T-Systems-Chef Pauly: "Es gibt keine Alternative zum Stellenabbau."

10.10.2006
Der seit einem Jahr amtierende T-Systems-CEO Lothar Pauly kündigt der hiesigen Belegschaft im Gespräch mit CW-Redakteur Joachim Hackmann tiefe Einschnitte an.

CW: Der CEO der Deutschen Telekom AG, Kai-Uwe Ricke, hat kürzlich in einem Sieben-Punkte-Programm einen Maßnahmenkatalog für den Konzern vorgestellt. Was kommt im Zuge dieses Vorhabens auf T-Systems zu?

Pauly: Das Programm formuliert unter anderem die Ziele des Geschäftskundensegments, also von T-Systems. Neben einigen finanziellen Eckpunkten besagt es, dass wir in allen Kundensegmenten eine Marktposition unter den ersten drei in Europa erreichen wollen.

Darüber hinaus hat der Vorstand einige Forderungen in Sachen Innovationen und zum Thema Service aufgestellt, die für alle drei Geschäftsfelder gelten. Bei T-Systems geht es insbesondere um das Thema ICT (Information and Communication Technology). Ein anderer Schwerpunkt im Sieben-Punkte-Programm ist die Effizienzsteigerung...

CW: ...in deren Rahmen die Telekom fünf Milliarden Euro einsparen will.

Pauly: Dahinter verbirgt sich auch meine erweiterte Aufgabe, und zwar die Verantwortung für die gesamte Produktion inklusive Netzbetrieb und -management sowie für den Einkauf und die Konzern-IT. Ein Großteil der angestrebten Einsparungen fällt in diesen drei Segmenten an. Darüber hinaus gibt es noch Themen wie Vertrieb, Marketing, Shared Service, die andere Vorstandskollegen verantworten.

CW: Mit der Übertragung der Verantwortung der internen IT an T-Systems, also dem Haus- und Hoflieferanten, macht die Telekom den Bock zum Gärtner. Einsparungen im IT-Budget schmälern Umsatz und Gewinn von T-Systems. Droht da nicht ein Interessenskonflikt?

Pauly: Auf den ersten Blick vielleicht. Vorstand und Aufsichtsrat geben mir den Vertrauensvorschuss, dass ich als Konzernvorstand im Sinne des Ganzen handele. Ich habe bereits das IT-Excellence-Programm der Telekom als Pate verantwortet, in dessen Rahmen wir eine Milliarde Euro pro Jahr einsparen wollen - also tatsächliche Budget-Einsparungen. Das machen wir durch besseren Einkauf für Leistungen von außerhalb des Konzerns sowie Standardisierung der Prozesse und der Servicepakete.

Außerdem haben wir uns bei unseren IT-Leistungen an die Telekom mit Hilfe von Benchmarks wie die Besten im Markt aufgestellt. Das schmälert zwar kurzfristig unseren Umsatz, sichert uns aber auf längere Sicht externe Kunden, weil wir uns intern fit gemacht haben. Und letztlich darf man nicht vergessen: Wenn T-Systems IT-Aufgaben des Konzerns bei sich bündelt, führt das zu weniger Aufträgen an externe Lieferanten. Davon profitiert der Konzern ganz erheblich.

CW: Haben Sie die Neuausrichtung bereits abgeschlossen?

Pauly: Die Benchmarks, ja. Mit der neuen Aufgabenverteilung im Vorstand bin ich jetzt auch disziplinarisch verantwortlich. Peter Sany als CIO der Telekom und Hamid Akhavan als Verantwortlicher für Netztechnik und Einkauf berichten direkt an mich. Alle Netztechnik-Chefs der Einheiten berichten an Akhavan. Alle IT-Leiter aus den Geschäfstfeldern an Sany.

CW: Machen Sie als Chef des IT-Einkaufs möglicherweise einen von der T-Com an IBM vergebenen CRM-Auftrag wieder rückgängig? Die Verträge sollen noch nicht unterschrieben sein.

Pauly: Nein, warum denn? Das Projekt ist schon im Januar an IBM gegangen. Die IBM braucht allerdings unsere Hilfe, wie sich jetzt zeigt. Es kann also sein, dass T-Systems vielleicht einige Auftragspakete von T-Com bekommt. Das werde ich im Rahmen meiner neuen Verantwortung klären.

CW: Also werden möglicherweise durchaus große Teile des Projekts von IBM nach T Systems verschoben?

