alternativ kann man die Open-Source-Version aus den Quellen selbst kompilieren.

Oracle VM VirtualBox im Überblick

Produkt

Oracle VM VirtualBox

Version

4.0.2

Hersteller

Oracle (Sun)

Download

Herstellerseite

Host-Systeme

Linux, Windows, Mac OS X, Solaris

Gast-Systeme

Linux, Windows (inklusive Windows 7 und Server 2008 R2), Solaris, BSD; IBM OS/2, andere Einstellungen

Prozessoren

32- und 64-Bit

Zusatzfunktionen

Snapshot, nahtlose Integration mit dem HostSystem, 3D-Beschleunigung, Zugriff auf USB-Geräte, RDP-Zugriff, VM-Vorschau

Preis

kostenlos, Enterprise Lizenz auf Anfrage

Features und Funktionen

Seit dem Test der Version 3.1.6 hat sich VirtualBox ersichtlich weiterentwickelt. Zum Testzeitpunkt liegt Version 4.0.2 vor. Doch nicht nur die Versionsnummer hat mit der 4.x einen großen Sprung getan. Ab Variante 4.x hat Oracle angefangen, so genannte Extension-Packs bereitzustellen. Viele sehen das mit einem kritischen Auge. Denn auch so essentielle Funktionen wie USB-Unterstützung ist nur mit Hilfe der installierten Extensions verfügbar, die für den persönlichen Gebrauch allerdings kostenlos sind. Die reine OSE-Ausgabe kann auf keine USB-Geräte zugreifen.

Kritiker haben Angst, dass VirtualBox den Weg von OpenSolaris oder OpenOffice.org geht. Andere begrüßen die Entscheidung, da sich die Entwickler so vorbehalten, für die Nicht-Open-Source-Version proprietäre, sinnvolle Erweiterungen einzupflegen.

RAM gesucht: Mit zwei gleichzeitig laufenden Gast-Systemen brauchen Sie entsprechende Hardware in Form von Hauptspeicher. Ansonsten wird es zäh.

Wie von der Vorgänger-Version bereits bekannt, kann die Virtualisierungs-Software mit 64-Bit-Betriebssystemen umgehen. Ebenso unterstützt das Programm Intels VT-x als auch AMDs AMD-V. Gastsysteme können dadurch die Vorteile von 64-Bit nutzen. Das bietet den Gästen nicht nur den Zugriff auf mehr Arbeitsspeicher, sondern macht bestimmte Virtualisierungsszenarien erst möglich: So setzt beispielsweise Microsoft Server 2008 R2 eine 64-Bit-Umgebung voraus. Der Trend zu 64-Bit ist unverkennbar und setzt sich auch bei Mac OS X und Linux durch.

Besondere Erwähnung verdient der "nahtlose Modus". Dabei werden einzelne Programme, die in der virtuellen Maschine ausgeführt werden, direkt im Host-System angezeigt. Das ist beispielsweise praktisch, wenn ein älteres Programm weiter genutzt wird. Webentwickler können Internet-Auftritte mit mehreren Browsern in unterschiedlichen Betriebssystemen gleichzeitig nutzen. Dieser ist laut eigener Aussage für Windows und Linux als Gast-Systeme verfügbar. Das Linux-System muss dafür mindestens X.org Server 1.3 beinhalten.

Möglich wird der nahtlose Modus durch die Gasterweiterungen von VirtualBox. Doch diese Erweiterungen bringen noch mehr: Sie ermöglichen beispielsweise, dass der Nutzer den Eingabemodus nahtlos zwischen dem virtuellen und dem Host-System wechseln kann - ohne dass eine spezielle Tastenkombination gedrückt werden muss. Außerdem liefert VirtualBox über diese Erweiterungen eine sehr gute 3D-Leistung für das virtuelle System. Nach der Installation der Erweiterungen arbeitet das Gastsystem deutlich schneller. Unter Linux lassen sich beispielsweise auch die Compiz-Erweiterungen für Gnome und KDE nutzen. Weitere Informationen zu den Gasterweiterungen finden sich in englischer Sprache hier.

