Enterprise Marketplace

T-Systems eröffnet einen App-Marktplatz

28.02.2013 von Joachim Hackmann
Zur CeBIT startet der IT-Dienstleister T-Systems einen App-Store für Geschäftskunden. Der "Enterprise Marketplace" verspricht integrierte Cloud-Applikationen.

Der von T-Systems angekündigte "Enterprise Marketplace" richtet sich vornehmlich an große Unternehmen. Dadurch grenzt er sich vom "Business Marketplace" ab, den die T-Systems-Muttergesellschaft Telekom seit der CeBIT 2012 für den Mittelstand betreibt.

In beiden B2B-AppStores stellen T-Systems beziehungsweise Telekom den Anwendern PaaS-, IaaS- und SaaS-Lösungen (Platform, Infrastructure und Software as a Service) aus dem eigenen Haus sowie von Partnerunternehmen zur Miete bereit. Der digitale Marktplatz für die Großkunden betont die Integration der Cloud-Dienste in Bezug auf Service-Level-Management, Sicherheit und Betriebsdaten. In dem für mittelständische Nutzer vorgesehenen AppStore liegt der Schwerpunkt auf einer breiten Auswahl an Cloud-Diensten.

So könnte der digitale Marktplatz für Großkunden aussehen. Seine Anmutung lässt sich den individuellen Kundenwünschen anpassen, gehostet werden soll er immer bei T-Systems.
Foto: Telekom

Um die Integration der diversen Lösungen zu gewährleisten, hostet und betreibt T-Systems den Enterprise Marketplace selbst. Damit will der IT-Dienstleister erreichen, dass beispielsweise die Kundendaten eines Cloud-basierenden CRM-Systems auch anderen SaaS-Lösungen zur Verfügung stehen. Der Enterprise Marketplace ist nicht als öffentlicher Umschlagplatz für Cloud-Dienste, sondern als geschlossene Umgebung vorgesehen, in der jedes Anwenderunternehmen seinen Mitarbeitern ein individuell ausgewähltes Cloud-Portfolio im unternehmenseigenen Design bereitstellen kann. Bei Bedarf vermarktet der Anbieter die Marktplatz-Lösung auch als Appliance zur Installation in einer Kundenumgebung. Bevorzugt soll die Umgebung aber im Rechenzentrum von T-Systems laufen.

SaaS- und IaaS-Dienste zum Start

Die Dienste, mit denen sich der App-Store bestücken lässt, insbesondere die Softwarelösungen, stammen zumeist von unabhängigen Softwarehäusern. Zunächst stehen unter anderem Cloud-Dienste von Nimsoft (Monitoring), Taxor (Steuerbilanz), WeSustain (Nachhaltigkeits-Reporting), Treasury Intelligence (Bankkonten- und Transaktions-Management) sowie eine Archivlösung von Imagemaster zur Verfügung. Zudem gibt es eine Cloud-basierende Applikation für das Lifecycle-Management von Dokumenten; sie stammt vom Schweizer Softwareanbieter Document Future AG. Mit dem SaaS-Paket "Doculife" können Anwender ihre Dokumente bearbeiten, verwalten und revisionstauglich archivieren - bei Bedarf auch in einer Private Cloud. Die Software erfüllt T-Systems zufolge alle europäischen Sicherheits-, Datenschutz- und Compliance-Standards.

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Zum Betriebsstart verfügbar sind auch IaaS-Dienste wie der Apache-Web-Server, zwei Application-Server (Tomcat und JBoss), MySQL-Datenbanken, das Open-Source-Paket LampStack sowie die Microsoft-Lösungen Internet Information Server (IIS), Enterprise Search und Sharepoint. Weitere Iaas- und SaaS-Dienste sollen folgen.

Die Infrastrukturdienste im Großkunden-App-Store sind zwar die Basis, aber nicht der Kern des Marktplatzes. T-Systems möchte mit den Cloud-Diensten tiefer in die Prozesse der Kunden-IT vordringen und setzt dabei auf ein breites Angebot an geschäftskritischen Applikationen. Dazu zählen Cloud-Dienste aus dem Bereich Big Data, mit denen Anwender "Analytics as a Service" betreiben können. Besonderes Augenmerk legt T-Systems künftig auf ein ausführliches Portfolio an vertikalen Angeboten. Auf der CeBIT wird die Telekom-Tochter Lösungen für die Autobranche zeigen.

Auf der Folge-Seite erläutert Frank Strecker, Senior Vice President Cloud Computing bei T-Systems, Hintergründe und Ziele des Vorhabens.

Frank Strecker, T-Systems: "Die Flatrate für IT wird kommen"

Ein App-Store für Großkunden soll T-Systems den Weg in die Cloud-Zukunft ebnen. Im CW-Gespräch erläutert Frank Strecker, Senior Vice President Cloud Computing bei der Telekom-Tochter, Hintergründe und Ziele des Vorhabens.