Pauly: Es geht hier nicht um das Verschieben von Aufgaben. Wenn IBM Hilfe benötigt, muss man gegebenenfalls darüber nachdenken, einige Aufgaben anders zu verteilen. Schauen wir mal. Noch ist es nicht soweit.

CW: Gerüchten zufolge verkauft EDS seinen Field-Service.

Pauly: Das kann ich mir gut vorstellen. In diesem Segment verdient heute keiner mehr Geld.

CW: Der zweite Teil des Gerüchts besagt, T Systems habe Interesse an einer Übernahme.

Pauly: Nein. Wir haben selbst ein Restrukturierungsprogramm für unseren eigenen Feldservice gestartet. Ziel ist es, nur noch Managed-Desktop-Services über Fernwartungsdienste zu betreiben. Den Service vor Ort möchten wir gerne von Dritten machen lassen.

CW: Wollen Sie auch Ihren Vor-Ort-Service verkaufen?

Pauly: Wir wollen ihn anders strukturieren. Ob das in einen Verkauf mündet, werden wir sehen. Wir verdienen im Field-Service kein Geld. Das kann so nicht bleiben. Das Problem in diesem Segment ist, dass nach Telekom-Tarif gut bezahlte IT-Mitarbeiter ihre Zeit damit verbringen, 40 oder 50 PCs an entfernten Standorten zu betreuen. Diese Flächenversorgung geht heute nicht mehr. Ein Field-Service ergibt nur dort einen Sinn, wo wir viele PC-Arbeitsplätze an einem Standort unter Vertrag haben. Das gilt etwa für Bonn, wo wir neben der Telekom-Zentrale auch die Rechner der Deutsche Post betreuen. Hier rechnet sich ein solcher Service. Insofern müssen wir sehr differenziert an die Neustrukturierung rangehen. Das kann an einzelnen Standorten auch in einen Verkauf münden.

CW: Wie viele Leute wären betroffen?

Pauly: Eine Zahl kann ich Ihnen nicht nennen, weil die Planungen noch nicht abgeschlossen sind. Mitarbeiter an großen Standorten werden vermutlich nicht betroffen sein, an kleinen Standorten sieht das wahrscheinlich anders aus.

CW: T-Systems hat vor einigen Monaten angekündigt, insgesamt 5500 Mitarbeiter zu entlassen. Bleibt es dabei?

Pauly: 5000 Stellen werden wir in der für Konzerne und große öffentliche Institutionen zuständigen Einheit Enterprise Services abbauen, 500 weitere in der Zentrale. Die Pläne haben wir im November vergangenen Jahres veröffentlicht, und dabei bleibt es auch. In der für das Geschäft mit Groß- und Mittelstandkunden zuständigen Einheit Business Services haben wir deshalb nichts angekündigt, weil die rechtliche Verschmelzung der einzelnen Quelleinheiten noch nicht abgeschlossen war. Die kam erst mit der Hauptversammlung der Deutschen Telekom im Mai 2006.

In der Zwischenzeit haben wir uns Business Services genauer angeschaut. Im Laufe des nächsten Jahres fallen dort 1600 Stellen weg. Mit den Betriebsräten und Gewerkschaften haben wir schon gesprochen, aber das ist noch nicht verhandelt.

Innovative Sparideen

Den schrumpfenden Einnahmen von T-Systems begegnet der Konzern mit eisernem Sparregiment. Die Mittelstandsorganisation Business Solution präsentierten ihren Mitarbeitern eine Liste mit 29 Punkten. Darin enthalten sind etwa Vorschläge, die Weihnachtsfeiern und Team-Bildungs-Veranstaltungen zu streichen, Inlandsflüge nur noch der Geschäftsleitung zu gewähren, Handytelefonate zu reduzieren, keine neuen Dienstfahrzeuge anzuschaffen sowie alle Leih- und Zeitarbeitsverträge mit externen Anbietern zu kündigen. "Der eifrigste Sparkommissar der Deutschen Telekom", unkte die "Wirtschaftswoche" über T-Systems-Chef Lothar Pauly, der die Liste aber weder entworfen noch unterstützt hat (siehe auch "Radikales Sparprogramm bei T-Systems").

Der ernste Hintergrund der Geschichte ist der schnelle Umsatzschwund. In nahezu allen Segmenten schrumpfen die Einnahmen von T-Systems, die wenigen wachsenden Bereiche, etwa Systemintegration und IT-Services für den Mittelstand, können den Verfall nicht kompensieren. Insgesamt ging der Umsatz in den ersten sechs Monaten 2006 um 2,7 Prozent auf 6,3 Milliarden Euro zurück. Schwierigkeiten bereitete dem IT-Dienstleister der Verkauf von TK-Services an große, international tätige Kunden sowie das PC-Servicegeschäft. Eine Trendwende ist nicht in Sicht.