Mit Version 4 haben die Entwickler ein neues, asynchrones E/A-Modell für iSCSI und lokale Speicher eingeführt. Das wirkt sich positiv auf die Geschwindigkeit aus, gerade wenn Sie mit 1GBit-LANs oder höher arbeiten. Ebenso besteht die Möglichkeit, große VMs auf 32-Bit-Hosts laufen zu lassen. Darüber hinaus können Sie nun sich im Schlafmodus befindliche Virtuelle Maschinen transferieren. Sie finden eine Übersicht aller Neuerungen im Sun-Blog.

Open-Source oder proprietär: die Lizenzmodelle

Oracle VM Virtual Box wird in mehreren Lizenzmodellen angeboten. Zum Testen oder für private Nutzer ist das Programm kostenlos unter der VirtualBox Personal Use and Evaluation License verfügbar; diese ist allerdings proprietär. Für den kommerziellen Einsatz können Interessierte reguläre Lizenzen über Oracle beziehen.

Mit Vorschau: Die Oberfläche wurde komplett überarbeitet.

Alternativ hat innotek vor der Sun-Übernahme im Januar 2007 eine Open-Source-Version unter der GPL veröffentlicht. Diese VirtualBox Open Source Edition (OSE) ist nahezu inhaltsgleich mit der proprietären Version, allerdings müssen Nutzer hier auf drei Funktionen verzichten, die nur in den proprietären Varianten enthalten beziehungsweise durch das Extension-Pack verfügbar sind. Diese sind:

Diese Lizenzierung schränkt den Einsatz der Open-Source-Version teilweise ein. Sie eignet sich aber dennoch als Grundlage für einen Server, die RDP-Funktionen lassen sich schließlich mit verschiedenen Lösungen nachrüsten. Die PXE-Funktionalität dürfte für die meisten Anwender weniger interessant sein. Wer auf USB-2.0-Geräte zugreifen möchte, kommt um die Erweiterung nicht herum

In der Praxis

Sun hat mit den Assistenten von VirtualBox einen guten Job gemacht. Die Software ist inzwischen komplett auf Deutsch übersetzt. Darüber hinaus lassen sich zahlreiche weitere Sprachpakete nachladen. Das Anlegen neuer virtuellen Maschinen geht recht einfach von der Hand und ein Assistent führt Schritt für Schritt durch die Grundkonfiguration. Das beinhaltet auch das Anlegen einer virtuellen Festplatte. Zunächst ungewohnt: ISO-Dateien von Betriebssystemen müssen Sie zuerst in ein Verzeichnis von VirtualBox aufnehmen. Danach können Sie diese als virtuelle CD-/DVD-Medien einbinden und verwenden. Das sorgt zunächst für einen zusätzlichen Schritt, zahlt sich aber spätestens dann aus, wenn sie mehrere Systeme aufsetzen möchten. Denn so stehen die ISO-Dateien immer zur Verfügung und müssen nicht erst auf der Festplatte gesucht werden.

Ist das Gastsystem aufgesetzt, sollten Sie zunächst die Gasterweitungen installieren. Wie weiter oben beschrieben, bringen diese nicht nur neue Funktionen mit sich, sondern sorgen auch für einen deutlichen Zuwachs an Geschwindigkeit. VirtualBox wird in Sachen 3D-Beschleunigung zwar auch besser und schneller, Wunder sollten Sie nicht erwarten. Es handelt sich immer noch um ein Gast-Betriebssystem. Aus Kompatibilitäts-Probleme mit Grafikkarten-Treibern kann es schon vorkommen, dass Compiz unter Linux oder die Windows-Aero-Oberfläche nur mäßig, oder gar nicht laufen. Unter Linux als Host und Microsoft Windows 7 ließen sich die Aero-Effekte nicht aktivieren. Grund dafür ist der Treiber der virtuellen Grafikkarte. Dieser entspricht nicht dem Windows Display Driver Model (WDDM), sodass die Aero-Effekte ihre Arbeit verweigerten. Allerdings ist 3D-Beschleunigung auch nicht das Hauptziel von Virtualisierung.

Zusatzpaket: Bringt unter anderem Unterstützung für USB 2.0.

