Superschneller LTE-Mobilfunk soll Ende 2009 auf den Markt kommen

23.05.2008
Bereits Weihnachten 2009 wird im Mobilfunk-Internet der Turbo eingeschaltet. Dann soll in Japan der Mobilfunk der vierten Generation, LTE, gestartet werden. In Berlin sitzen seit Mittwoch 250 Branchenvertreter auf dem LTE World Summit zusammen, um die baldige Einführung zu koordinieren. AreaMobile war vor Ort und zeigt, was den Nutzer nach UMTS und HSDPA erwartet.

Weihnachten 2009 wird im Mobilfunk-Internet der Turbo eingeschaltet. "Ende des kommenden Jahres will unser Unternehmen die Vermarktung von LTE beginnen", sagt Toru Otsu, Leiter der NTT Docomo Labs Europe. "Im Labor haben wir damit schon Übertragungsraten bis 220 Megabit pro Sekunde erreicht." Long Term Evolution (LTE) ist der Nachfolger für UMTS und soll bis Ende 2008 fertig standardisiert werden. Erfolgreiche Vorführungen mit blitzschnellen Übertragungen von HDTV-Filmen und riesigen FTP-Downloads gab es schon auf dem Mobile World Congress im Februar und der CeBIT im März.

In Berlin sitzen seit Mittwoch 250 Branchenvertreter auf dem LTE World Summit zusammen, um die baldige Einführung zu koordinieren. Sie haben es sehr eilig damit. "Das ist die schnellste Entwicklung eine Mobilfunkstandards, die es jemals gab", verkündete Adrian Scrase, Chief Technical Officer des Europäischen Institutes für Telekommunikationsnormen (ETSI) in seiner Rede. Obwohl der Standard noch nicht einmal fertig ist, gibt es bereits Feldversuche in mehreren Städten, bei denen Techniker im Auto herumfahren und die maximal erreichbaren Übertragungsraten von der Basis-Station zum Handy messen. Dazu verwenden sie Testgeräte von der Größe eines Taschenbuches, die ständig drei Lüfter schnurren lassen müssen, um ihre Prozessoren zu kühlen, denn richtige Mobiltelefone für LTE gibt es bisher noch nicht. Ihre Erkenntnisse fließen ein in den Industriestandard 3GPP Release 8, der im Dezember festgelegt wird und den neuen 3G-Standard LTE definieren soll.

GSM wird UMTS überleben

"UMTS hat bisher nicht die Erfolgserwartungen erfüllt. Wir sollten nicht zu lang warten, LTE auf den Markt zu bringen", sagt Klaus-Jürgen Krath, Netzwerkexperte von T-Mobile International. Er geht davon aus, dass es schon in vier Jahren mehr mobile Breitbandnutzer gibt als Kunden mit Festnetz-Internet per DSL, Glasfaser oder Fernsehkabel. Sein Drang zur Eile hat auch handfeste geschäftliche Gründe. Durch die Funktechnik MIMO (Multiple Input Multiple Output) und das neue Modulationsverfahren OFDM (Orthogonal Frequency Division Multiplex) können mit LTE zehnmal mehr Handys an einem Standort mit Breitband-Internet versorgt werden als mit UMTS. In vielen Regionen sind die bestehenden 3G-Netze schon oft an ihren Kapazitätsgrenzen, beispielsweise in den USA oder Großbritannien, wo HSPDA-Dongles für den Laptop der große Renner sind.

Krath geht deswegen davon aus, dass UMTS vielleicht schon 2015 abgeschaltet wird. Der Vorgängerstandard GSM könnte dagegen noch bis 2020 im Einsatz bleiben, weil er so erfolgreich ist. GSM wird weltweit auf über drei Milliarden Handys für Sprachtelefonie eingesetzt und ist die Basis für das lukrative Geschäft mit den Telefonminuten, von dem die Mobilfunkunternehmen in den vergangenen Jahren hauptsächlich lebten. Seit aber der Trend zur Flatrate geht, bei der Kunden unbegrenzt für einen Festbetrag telefonieren oder im Internet surfen, müssen sich die Firmen nach neuen Geldquellen umsehen. Zwar hätten sich die übertragenen Datenmengen in den Mobilfunknetzen vervielfacht, sagt Krath, aber mehr Traffic bedeute nicht mehr Einnahmen. Eine Studie des Marktforschers iSuppli hatte schon im April gezeigt, dass die intensivsten Nutzer des mobilen Internet die Besitzer des iPhone sind. Sie zahlen alle per Flatrate. Die Netzbetreiber müssen deswegen ihre Produktionskosten radikal senken, sagt Krath, damit ihre Gewinnspannen nicht völlig aufgefressen werden.

