Einmal mehr sorgt Oracle-Chef Lawrence Ellison für einen Paukenschlag in der IT-Branche. Nachdem Experten wochenlang über die am Ende gescheiterte Übernahme von Sun durch IBM diskutiert hatten, kommt mit dem Datenbankriesen ein Käufer ins Spiel, den zuvor kaum jemand auf der Rechnung hatte. Rund 7,4 Milliarden Dollar will Ellison für Sun auf den Tisch legen. Berücksichtigt man den Barbestand und die Verbindlichkeiten der Kalifornier, summiert sich der Kaufpreis noch immer auf stolze 5,6 Milliarden Dollar.
Überraschend kommt der Deal vor allem deshalb, weil Oracle bislang fast ausschließlich Softwareprodukte anbietet, Sun hingegen einen Großteil seiner Einnahmen mit Hardware und damit verbundenen Diensten erzielt. In einer Telefonkonferenz machte Ellison indes schnell klar, wo die Motive liegen: Java sei die mit Abstand wichtigste Software, die man jemals zugekauft habe, erklärte der CEO. Oracle werde der einzige Anbieter sein, der ein vollständiges integriertes System entwickeln könne, von den Anwendungen bis hin zur nötigen Hardware. Kunden müssten sich nicht mehr um die Systemintegration kümmern und könnten so Kosten sparen.
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Java ist die Trumpfkarte
Tatsächlich gehört Java zu den Schlüsseltechniken, auf der sowohl viele von Oracles eigenen Produkten als auch solche von Konkurrenten wie IBM basieren. Die Programmiersprache bildet die Grundlage für Oracles Fusion-Middleware, die wie ein unsichtbarer Kitt die zahlreichen zugekauften Programme im Portfolio zusammenhalten soll. Java läuft zudem auf rund 800 Millionen PCs und mehr als zwei Milliarden Mobiltelefonen weltweit. "Mit Sun gewinnt Oracle die Kontrolle über Java", kommentiert der US-Analyst Jack Gold. "IBM kann darüber nicht glücklich sein."
Mit der Übernahme setzt Oracle seine aggressive Akquisitionsstrategie fort. Seit dem Jahr 2005 hat der amerikanische Konzern etwa 50 Unternehmen übernommen und dafür mehr als 40 Milliarden Dollar ausgegeben. Die Produkte Suns verbreitern das Portfolio des Datenbankspezialisten noch einmal erheblich. Oracle kann künftig einen kompletten Stack aus Hardware (Server, Speicher), Infrastruktursoftware (Suns Solaris-Betriebssystem, diverse Middleware) und Business-Anwendungen (ERP, CRM etc.) anbieten. Ellison kommt damit dem Geschäftsmodell des großen Rivalen IBM ein Stück näher.
IDC-Analyst Rüdiger Spies erwartet hingegen vor allem für Microsoft massive Auswirkungen. Nach seiner Einschätzung kommt die Windows-Company nun von zwei Seiten unter Druck: Sowohl Oracle als auch IBM fördern mit Milliardensummen das quelloffene Betriebssystem Linux und darauf aufsetzende Anwendungen. Die Tatsache, dass die Ellison-Company künftig alles aus einer Hand anbieten könne, werde vor allem im Mittelstand gut ankommen.
Sun droht massiver Personalabbau
Unklar ist bislang, wie Oracle die mit der Übernahme verbundenen finanziellen Ziele erreichen will. Finanzchefin Safra Catz erwartet, dass der Zukauf schon im ersten Jahr nach dem Abschluss mehr als 1,5 Milliarden Dollar zum operativen Gewinn beiträgt. Im zweiten Jahr sollen sogar zwei Milliarden Dollar zu Buche stehen. Das sei mehr als die Übernahmen von Bea, Peoplesoft und Siebel zusammen eingebracht hätten. Ohne drastische Sparmaßnahmen dürften diese Werte kaum erreichbar sein, darin sind sich Marktbeobachter einig. Citigroup-Analyst Brent Thill schätzt, dass Oracle zwischen 40 und 70 Prozent der rund 33 000 Sun-Arbeitsplätze abbauen könnte.
Was wird aus Sparc?
Ein dickes Fragezeichen steht vor allem hinter Suns Server-Geschäft, das schon länger tiefrote Zahlen produziert. "Hardware ist für Oracle noch immer ein Fremdkörper", kommentiert Spies. Er sieht vor allem für die teure Entwicklung von Suns Sparc-Prozessoren keine Zukunft. Dass sich diese Kosten durch vermehrte Einnahmen aus einem kombinierten Hardware-Software-Stack wieder hereinholen ließen, sei unwahrscheinlich: "Oracle müsste in diesem Geschäft mit der enormen Entwicklungsgeschwindigkeit Intels mithalten." Das aber sei angesichts der geringen Verbreitung der Sparc-Plattform kaum zu bewerkstelligen. Auch US-Analyst Gold ist skeptisch. Nach seiner Ansicht wird Oracle nicht lange im Hardwaregeschäft bleiben. Er rechnet damit, dass Ellison den Großteil der Sparte wieder abstößt, möglicherweise an HP oder IBM.
Wie reagieren Oracles Partner?
Offiziell will Oracle von solchen Szenarien nichts wissen. Das Management spricht stattdessen von Paketen aus Sun-Hardware und Oracle-Software, die vor allem für Schlüsselbranchen wie Telekommunikation, Handel oder Finanzdienstleister zugeschnitten würden. Wie solche Angebote bei den diversen Vertriebs- und Entwicklungspartnern Oracles ankommen, bleibt eine spannende Frage. "Gegenüber den bisherigen Technologiepartnern wird Oracle mit diesem Schritt immer mehr zum starken Konkurrenten", erwartet etwa Andreas Zilch, Analyst bei der Experton Group. Das betreffe insbesondere Hewlett-Packard.
Dass Oracle bei der Eingliederung von Sun auf größere Schwierigkeiten stoßen könnte, glaubt hingegen kaum jemand in der Branche. Zilch: "Oracle hat bewiesen, dass die Integration von Zukäufen zu den absoluten Stärken des Unternehmens gehört." Weniger optimistisch fallen die Kommentare aus, wenn es um die Auswirkungen auf die Anwender geht. Mit dem breiteren Portfolio gewinnt Oracle auch in den IT-Abteilungen der Kunden tendenziell an Einfluss und Macht, lautet eine Befürchtung. Ellison könnt die Gelegenheit nutzen, um Wettbewerber aus dem Markt zu drängen und höhere Preise durchzusetzen.