Abgesehen von diesen grafischen Einschränkungen arbeitet Windows 7 aber problemlos in VirtualBox. Auch die Auslastung des Host-Systems hält sich in Grenzen. Im Test liefen zwei Maschinen parallel (Windows 7 und aptosid 2011-01). Dennoch ließ es sich bequem arbeiten. Die CPU-Last unseres Testsystems pendelte sich etwa bei 15 Prozent ein. Deutlich mehr Bürde lag allerdings auf dem Arbeitsspeicher. Die Last des Arbeitsspeichers hängt natürlich stark davon ab, wie viel RAM Sie den einzelnen Systemen zuweisen. Wer also mehrere virtuelle Maschinen parallel über einen längeren Zeitraum betreiben will, sollte in jedem Fall ein 64-Bit-Host-System mit ausreichend Arbeitsspeicher verwenden.

VirtualBox bietet ein eigenes Snapshot-System. Damit können die Zustände virtueller Maschinen gespeichert werden. Das ist beispielsweise dann nützlich, wenn Sie experimentelle Software testen möchten. Während Sie früher für die Erstellung eines Snapshots das System herunterfahren mussten, ist das bei aktuellen Versionen von VirtualBox nicht mehr nötig. Einmal erstellte Images lassen sich zwar klonen, dies geschieht aber über die Kommandozeile. Abhilfe schafft das Tool CloneVDI. Dieses bietet nicht nur eine grafische Oberfläche für Klon-Aktionen, es kann außerdem die Größen der virtuellen Festplatten ändern und so beispielsweise mehr Speicherplatz zur Verfügung stellen.

Zwei in einem: Mit dem nahtlosen Modus können Sie mit zwei Betriebssystemen wie in einem arbeiten.

VirtualBox kann mit dem OVF-Format umgehen. Dieses wurde von VMware kreiert, um virtuelle Appliances verteilen zu können. Anders als etwa VMDK enthält eine OVF-Datei auch Informationen zur virtuellen Hardware einer Appliance. So kann man beispielsweise definieren, wie viele Netzwerkkarten enthalten sind, wie leistungsfähig die virtuelle CPU ist oder wie viel Arbeitsspeicher zur Verfügung steht. Das ermöglicht komplett eigenständige virtuelle Appliances, wie sie beispielsweise im Marketplace von VMware zur Verfügung stehen. Eine alternative Übersicht bietet beispielsweise die Website VirtualBoxImages. Oracle bietet mittlerweile auch einen eigenen Marktplatz für vordefinierte virtuelle Maschinen an.

Selbstverständlich kann auch VirtualBox 4.0.2 virtuelle Instanzen teleportieren. Hier hat sich gegenüber der Einführung in Version 3.1 nichts geändert. Dieses Szenario läuft weiterhin auf der Konsole ab.

Fazit und Ausblick

VirtualBox hat sich von der reinen Spielerei für Computer-Profis zu einem einfach zu bedienenden und vielseitigen Virtualisierungs-Programm entwickelt. Die Software steht anderen kommerziellen Produkten wie VMware Workstation oder Microsoft Virtual PC kaum nach. Lediglich die Treiber für Windows-Grafikkarten und die Klon-Funktionen lassen Raum zur Verbesserung.

Kein Aero: Windows 7 mag die Treiber von VirtualBox in Sachen 3D-Beschleunigung nur teilweise.

Dafür sichert die Open-Source-Version die Unterstützung einer breiten Community. Das schlägt sich beispielsweise in Projekten wie vboxweb oder dem oben erwähnten CloneVDI nieder. Diese Projekte wollen die VirtualBox Web Console komplett überarbeiten und ein modernes, auf AJAX-basierendes Web-Interface schaffen, mit dem sich auch entfernte Server einfach und bequem administrieren lassen.

Gegenüber Microsoft Virtual PC ist VirtualBox eine moderne Virtualisierungslösung, die zudem beständig weiterentwickelt wird. Sie ist außerdem deutlich billiger als VMware Workstation und ermöglicht einen einfachen Einstieg in die Virtualisierung. Die Oracle VM VirtualBox wird ständig überarbeitet. Aktuell ist Version 4.0.2 verfügbar. (jdo)

Dieser Artikel basiert auf einem Beitrag der CW-Schwesterpublikation TecChannel.