Test: Microsoft Virtual PC vs. VMware

08.07.2004 von Eric Tierling
Die Übernahme von Connectix im Februar 2003 markierte Microsofts Eintritt in die Welt der virtuellen PCs. Die Software "Virtual PC 2004" bietet Administratoren die Möglichkeit, PC-Konfigurationen unkompliziert auf einem Host-Rechner zu testen. Funktional kann sie jedoch in einigen Bereichen nicht mit dem Konkurrenzprodukt von VMware mithalten.

Mit Virtual PC 2004 lassen sich Longhorn-Betas im Fenster eines Windows-XP-Hosts testen.

Betriebssysteme oder Applikationen zu evaluieren und Updates vor dem Einspielen erst einmal unter die Lupe zu nehmen sind Aufgaben, die zum Alltag von IT-Abteilungen zählen. Um den Produktivbetrieb des Unternehmens nicht zu beeinträchtigen, empfiehlt sich für solche Probeläufe eine isolierte Testumgebung. Verfügt das Unternehmen über keinen Fundus eigenständiger Testhardware (PCs, Festplatten etc.), bieten sich virtuelle PCs an, wie sie Microsofts Virtual PC 2004 bereitstellt. Auf einem physikalischen "Host"-PC emuliert diese Software vollwertige, virtuelle x86-PCs ("Gäste") in Fenstern, um darin Betriebssysteme einschließlich zugehöriger Applikationen eigenständig ablaufen zu lassen. Ein virtueller Gast-PC lässt sich mit Grafik- und Soundadapter, parallelen und seriellen Schnittstellen, CD/DVD-ROM-Laufwerk sowie Netzwerkadaptern ausstatten, um die Hardware eines typischen PCs nachzubilden. Jede Festplatte eines Gast-PCs wird auf dem Host in

Form einer einzigen Datei gespeichert, so dass es relativ einfach ist, mit einem virtuellen Gast auf einen anderen physikalischen Host-PC umzuziehen.

Die Anzahl der gleichzeitig laufenden virtuellen Gast-PCs wird letztlich nur durch die Arbeitsspeicher- und Festplattenkapazität des physikalischen Rechners sowie dessen CPU-Leistung limitiert: Jeder aktive Gast benötigt RAM, der vom Host requiriert wird, während die Festplatte eines virtuellen PCs auf dem Host Speicherplatz in Anspruch nimmt. Für jeden virtuellen Gast sind somit zum Arbeitsspeicher- und Festplattenbedarf des zugrunde liegenden Host-Betriebssystems entsprechende Kapazitäten hinzuzurechnen. Zudem nimmt jeder aktive Gast-PC den Prozessor des Host-Computers in Anspruch, so dass Microsoft eine CPU mit mindestens 1 Gigahertz Taktfrequenz empfiehlt. Geschwindigkeitswunder sind nicht zu erwarten: Virtuelle PCs arbeiten zwangsläufig langsamer als physikalische.

Wesentliche Neuerungen

Zu den wichtigen Verbesserungen der 2004-Version von Microsofts Virtual PC zählt die Unterstützung von bis zu vier Ethernet-Adaptern pro Gast. Individuell lassen sich diese den im physikalischen Host installierten Netzwerkadaptern zuordnen. Ebenso ist es möglich, den Netzwerkzugriff des Gastes auf den Host zu begrenzen oder Network Address Translation (NAT) für die Gastzugriffe auf das physikalische LAN zu verwenden, um IP-Adresskonflikten aus dem Weg zu gehen. Neu gegenüber der letzten Connectix-Vorgängerversion 5.2 ist auch die Integration in das Sicherheitskonzept des Host-Betriebssystems: Anstatt wie Connectix auf Kennwörter zu setzen, erlaubt es der Microsoft-Nachfolger, zum Beispiel Änderungen an den Optionen von Virtual PC oder den Einstellungen eines Gastes auf Administratoren einzuschränken.

In der Konsole werden alle virtuellen Gast-PCs und ihr aktueller Status aufgelistet.

Ferner kommt Virtual PC 2004 mit mehr als 1 GB RAM pro Gast zurecht. Ein Gast kann jetzt bis zu 3,6 GB Arbeitsspeicher (von maximal 4 physikalischen GB des Host-PCs) nutzen, was den Betrieb auch speicherhungriger Konstellationen von Gast-Betriebssystem und den darunter laufenden Anwendungen ermöglicht. Die Palette möglicher Betriebssysteme hat Microsoft allerdings eingeschränkt: So kommt den Systemanforderungen zufolge für den Host, auf dem die Software zu installieren ist, nur ein mit Windows 2000/XP Professional oder mit Windows XP Tablet PC Edition ausgestatteter PC in Frage. Windows-NT-4.0-Computer bleiben außen vor und eignen sich nicht mehr als Host. Anwenderberichten zufolge soll es auch möglich sein, Virtual PC 2004 erfolgreich auf Host-PCs einzusetzen, die mit Windows XP Home Edition, Windows XP Media Center Edition, Windows 2000 Server, Windows Server 2003 oder Windows Small Business Server 2003 versehen sind. Laut Microsoft handelt es sich dabei jedoch um

Konfigurationen, für die es keinen Support gibt.

