Sun-Chef McNealy gibt das Zepter ab

25.04.2006
Der Mitgründer und langjährige CEO von Sun Microsystems, Scott McNealy, zieht sich auf den Chairman-Posten zurück. Künftig leitet Jonathan Schwartz den Konzern.

McNealy (51) gehörte 1982 neben Bill Joy, Andy Bechtolsheim und Vinod Khosla zu den vier Gründern des kalifornischen Server- und Workstationbauers und stand seither 22 von 24 Jahren an der Spitze des Unternehmens. "Sun war für mich seit 1982 ein Liebesdienst, und es war eine Ehre und ein Privileg für mich, die letzten 22 Jahre als CEO dienen zu dürfen", erklärte McNealy. "Wir haben mitgeholfen, die Branche so zu formen, wie sie heute ist, und vor uns liegen enorme Chancen. Ich freue mich auf einen reibungslosen Übergang und darauf, in meiner Rolle als Chairman gemeinsam mit Jonathan an der Firmenstrategie zu arbeiten."

Der 40-jährige Schwartz (40) war 1996 mit der Übernahme von Lighthouse Design zu Sun gestoßen. Im April 2004 wurde er nach verschiedenen Management-Positionen zum President und Chief Operating Officer ernannt. Er verantwortet seither bereits Produktentwicklung, Vertrieb, Marketing und betriebliche Prozesse. "Es ist mir eine Ehre, die Führung dieser großartigen Firma von einem der echten Visionäre der Branche zu übernehmen", sagte Schwartz. "Ich freue mich auf das, was vor uns liegt - ein globaler Markt von Firmen und Verbrauchern, die ihre Vernetzung immer weiter steigern, ein tolles Führungsteam und hervorragende Entwicklung und einige der wertvollsten Netz-Computing-Marken und -Techniken. Ich könnte nicht weniger begeistert sein."

Deutlich höhere Verluste trotz Umsatzplus

Vor dem der Ankündigung des Führungswechsels hatte Sun zunächst aber Quartalszahlen vorgelegt, die verdeutlichen, dass die Situation des Hersteller keineswegs so rosig aussieht, wie es die Zitate des scheidenden und neuen CEO vermuten lassen: Der Verlust für das dritte Fiskalquartal stieg auf 217 Millionen Dollar oder sechs Cent pro Aktie. Davon waren das meiste indes Sondereffekte - 87 Millionen Dollar für zwei Übernahmen, weitere 57 Millionen Dollar für Aktienvergütungen. Im vergleichbaren Vorjahreszeitraum hatte Sun einen weit geringeren Fehlbetrag von 28 Millionen Dollar oder einem Cent je Anteilschein ausgewiesen.

Immerhin: Beim Umsatz konnte Sun im Jahresvergleich von 2,63 Milliarden Dollar um 21 Prozent auf 3,18 Milliarden Dollar zulegen. Als Gründe nannte das Unternehmen Zukäufe (vor allem StorageTek) sowie einen seit langem erhofften Aufschwung im Kerngeschäft in einigen Märkten. Der deutsche Marketing-Chef Donatus Schmid erklärte, in den USA sei die "zweite Welle" von Internet-Start-ups bereits voll im Gange, und von den neuen Investitionen in Web-Infrastruktur profitiere besonders Sun. Der Verlust entsprach der Erwartung der von Thomson Financial befragten Analysten, beim Erlös hatte die Wall Street mit 3,21 Milliarden Dollar allerdings noch geringfügig mehr erwartet.

Problematische Kostenstruktur

Nach dem Platzen der ersten Internet-Blase, während der Sun mit seinen Servern hervorragende Geschäfte gemacht hatte, ging es mit der Firma drastisch bergab. Die Kundschaft kaufte weniger IT-Ausrüstung ein, gleichzeitig stieg der Druck durch Wettbewerber wie IBM, Hewlett-Packard und Dell.