CW: Cloud-Portale von IT-Service-Providern gibt es zuhauf. Wozu braucht es einen Marktplatz speziell für Großkunden?

Strecker: Im Cloud-Markt kaufen die Kunden viele Einzellösungen. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, die Installationen technisch und prozessual zu integrieren. Im "Enterprise Marketplace" bieten wir dem Kunden PaaS-, IaaS- und SaaS-Kapazitäten an, die wir von Ende zu Ende betreiben. Das ist aus dem Bedarf der Kunden nach durchgängigem Management, einheitlichen SLAs und IT-Sicherheit entstanden.

Frank Strecker, Senior Vice President Cloud Computing bei T-Systems: "Auf Dauer wird die gesamte IT in die Cloud wandern, niemand darf diesen Trend ignorieren."
Foto: Telekom

Dazu werden wir auf der CeBIT neue Services unter anderem von Partnerunternehmen präsentieren, etwa im Bereich Big Data eine Lösung für "Analytics as a Service". Ziel ist es, mit neuen Diensten in die vertikalen Märkte und damit tiefer in die Geschäftsprozesse der Kunden vorzudringen. Für die Automobilbranche werden wir auf der CeBIT solche Lösungen zeigen.

CW: Cloud-Angebote von Konkurrenten wie Amazon bestechen vor allem durch transparente Preise und einfache Bedienung. Dort kann jeder bestellen und bekommt sofort die gewünschten Ressourcen. Ist Ihr Portal ähnlich gestaltet?

Strecker: Es ist nicht entscheidend für große Unternehmen – und oft auch nicht gewollt -, dass jeder Mitarbeiter Dienste bestellt und per Kreditkarte bezahlt. Denn die Unternehmen haben ja ihre regulären Beschaffungs-, Genehmigungs- und Abrechnungsprozesse. In diese Abläufe muss man das Cloud Computing einbinden. Der Enterprise Marketplace ist eine geschlossene Umgebung für Unternehmenskunden, den sie nach ihren Vorstellungen mit Applikationen und Cloud-Diensten bestücken können, und aus dem sich die Mitarbeiter bedienen können. Das Ganze wird bei T-Systems gehostet. Bei Bedarf stellen wir den Marktplatz aber auch als Appliance zur Verfügung.

Abläufe in Unternehmen sind selten Cloud-ready

CW: Worin besteht die Herausforderung für die Anwender?

Strecker: Die technischen Aufgaben für das Boarding von Cloud-Diensten, für den Betrieb und das Provisioning sind gelöst, schwierig gestaltet sich in der Regel die Prozessintegration. Viele Unternehmen sind darauf nicht vorbereitet, weil ihre oft über Jahre gewachsenen Abläufe nicht zum Cloud Computing passen. Wer glaubt, dass ein einfaches Unternehmensportal sämtliche Probleme der vergangenen Jahre löst, liegt falsch.

CW: Lassen sich auch fremde Cloud-Angebote einbinden, also auch solche, die nicht aus dem T-Systems-Partnernetz stammen?

Strecker: Die Cloud-Welt wird heterogen sein. Natürlich wollen wir den App-Store auf unseren Systemen betreiben. Aber es wird immer Modelle geben, in den wir, unsere Partner und andere Anbieter spezielle Dienste beisteuern, und in denen die Unternehmen auch eigene Services betreiben. Wir haben den Anspruch, den App Store ganzheitlich zu betreiben und würden dazu auch andere Lösungen einbinden.

CW: Es gibt bei der Telekom bereits den Business Marketplace. Wie unterscheidet der sich vom Enterprise App Store?

Strecker: Der Business Marketplace ist für kleine und mittlere Unternehmen gedacht, dort kann sich etwa ein Startup eine komplette IT-Umgebung zusammenstellen. Für die betriebswirtschaftlichen Aufgaben eines Unternehmens mit fünf Mitarbeitern reicht etwa ein "Scopevisio" völlig aus, ein Konzern mit 20.000 Mitarbeitern hat andere Anforderungen. Der will integrierte Lösungen, in denen Kundendaten nicht isoliert im CRM-System gepflegt werden. Für ihn gibt es den Enterprise Marketplace. Vielleicht wachsen die Marktplätze später zusammen. Wir integrieren beispielsweise nach und nach die Cloud-Dienste aus dem Business Marketplace in den App Store des Enterprise Marketplace.

CW: Dann fehlt nur noch das Endgerät für eine durchgängige Lösung. Zeigt die Telekom auf der CeBIT das Cloudbook, über das bereits spekuliert wurde?

Strecker: Ja, unsere Innovationsleute von den T-Labs zeigen eine durchgängige Cloud-Office-Lösung namens LiteDesk basierend auf einem Endgerät, das nur einen Browser enthält. Die notwendigen Büroanwendungen liegen in der Cloud genauso wie Support und Backup.