CW: Bislang hat man von T-Systems wenig Off- und Nearshore-Aktivitäten gesehen. Wird sich das ändern?

Pauly: Ja, der harte Wettbwerb zwingt auch uns dazu. Wir haben größere Offshore- und Nearshore-Standorte eingerichtet. In Pune in Indien arbeiten zurzeit 700 Mitarbeiter für unsere Geschäftseinheit Systemintegration. In Kosice in der Slowakei haben wir einen neuen Rechenzentrumsstandort eröffnet, in dem wir zurzeit rund 300 Mitarbeiter beschäftigen und weitere Einstellungen planen. Zudem unterhalten wir einen großen Standort in Ungarn in der Nähe von Budapest für User-Helpdesk-Services.

CW: Die Integration der Near- und Offshore-Niederlassungen in die Betriebsprozesse läuft dem Vernehmen nach nicht reibungslos. Was wollen Sie ändern?

Pauly: Die Einbindung des Rechenzentrumsbetriebs in Kosice läuft sehr gut, obwohl der Standort neu ist. Im Segment Systemintegration ist die Aufgabe schwieriger. Hier gibt es relativ viele Kleinaufträge, die teilweise auf Basis von Zeit- und Materialaufwand abgerechnet werden. Das sind Aufgaben, die sich schwer verlagern lassen, weil sie die kritische Masse nicht erreichen. Für einen Systemintegrationsauftrag im Wert von 300 000 oder 500 000 Euro lohnt sich der Aufwand nicht.

In der Systemintegration müssen wir Aufgaben stärker bündeln. Wir müssen mehr zu Projektaufträgen mit definiertem Zeit-, Kosten- und Qualitätsrahmen kommen. In solchen Projekten lässt sich ein Kosten-Mix aus Hoch- und Niedriglohnländern erzielen. Wir machen Fortschritte, sind aber noch nicht am Ziel. Wir müssen die heutige Quote von elf Prozent aus Niedriglohnländern deutlich erhöhen. In diesem Bereich haben wir schon etliche Züge verpasst. Wir müssen uns beeilen.

CW: Wie wird Ihrer Einschätzung nach die Beschäftigungssituation bei T-Systems in drei Jahren in Deutschland aussehen?

Pauly: Das hängt von zwei Einflüssen ab: Wie entwickelt sich die Umsatzverteilung zwischen Deutschland und dem Ausland? Wie intensiv müssen wir aufgrund des Preisdrucks die Kosten senken und eine Mischkalkulation mit Hoch- und Niedriglohnleistungen betreiben? Das sind zwei voneinander entkoppelte Prozesse, die aber beide in die gleiche Richtung weisen: In Deutschland wird die Zahl der Mitarbeiter zurückgehen, im Ausland wird sie steigen. Wenn das Geschäft in Spanien wächst, werden wir auch im Land einstellen. Aber auch dort müssen wir den Kunden eine Mischkalkulation bieten und unsere Kapazitäten in Ländern wie der Slowakei, Ungarn und Indien nutzen.

Ich kann heute keine verlässliche Aussage über die künftige geografische Verteilung der Mitarbeiter treffen. Sicher ist, dass wir einen Ausbau unseres internationalen Geschäfts anstreben. Heute erzielen wir 18 Prozent der Einnahmen außerhalb von Deutschland. Im Jahr 2010 sollen es 30 Prozent sein. Wir sind auf gutem Weg.

Der Markt in Deutschland bewegt sich langsamer und schlechter, als Analysten und Anbieter noch vor etwa einem Jahr erwartet haben. Der Preisverfall im IT und TK ist so groß, dass er jede Mengensteigerung auffrisst. Das gilt für uns und für alle Wettbewerber gleichermaßen.

CW: Die Near- und Offshore-Diskussion verunsichert die hiesigen Mitarbeiter, zudem haben ständige organisatorische Neuerungen für Unruhe im Unternehmen gesorgt. Was machen Sie gegen den wachsenden Unmut?

Pauly: Ich sehe auch, dass die Mitarbeiter wegen des Stellenabbaus nervös sind. Aber wir haben dazu keine Alternative, wenn wir wettbewerbsfähig sein wollen.