Ein mögliches Mittel dafür ist LTE. "Die Kosten pro Bit sind für die Netzbetreiber vier bis zehnmal geringer als bei HSDPA", erklärt Paul Steinberg, oberster Netzwerkarchitekt von Motorola. "Man kann mehr Traffic über das selbe Funkspektrum abwickeln." Dann brauchen die Netzbetreiber auch weniger Sendemasten oder können von den bestehenden Standorten viel mehr Kunden mit mobilem Breitband versorgen. Dafür nehmen sie gern in Kauf, dass LTE vollkommen neue Basisstationen erfordert und Milliarden in die Netze investiert werden müssen. Die riesigen neuen Übertragungsraten verlangen viel mehr Rechenpower von den Basisstationen und wegen der MIMO-Funktechnik müssen mindestens vier Antennen pro Standort installiert werden, wo vorher eine reichte.

LTE ist schneller und billiger

Der größte Kostenfaktor sind aber immer noch die Mieten für die Standorte der Antennen auf Hausdächern oder Kirchtürmen. Deswegen hofft die Branche auf Femtozellen für LTE. Das sind kleine Geräte von der Größe eines WLAN-Routers, die den Netzbetreibern das Leben extrem erleichtern können. Von integrierten Anbietern wie der Deutschen Telekom, die DSL und Mobilfunk anbieten, bekommen die Kunden einen DSL-Anschluss für zu Hause, den sie aber zur Verfügung stellen müssen. Über LTE verbindet sich nicht nur das eigene Handy mit der privaten Femtozelle, sondern auch die Mobiltelefone von Passanten auf der Straße können sich einbuchen und darüber telefonieren oder im Internet surfen. Jede Wohnung wird zur Mobilfunk-Basisstation und die Netzbetreiber müssen nicht einmal Miete oder Strom dafür bezahlen. "In Deutschland könnte beispielsweise Vodafone das zusammen mit Arcor anbieten", erklärt Paul Steinberg.

Doch genau dieses Unternehmen steht der neuen Technik noch skeptisch gegenüber. "Wir wissen noch nicht, ob LTE wirklich funktioniert", sagt Mike Walker, Chef der Forschung und Entwicklung in der Vodafone-Gruppe. Er will erst einmal abwarten, wie die Feldversuche verlaufen, bevor Vodafone sich festlegt. Trotzdem hat die amerikanische Tochterfirma Verizon sich bereits vor einigen Wochen für LTE entschieden und der Konkurrenztechnik Wimax eine Abfuhr erteilt. Sie wird vor allem von Mobilfunk-Newcomern wie Google, Clearwire und Comcast unterstützt. Ein Technologiekrieg zwischen den Funkstandards, wie er bereits jetzt zwischen dem amerikanischen CDMA und dem europäischen UMTS herrscht und die weltweite Nutzung von 3G-Handys unmöglich macht, wäre ein Alptraum für die Teilnehmer des LTE World Summit. Vor allem weil Wimax in der technologischen Entwicklung einige Jahre voraus ist.

Technologiekrieg mit Wimax

Noch funktionieren beide Techniken höchstens in Testnetzen, doch in den Planungsbüros wird schon heftig um die Verteilung des weltweiten Äthers gekämpft. Die meisten Sendefrequenzen, die LTE benutzen könnte, sind bereits belegt. Bei 2,1 Gigahertz sendet UMTS und es bleibt kein Platz für LTE. 1800 und 900 Megahertz sind in Europa für GSM reserviert. Eifersüchtig schauen die Netzbetreiber deshalb nach Australien. Dort deckt der Mobilfunkanbieter Telstra das ganze Land mit gerade mal 6000 Basisstationen ab und kann 99 Prozent der Bevölkerung mit HSDPA versorgen. Allerdings nutzt er eine Sendefrequenz von 850 Megahertz, die woanders nicht zur Verfügung steht. Um so kleiner die Frequenz, um so größer können die Funkzellen sein.

Eine Studie der BBC habe gezeigt, dass die landesweite Abdeckung mit Mobilfunk-Internet dreimal höhere Investitionskosten verlangt, wenn man 2 Gigahertz verwenden muss statt 700 Megahertz. Das erklärt der Frequenz-Experte von E-Plus, Michael Krämer, in seinem Vortrag. Deswegen schielen alle Mobilfunkunternehmen besonders auf dieses attraktive Frequenzband, das in den kommenden Jahren durch die Abschaltung des Analogfernsehens weltweit frei wird. In den USA wurde es bereits wieder versteigert. "Wir müssen dieses Spektrum bekommen!", mahnt Erik Stilling, Netzmanager des dänischen Mobilfunkanbieters Telia. "Wenn die anderen es kriegen, werden sie langfristig siegen."

Höchstwahrscheinlich werden aber die meisten LTE-Handys bei 2,6 Gigahertz senden, weil diese Frequenz seit der Jahrtausendwende von der UNO für Mobilfunkanwendungen freigehalten wurde. "Damit könnten LTE-Handys theoretisch in der ganzen Welt funktionieren", sagt Michael Krämer, "falls die Frequenz nicht in einem Land für Wimax reserviert wurde." Ab 2011 soll dann auch noch der Nachfolgestandard IMT-Advanced auf den Markt kommen, der zehnmal schneller ist. Er wird hoffentlich LTE und Wimax vereinen und das Problem so lösen.

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