CW: Wie fügt sich das Cloud-Geschäft in das gesamte T-Systems-Portfolio ein? Den Großteil der Einnahmen erzielen Sie immer noch mit traditionellen IT-Dienstleistungen.

Strecker: Cloud Computing ist für T-Systems zum einen Neugeschäft, zum anderen aber auch Substitutionsgeschäft. Auf Dauer wird die gesamte IT in die Cloud wandern, niemand darf diesen Trend ignorieren. Um den Wandel zu forcieren, haben wir ein Telekom-übergreifendes Team installiert, das sich ausschließlich um Cloud-Themen kümmert, also für alle Kundengruppen, von Privatkunden über den Mittelstand bis zu den Großkunden.

Elektro-Autos brauchen IT, aber kein Getriebe

CW: Mit den Cloud-Diensten verschmelzen vielerorts Geschäfts- und Privatkundengeschäft. Wie grenzen sich T-Systems und Telekom voneinander ab?

Strecker: Gar nicht. Telcos sind für das Cloud-Geschäft sehr gut aufgestellt, weil sie sowohl eigene Netze als auch Rechenzentren haben. T-Systems bringt zudem noch IT-Know-how ein. So breit ist kein anderer Anbieter aufgestellt, das ist unser Alleinstellungsmerkmal.

Frank Strecker, Senior Vice President Cloud Computing bei T-Systems: "Richtig ist, dass durch die Cloud das B2B- und B2C-Geschäft zusammenwachsen."
Foto: Telekom

Die Telekom kennt das Privatkundengeschäft und weiß daher genau, wie man Kleinstbeträge abrechnet. Die IT-Industrie verweist gerade sehr stolz darauf, dass sie Server-Kapazitäten pro Stunde abrechnen kann, doch unsere Erfahrungen aus anderen Märkten zeigen, dass so etwas nicht das Modell der Zukunft ist. Vermutlich wird es künftig in der IT auch so etwas wie Flatrates geben.

Richtig ist, dass durch die Cloud das B2B- und B2C-Geschäft zusammenwachsen. Die Art, wie eine Transaktion in beiden Märkten abgewickelt wird, gleicht sich an. Durch die Smartphone-Nutzung machen die Kunden die Erfahrung, wie einfach IT und ein Bestellprozess sein kann, sie wollen Gleiches auch im beruflichen Umfeld sehen.

CW: Viele IT-Service-Provider schielen seit geraumer Zeit auf das B2B2C-Geschäft. Die Idee dahinter ist, den Kunden der Geschäftskunden mit IT-Lösungen zu versorgen, und sich nicht wie bisher mit IT-Arbeiten im Backend der Unternehmen zu bescheiden. Warum ist das Thema so bedeutend geworden?

Strecker: Die Rolle der IT hat sich geändert. Früher war sie Querschnittsfunktion, die dafür gesorgt hat, dass beispielsweise die Löhne rechtzeitig und richtig ausgezahlt wurden. Durch die Cloud wird IT zum Gebrauchsgegenstand, sie dringt in den Alltag der Menschen ein. Es gibt heute kaum noch einen Industriezweig, in dem IT nicht ein wesentlicher Bestandteil des Geschäftsmodells ist. Früher haben Verlage Bücher und Zeitungen gedruckt, heute vertreiben sie ihre Produkte im stationären und mobilen Web.

Ein IT-Anbieter, der dem Verlag die weltweit coolste App baut, ist näher am Kerngeschäft seines Kunden, als ein Provider, der den HR-Prozess im Backend betreibt. Wir wollen nicht den Endkundenmarkt bedienen, sondern wollen die Rolle des Enablers für unsere Business-Kunden ausfüllen, damit der wiederum das Geschäft mit seinen Kunden ausbauen kann. Besondere Möglichkeiten tun sich da beispielsweise mit Car-IT und Connected Car in der Automobilbranche auf.

CW: Dort gibt es aber auch das gegenteilige Beispiel. Der US-Konzern General Motors baut derzeit die interne IT enorm aus, möglicherweise um selbst IT-basierende Geschäftsmodelle zu entwerfen und zu betreiben.

Strecker: Es gibt auch klassische Zulieferbetriebe die komplette Softwarefirmen aufbauen. Wir stehen vor einer spannenden Entwicklung, und keiner weiß, wie sie enden wird. Sicher ist, dass alte Rollenverteilungen künftig nicht mehr zwingend gültig sind. Welche Aufgaben übernehmen künftig Händler, Produzenten, Zulieferer und IT-Konzerne? Im Elektro-Auto ist IT ein Kernelement, Getriebe werden dagegen nicht mehr benötigt. T-System könnte also zu einem wichtigen Automotive-Zulieferer werden. Jeder muss neu definieren, womit er künftig Geld verdienen möchte. (mhr)