Was ständige Umorganisationen angeht: Ich bin vor einem Jahr zur T-Systems gekommen und habe den Mitarbeitern zu verstehen gegeben, dass das Unternehmen häufig genug neu organisiert wurde. Wir haben lediglich kleinere Anpassungen vornehmen müssen: So haben wir den separaten Vertrieb der Systemintegrations-Einheit in den eigentlichen Vertrieb integriert. Auch haben wir die Aufteilung des Segments öffentliche Hand zwischen Enterprise und Business Services aufgehoben und alles in eine Hand gelegt. Außerdem gab es einige Kunden, die von zwei Vertriebseinheiten betreut wurden. Dort mussten wir klare Trennungslinien ziehen. Das sind aber nur kleine Adaptionen. Wir haben in den vergangen zwölf Monaten keine tief greifenden organisatorischen Änderungen gestartet und werden es in absehbarer Zeit auch nicht tun.

CW: Planen Sie Competence-Center für Spezialthemen in Deutschland, so dass weniger Jobs ins Ausland abwandern?

Pauly: Heute betreiben wir fast alle Competence-Center in Deutschland. Erst kürzlich haben wir ein Competence-Center "Mobile Ticketing" für den öffentlichen Personennahverkehr und den Fernverkehr in Hamburg eröffnet. Grundsätzlich können wir die hiesigen Arbeitsplätze nur mit Hilfe von Innovationen sichern.

Dynamic Services ist da ein gutes Beispiel. Kunden können mittlerweile Rechenleistung vom Großrechner tagesaktuell ordern und nach Verbrauch bezahlen. Das Rechenzentrum in Frankfurt, das dieses Angebot betreibt, läuft exzellent. Die Nachfrage ist insbesondere unter großen und mittelständischen Unternehmen erheblich, so dass wir das Rechenzentrum von Woche zu Woche mehr auslasten. Das sichert Arbeitsplätze.

Die Mischkalkulation aus Hoch- und Niedriglohnländer wird uns weniger Arbeitsplätze in Deutschland bescheren. Um es deutlich zu sagen: Wir arbeiten in einem deflationären Markt. Ein Preisverfall von 15 Prozent, in manchen Segmenten sogar von 20 Prozent, lässt sich mit konventionellen Mitteln nicht auffangen.

CW: Das lässt sich an den Einnahmen von T-Systems ablesen. Die haben in den vergangenen Jahren bestenfalls stagniert, sind zuletzt sogar geschrumpft. Welches Rezept haben Sie gegen den Umsatzschwund?

Pauly: Wir streben Wachstum im Ausland an. Als Marktführer in Deutschland tun wir uns schwer, Umsatz und Marktanteil zu steigern. Hier lautet unser Ziel, unseren Marktanteil zu verteidigen. Wir wollen mindestens so schnell zulegen wie der Marktdurchschnitt und vertrauen dabei auf Innovationen, die wir aus neuen integrierten Lösungen aus Informations- und Kommunikationstechnologie erstellen. Beispiele sind Systeme zur Mauterfassung oder aber dynamische Dienstleistungen wie verbrauchsabhängige Mietmodelle bei Software, Hardware und Speicherplatz.

Neben den geografisch orientierten Zielen werden wir neue IP-Dienste anbieten. Dazu werden wir unsere gesamte Netzinfrastruktur auf IP umstellen, so dass Daten und Sprache über ein Medium übertragen werden. Das gilt nicht nur für die lokalen Netze, die PCs und Telefone anschließen. Das gilt auch für sämtliche Verbindungen, die die Unternehmensgrenzen überschreiten. Wir werden die ersten Kunden im Januar 2007 auf ein rein IP-basiertes Netz mit Universal IP-Access umstellen. Ab April starten wir den Massen-Roll-out. Unser Zeitplan sieht vor, bis 2009 oder 2010 sämtliche alten Netze, die heute auf ATM und Frame Relay basieren, sowie alle herkömmlichen klassischen PSTN-Telefonnetze abzuschalten.

CW: Wollen Sie damit den sehr späten Einstieg von T-Systems in den Markt für Voice over IP kompensieren?

Pauly: Als ich vor einem Jahr zu T-Systems kam, habe ich mir zunächst die Position des Unternehmens zum Thema VoIP erläutern lassen. Damals lief das Legacy-Geschäft gut. Eine zu frühe Bewegung Richtung IP wäre unternehmerisch nicht sinnvoll gewesen. Die technische Entwicklung lässt sich aber nicht aufhalten, ob wir es begrüßen oder nicht.

