Streit um Lenovo: Chinesen wehren sich gegen Spionagevorwurf

31.05.2006
Weil sich die Amerikaner im Behördengeschäft zieren, PCs des chinesischen Anbieters Lenovo einzusetzen, herrscht im Reich der Mitte Aufregung. Von Denkmustern des Kalten Kriegs ist die Rede.

Nachdem sich das US-amerikanische Außenministerium aus "Sicherheitsgründen" dazu entschieden hat, PCs des chinesischen Anbieters Lenovo nur noch unter Vorbehalt einzusetzen, hagelt es Kritik aus dem Reich der Mitte. Das chinesische Handelsministerium beanstandete offiziell die "unfaire Behandlung" von Lenovo und warf den Amerikanern ein Denken vor, das an den "Kalten Krieg" erinnere.

Das US-Außenministerium hatte vor wenigen Tagen verlauten lassen, es werde die rund 16 000 Rechner, die es kürzlich bei den Chinesen geordert hatte, nicht für die Bearbeitung vertraulicher Daten verwenden. Außerdem werde es sein Beschaffungsverhalten grundsätzlich überdenken. Damit spielten die US-Vertreter auf Lenovo an, das im vergangenen Jahr die PC-Sparte von IBM übernommen hatte und sich damit unter anderem Zutritt zum US-Behördengeschäft verschafft zu haben glaubte. Zu den Lenovo-Eignern gehört unter anderem ein chinesisches Forschungsinstitut, das der Regierung unterstellt ist.

Konservative Kreise hatten wohl auch deshalb heftig bei der US-Regierung protestiert: Mit solchen Deals werde der Spionage Tür und Tor geöffnet. Die Chinesen sehen das naturgemäß anders: "Es ist sehr unklug und es beschädigt den freien Handel und Wettbewerb, wenn man sich von Denkmustern des Kalten Kriegs leiten lässt und die nationale Sicherheit als Vorwand dafür hernimmt, Lenovos legitime Geschäftspraktiken zu unterbinden", heißt es beim Handelsministerium. Es gebe keinen Grund für Sicherheitsbedenken.

IBM darf Anteile an Lenovo früher verkaufen

Während auf der Regierungsebene gezankt wird, gehen die Unternehmen IBM und Lenovo eher sachlich miteinander um. Beide Seiten einigten sich jetzt darauf, dass IBM seine Anteile am chinesischen Anbieter - immerhin 1,31 Milliarden Lenovo-Aktien oder 15 Prozent aller ausstehenden Papiere - deutlich früher verkaufen darf, als vereinbart. IBM kann nun zwei Drittel seiner Anteile sofort abstoßen und das letzte Drittel ab November 2007 zu Geld machen. Ursprünglich abgemacht worden war anlässlich der Übernahme, dass IBM jeweils ein Drittel seiner Anteile ab Mai 2006, Mai 2007 und Mai 2008 verkaufen darf. Mit dieser Staffelung sollten extreme Kursschwankungen verhindert werden.

An der Börse interessierte sich gestern kaum jemand für diesen Deal. Die Lenovo-Aktie legte um 1,1 Prozent zu. Kaum ein Analyst geht davon aus, dass sich IBM von heute auf morgen von seinen Anteilen trennen wird. Zu eng sind die geschäftlichen Verflechtungen mit den Chinesen und zu schlecht wäre das Geschäft, zum jetzigen Zeitpunkt zu verkaufen (siehe: Lenovo wegen Restrukturierungskosten mit Gewinneinbruch und Lenovo streicht 1000 Stellen und verlegt Zentrale). Allerdings erwarten die Investoren auch nicht, dass IBM auf Dauer zu den großen Lenovo-Aktionären zählen möchte. (hv)