Betriebssysteme für virtuelle Gäste

Bei den potenziellen Gast-Betriebssystemen richtet Microsoft den Fokus auf die hauseigenen Windows-Client-Produkte. Darüber hinaus bietet der Assistent, der bei der Einrichtung eines virtuellen Gast-PC in Erscheinung tritt, DOS sowie OS/2 an. Ein wenig unverständlich erscheint, warum dieser Assistent zur Gastauswahl auch Windows-Server-Betriebssysteme präsentiert, obgleich Virtual PC 2004 diese laut Beschreibung nicht unterstützt.

Andere Betriebssysteme, die nicht von Microsoft stammen, führt der Assistent im Gegensatz zum Connectix-Vorgänger zwar nicht mehr auf, doch lassen sich diese in der Regel dennoch als Gastplattform in Betrieb nehmen. Knoppix 3.4 und Netware 6.5 beispielsweise liefen bei unseren Tests genauso problemlos wie die Longhorn-Beta 4074, die aber nur eine sehr geringe Geschwindigkeit aufwies.

Die Optionen bestimmen das Verhalten von Virtual PC 2004 gegenüber Gästen.

Die "Virtual PC Additions", die neben Performance-Optimierungen unter anderem die Verwendung der Gast-Zwischenablage durch den Host sowie den Host-Zugriff auf einen Gast-Ordner ohne Umweg über das Netzwerk bieten, stellt Microsoft lediglich für DOS-, Windows- und OS/2-Gäste zur Verfügung. Somit ist es auch nur dort möglich, die Maus in gewohnter Manier aus dem Fenster eines virtuellen PCs direkt hinauszubewegen. Bei anderen Gast-Betriebssystemen hingegen, für die diese Erweiterungen nicht existieren, ist erst eine Tastenkombination zu drücken, um die Maus aus dem Fenster des virtuellen PCs wieder herauszulösen und so für die Nutzung im Host-PC freizugeben.

Die Einstellungen legen die Hardwarekonfiguration eines Gast-PC fest.

Defizite zur Konkurrenz

Im praktischen Einsatz macht Virtual PC 2004 eine anständige Figur. Die Installation verläuft problemlos und geht flüssig nicht nur binnen Minuten, sondern auch ohne Neustart des Hosts vonstatten. Ebenso einfach gestaltet sich die Erstellung und Inbetriebnahme neuer Gast-PCs. Bei der direkten Gegenüberstellung mit dem Konkurrenzprodukt "Workstation 4.5" von VMware braucht sich Virtual PC 2004 nicht zu verstecken. Geht es jedoch um Flexibilität, nimmt der Microsoft-Kontrahent die Ziellinie als Sieger: Beispielsweise gestattet es VMware Workstation 4.5 Gästen, die mit dem Host-PC verbundenen USB-Geräte zu nutzen, so dass sich etwa externe ISDN- oder WLAN-Adapter in virtuellen PCs verwenden lassen. Darüber hinaus wartet das Pendant von VMware mit einer SCSI-Unterstützung (zum Beispiel für Streamer) sowie der Möglichkeit auf, den aktuellen Zustand eines laufenden Gastes als Snapshot zu speichern und - ungeachtet aller späteren Änderungen - bei

Bedarf exakt wieder dorthin zurückzukehren. Bei diesen Merkmalen muss Virtual PC 2004 genauso passen wie bei der Konfiguration von Gast-PCs als Knoten für einen Server-Cluster - diese Funktion ist Microsofts Virtual Server 2005 vorbehalten.

Die Trostpflaster für die fehlenden Features: Mit einem Preis von 129 Dollar ist Virtual PC deutlich günstiger als VMware Workstation, das beim elektronischen Download 189 Dollar kostet. Ferner ist Virtual PC 2004 in mehreren Sprachen (auch auf Deutsch) erhältlich, während es VMware nur auf Englisch gibt.

Fazit

Ohne dass der Anwender die eigentliche Hard- und Softwarekonfiguration eines PCs verändern oder in separate Testhardware investieren muss, können mehrere Betriebssystem-Konstellationen mit Hilfe von Microsofts Virtual PC 2004 ihren Dienst auf einem einzigen Computer gleichzeitig versehen. IT-Abteilungen erhalten so die Gelegenheit, PC-Konfigurationen schnell und unkompliziert auf Herz und Nieren zu testen. Wenn es um keine fortgeschritteneren Funktionen geht und Flexibilität nicht im Vordergrund steht, bietet Microsoft mit Virtual PC 2004 eine interessante Alternative für Anwender, die bei virtuellen PCs bislang auf VMware gesetzt haben.