Steria lässt Mummert an langer Leine

17.01.2005
Gemessen am Portfolio und der geografischen Präsenz, ergänzen sich die Häuser gut. Nun gilt es, die Angebote zusammenzuführen.

Die Übernahme der Hamburger Mummert Consulting AG durch die Steria Group SCA ist vollzogen. Der unbestätigte Kaufpreis beläuft sich auf 82 Millionen Euro in bar sowie bis zu 490000 Aktien. Mummert hat damit endlich einen starken Partner gefunden, den das Beratungshaus benötigte, um die enormen finanzielle Vorleistungen umfangreicher Projekte erbringen zu können, und um nicht von der wichtigsten Klientel, den Großkunden, aussortiert zu werden, weil die nur noch mit wenigen strategischen Partnern arbeiten wollen. "Für uns hat die Allianz enormen strategischen Wert. Wir haben in Deutschland nun die kritische Masse erreicht", erläuterte Francois Enaud, Chairman und CEO der Steria Group, das Motiv der Übernahme.

Die kritische Masse sieht gemessen an den Unternehmenkennzahlen aus dem Jahr 2003 folgendermaßen aus: Zusammen beschäftigten Mummert und Steria 1400 Mitarbeiter in Deutschland. Hier erzielten sie eigenen Angaben zufolge einen gemeinsamen Umsatz von 180 Millionen Euro, der "profitabel erwirtschaftet wurde", ergänzte etwas überraschend Jürgen Sponnagel, bislang CEO von Mummert Consulting. Das Verdienst, schwarze Zahlen erreicht zu haben, gebührt allerdings nicht Mummert. Die Berater haben ein für sie schlimm verlaufendes Jahr 2003 mit einem Fehlbetrag aus gewöhnlicher Geschäftstätigkeit von 7,1 Millionen Euro abgeschlossen.

Doch inzwischen ist die Trendwende geschafft. Zwar liegen noch keine offiziellen Unternehmensdaten für 2004 vor, ersten Meldungen zufolge soll sich der Umsatz von Mummert Consulting auf 140 Millionen Euro (2003: 130 Millionen Euro) bei einer operativen Marge von fünf Prozent erholt haben. "Wir kommen aus einer Position der Stärke", betonte der Mummert-Chef. "Wir sind gesund und profitabel. Und wir wachsen." Offenbar hat sich das Steria-Management in den Übernahmeverhandlungen von dieser Leistung beeindrucken lassen und Mummert die Federführung der am 1. Januar offiziell gestarteten neuen Gesellschaft Steria Mummert Consulting übertragen: Sponnagel ist CEO und rückt in den Gesamtvorstand von Steria auf. Das deutsche Management hat alle wesentlichen Entscheidungs- und Handlungsbefugnisse für den hiesigen Markt in der Hand. Außerdem übernimmt das neue Unternehmen in Deutschland das Geschäftsmodell von Mummert.

Die Marktbeobachter begrüßen den Deal: "Die stragische Bedeutung ist unbestritten", äußerte sich etwa Ovum-Analyst Francois Dauriat wohlwollend. "Steria existierte bislang in Deutschland praktisch nicht, und es dürfte keine großen Integrationsprobleme geben." Damit verkauft der Ovum-Spezialist die bisherige Leistung der Franzosen in Deutschland unter Wert, denn die üblicherweise mit guten Marktdaten ausgestatteten Berater von Pierre Audoin Consultants (PAC) schätzen den Umsatz von Steria Deutschland im Jahr 2003 auf immerhin 50 Millionen Euro.

Die Integration wird vermutlich auch deshalb reibungslos verlaufen, weil die Unternehmen sehr unterschiedlich aufgestellt sind. Mummert konzentrierte sich bislang auf die IT-Management- und Prozessberatung und damit das obere Ende der Wertschöpfungskette im IT-Servicesmarkt. Sterias Haupteinnahmequellen sind dagegen Outsourcing-Verträge und System-Integrationsdienste.

Wachstum angepeilt

"Das Zusammengehen ist sinnvoll, weil sich die Unternehmen sehr gut ergänzen", sagte Martin Barnreiter, Berater bei PAC. "Das gilt besonders für die Branchenorientierung, denn beide konzentrieren sich auf die Segmente Finanzen, öffentliche Hand, Energieversorgung und Telekommunikation."

Das Gemeinschaftsunternehmen sehen Steria-Chef Enaud und Sponnagel nach eigener Zählung unter den Topten der deutschen Serviceindustrie, doch "das ist nicht das Ende der Geschichte", drohte Enaud bereits der Konkurrenz. Im Jahr 2007 will Steria Mummert in Deutschland Einnahmen in Höhe von 230 Millionen Euro und einer Marge von sieben Prozent erzielen. Entlassungen wird es daher nicht geben, die Mitarbeiter werden gebraucht: "Synergie ergibt sich aus dem wachsenden Geschäft", zeigte sich der Mummert-Chef zuversichtlich.

Eine europäische Alternative

Die Ziele der internationalen Steria Group sind noch ambitionierter. Den derzeitigen konsolidierten Umsatz von 1,1 Milliarden Euro will Firmenchef Enaud bis 2008 auf zwei Milliarden Euro hochschrauben. "Wir wollen aus eigener Kraft schneller als der Markt wachsen, aber wir streben auch ausgewählte Akquisitionen an", kündigte der Steria-Chef an. Schon jetzt sieht er Steria aufgrund des durch den Mummert-Kauf komplettierten Serviceportfolios auf Augenhöhe mit IBM, Accenture und Bearingpoint. "Steria ist die europäische Alternative zu den US-amerikanischen Anbietern", sagte Enaud.

Auf dem Papier mag das gelten, in der Praxis müssen die Unternehmen erst noch beweisen, dass sie Service aus einer Hand liefern können. Mummerts Beratungskompetenz steht derzeit nur deutschen Kunden zur Verfügung, das Outsourcing-Angebot Sterias wurde dagegen bislang vornehmlich außerhalb Deutschlands vertrieben.

"Die französischen IT-Dienstleister haben sich in Deutschland schon immer schwer getan", warnte zudem Tobias Ortwein, Analyst bei PAC, und verwies auf die bisherigen Schwierigkeiten französischer Dienstleister, im deutschen Markt Fuß zu fassen. Unilog und Integrata haben ihre Integration mit stark fallenden Umsätzen bezahlen müssen. Atos Origin konnte sich im deutschen Markt lange Zeit kein klares Profil erarbeiten. Das ist erst in den letzten Monaten gelungen. Last, but not least stemmt sich die Capgemini-Tochter sd&m seit Jahren vehement gegen eine Integration in den Mutterkonzern und beharrt auf einen eigenen Marktauftritt. "Die kulturellen Unterschiede zwischen deutschen und französischen Häusern sind größer, als man denkt", mahnte Ortwein an die Adresse von Mummert und Steria.