Als Markt- und Technologieführer müssen wir Entwicklungen vorantreiben. Wir dürfen uns nicht von ihnen treiben lassen. Um das zu verhindern, habe ich bereits im vergangenen Jahr die Strategie geändert.

CW: Wird darunter das Geschäft von T-Com leiden?

Pauly: Einerseits ja. Aber andererseits brauchen wir weiterhin die IP-Backbones und Core-Netze von T-Com, auch in einer reinen IP-Welt. Die Geschäftskunden sind meist Vorreiter in der Nutzung neuer Techniken. Davon ausgehend, werden wir sukzessive die Produktion auch bei T-Com auf ein New Generation Network (NGN), also ein komplett IP-basiertes Netz, umstellen.

CW: Tragen Sie damit IP-Technik künftig aktiv in den Massenmarkt?

Pauly: Ja, die Telekom wird ein NGN betreiben. Das entspricht der neuen Telekom-Governance, wir arbeiten derzeit die Zeitpläne aus. Die Fragen, die es noch zu klären gilt, lauten: Wie schnell können wir von der alten zur neuen Welt springen? Was bedeutet der Schwenk für die Jahre während der Übergangsphase?

CW: Sie bieten damit auch Privatkunden künftig aktiv IP-Services an?

Pauly: Ja, die Telekom stellt auf IP um. Das wird auch zu neuen Angeboten im Massenmarkt führen.

CW: Zu deutlich günstigeren Preisen.

Pauly: Ja, das ist richtig. Die teuere Wartung der alten Netze entfällt.

Lothar Pauly

Nach 18 Jahre im Siemens-Konzern weiß Lothar Pauly offensichtlich, wie Großunternehmen funktionieren. Pauly, 1959 in Bad Homburg geboren, kam direkt nach dem Studium der Betriebswirtschaft in München zur Siemens AG, und stieg kontinuierlich auf. Zuletzt war er CEO des Unternehmensbereichs Communications. Im Oktober 2005 wechselte Pauly als Leiter der T-Systems International in den Vorstand der Deutschen Telekom, noch bevor Siemens große Teile der kränkelnden Com-Sparte in ein Joint Venture mit Nokia einbrachte.

Bei T-Systems trat Pauly die Nachfolge von Konrad Reiss an, der im April 2005 überraschend gestorben war. Im Wesentlichen knüpfte Pauly an der Strategie von Reiss an, leitete nur einige Feinjustierungen ein, etwa den Einstieg in das IP-Geschäft und die stärkere Einbindung von Offshore-Ressourcen in die Lieferstruktur. Innerhalb von nur einem Jahr stieg Pauly neben Mobilfunkchef René Obermann zum zweiten starken Mann hinter Telekom-CEO Kai-Uwe Ricke auf. In dem vom Telekom-Chef geplanten Konzern-Umbau spielt Pauly eine Schlüsselrolle: Er soll das IT-Budget um eine Milliarde Euro kürzen und das interne Produktionsnetz modernisieren. (jha)

CW: Die Übernahme der VW-Tochter Gedas hat T-Systems einen Schub im internationalen Geschäft beschert, dürfte aber noch nicht das Ende der Wachstumsansprüche im Auslandsgeschäft bedeuten. Was planen Sie darüber hinaus?

Pauly: Wir werden organisch wachsen, davon bin ich überzeugt. Es wäre aber vermessen zu glauben, dass wir bis 2010 nur mit organischem Wachstum 30 Prozent der Einnahmen im Ausland erzielen können, das sind aus heutiger Sicht immerhin vier bis viereinhalb Milliarden Euro.

Wir mussten aber zunächst die Gedas-Übernahme erfolgreich zu Ende führen, um auch im Unternehmen das Vertrauen zu schaffen, dass wir große Akquisitionen verarbeiten können. Die Integration haben wir mittlerweile erfolgreich abgeschlossen. Das Ergebnis kann sich sehen lassen: Von 22 Prozent Wachstum im Auslandsgeschäft geht der Großteil auf das Gedas-Konto. T-Systems ohne Gedas konnte um sechs bis sieben Prozent im Ausland zulegen.

CW: Welche Schwerpunkte setzen Sie in der internationalen Expansion?