Zuletzt hatten Analysten immer wieder erhebliche Stellenstreichungen empfohlen. Der Aktienkurs von Sun ist in diesem Jahr indes bereits um rund 19 Prozent gestiegen, teilweise aufgrund von Spekulationen, der im Februar zurückgeholte Finanzchef Michael Lehman werde Suns Kosten drücken, um wettbewerbsfähiger zu werden. Zum Fixing an der Nasdaq schloss das Papier gestern fünf Cents fester bei 4,98 Dollar. Nachbörslich legte der Kurs nach Bekanntwerden des Führungswechsels um 8,6 Prozent auf 5,41 Dollar zu.

"Das Beste liegt noch vor ihm"

McNealy begründete seinen Teilrückzug nicht mit den Problemen seiner Firma, sondern mit deren angeblich wieder guten Ausgangsposition. Sun wachse wieder, generiere Cash und verfüge über wettbewerbsfähige Computer. Zuvor habe er wichtige Dinge erledigt - Ultrasparc-IV+Prozessoren mit zwei Kernen, die Rückkehr von Andy Bechtolsheim mit seinen Server-Designs ("Galaxy"), Solaris 10 und das Java Enterprise System als Open Source - und halte nun den Zeitpunkt für richtig, das Zepter zu übergeben.

Der Führungswechsel sei über Jahre hinweg vorbereitet und vom Verwaltungsrat unterstützt worden, den Zeitpunkt habe er selbst ausgesucht, so McNealy. Jonathan Schwartz sei bereit für seine neue Aufgabe: "Das Beste liegt noch vor ihm - das ist der einzig faire und verantwortliche Weg." Bevor er den Stab übergab, habe er außerdem sicherstellten wollen, dass Schwartz nicht anderswo einen CEO-Posten übernehme. "Ich habe ihn für Sun gerettet", sagte der scheidende Firmenchef.

Hohe Erwartungen

James Barksdale, der als Lead Outside Director im Sun-Verwaltungsrat sitzt, erklärte, Sun könne von McNealys Erfahrung und der Energie von Schwartz profitieren. "Ich denke, wir bekommen angesichts von Suns heutiger Position auf diese Weise ein stärkeres Team." Tony Sacconaghi, Analyst bei Sanford Bernstein, sieht in dem Wechsel "ein starkes Signal dafür, dass das Board sich um Veränderungen bemüht".

Vernon Turner erwartet für die Marktforscher der IDC, Schwartz werde eine konsistente Unternehmensvision, ein leistungsfähiges Portfolio auf Basis von Solaris und Java sowie eine Kultur ausgeprägter Kundenorientierung liefern. Allerdings stehe er auch vor verschiedenen Herausforderungen: Der neue Sun-Boss müsse Java zu Geld machen, nachhaltige Hardwareprofite erzielen und die Kostenbasis des Unternehmens senken. Dabei gelte es, gleichzeitig den hohen Grad hausgemachter Innovation aufrecht zu erhalten.

Devise: Wachstum statt Stellenabbau

Pferdeschwanzträger Schwartz gehört übrigens auch zu den prominentesten Bloggern des Silicon Valley - er nutzt seine Online-Kolumne regelmäßig, um die Konkurrenz zu schmähen und seine Vorstellungen von der Zukunft der Technik zu verbreiten. McNealy ist sich aber sicher, dass seine Nachfolger auch im Tagesgeschäft ausgesprochene Stärken hat und helfen werde, Suns Gewinnmargen und Produkte zu verbessern.

Schwartz kündigte bereits an, er wollte für das im Juli beginnende neue Fiskaljahr einen neuen Geschäftsplan aufsetzen. Dabei werde er aber eher an der bisherigen Kostenstruktur festhalten als drastische Entlassungen anzuordnen. "Wir werden uns auf unsere Wachstumschancen fokussieren, und das machen wir aggressiv", proklamierte der neue Sun-Chef. (tc)