Pauly: Nach der Gedas-Akquisition haben wir unsere Pläne angepasst. Nach wie vor konzentrieren wir uns darauf, für Kunden mit Firmensitz in Westeuropa global lieferfähig zu sein, im Bedarfsfall auch mit Hilfe von Partnern. In den europäischen Kernländern und -regionen Großbritannien, Benelux, Frankreich, Italien Spanien, Österreich und der Schweiz wollen wir verstärkt lokale Aufträge gewinnen, müssen demnach Kunden vor Ort ansprechen.

Mit der Gedas-Integration haben wir diese Strategie erweitert, denn es ergibt keinen Sinn, die wichtigen Automobilstandorte USA, Mexiko, Brasilien, Südafrika, China und Japan zu ignorieren. Für unsere Industry-Line Automotive gilt ab sofort der globale Auftritt. Sie soll weltweit Kunden entlang der gesamten Wertschöpfungskette akquirieren - also nicht nur unter Automobilherstellern, sondern auch unter Lieferanten und Händlern.

Des Weiteren haben wir die internationale Strategie um so genannte Leuchtturmprojekte ergänzt. Ab und zu ergeben sich durch alte Kontakte hochinteressante Chancen für große Deals. Wenn der Auftrag wirtschaftlich interessant ist und uns darüber hinaus in dem Land die Möglichkeit einräumt, organisatorische Strukturen aufzubauen und schnell zu wachsen, dann nehmen wir diesen Auftrag gern an.

CW: Damit richten Sie T-Systems stark westeuropäisch aus. In den genannten Ländern ist der Konkurrenzdruck hoch und das Wachstum begrenzt. Bessere Entfaltungsmöglichkeiten bieten osteuropäische Ländern. Warum sind Sie nicht dort aktiv?

Pauly: Natürlich wachsen die Märkte in Osteuropa sehr stark, allerdings von einer niedrigen Basis aus. Die Marktgröße ist insbesondere für IT-Dienstleister sehr begrenzt. Davon abgesehen begleiten wir unsere westeuropäischen Kunden schon heute in ihren eigenen Nearshore-Bemühungen nach Osteuropa, so dass wir auch dort vertreten sind. Außerdem stellt die gesamte Telekom ihre Töchter in diesen Ländern nach Breitband beziehungsweise Festnetz, Mobilfunk und Geschäftskunden auf. Deshalb gibt es dort zum Teil schon die Marken T-Com, T-Mobile und T-Systems.

CW: Eine andere Übernahme ist weniger glücklich verlaufen. Wollen Sie die vom Versicherungskonzern Arag übernommene IT-Tochter Alldata verkaufen?

Pauly: Alldata hat T-Systems vor meiner Zeit gekauft, um Branchenlösungen für Versicherungen aufzubauen. Das werden wir so nicht fortführen. Daher müssen wir den vertikalen Sektor für die Finanzindustrie restrukturieren. Davon ist auch Alldata betroffen. Ob das in einen Verkauf mündet, ist offen.

CW: Also wird Alldata nach und nach aufgelöst?

Pauly: Wie gesagt, es ist noch nicht entschieden, wie wir genau vorgehen.

CW: Und Sie geben die Versicherungsbranche auf?

Pauly: Nein, das muss ein Missverständnis sein. Wir bedienen alle Branchen mit Infrastrukturdienstleistungen aus IT, TK oder der Kombination aus beidem. Wir machen 80 bis 85 Prozent unseres Umsatzes mit solchen horizontalen, branchenunabhängigen Services wie SAP-Hosting, Rechenzentrumsdiensten und Managed-Desktops.

Bei den branchenbezogen Lösungen haben wir uns entsprechend unseren Stärken aufgestellt: Für die Telekommunikations- und Automobilindustrie sowie die öffentliche Hand bieten wir entlang der gesamten Wertschöpfungskette vertikale Services an, weil wir dort tief in der Materie drinstecken. In anderen Branchen gehen wir selektiv vor. Für die Banken haben wir zum Beispiel eine vertikale Lösung für Wertpapierabwicklung, für die Lebensmittelindustrie eine für die Warenrückverfolgung. Also dort, wo wir Stärken haben, bieten wir selektiv branchenspezifische Lösungen an.

CW: Die infrastrukturlastigen Services stehen allerdings unter besonderem Preisdruck.

Pauly: Ja, in diesen Bereichen ist es ein Skalenspiel, hier müssen Sie einfach Menge produzieren und Nearshore-Kapazitäten einbinden, um eine entsprechende Mischkalkulation bieten zu können. Durch unsere Größe haben wir die besten Voraussetzungen. Davon abgesehen fällt einem in den vertikalen Märkten auch nichts so einfach in den Schoß.