Schien das Speichergeschäft noch vor wenigen Monaten eine sichere Bank, müssen sich nun auch die Storage-Anbieter damit abfinden, dass sie gegen die Auswirkungen der weltweiten Finanzkrise nicht immun sind. Diese Erkenntnis dürfte ziemlich plötzlich gekommen sein. Im vergangenen Jahr konnten sich die Hersteller externer Speichersysteme Gartner zufolge noch über ein Umsatzwachstum von 11,3 Prozent freuen. 18 Milliarden Dollar nahmen die Hersteller im vergangenen Jahr ein, 2007 waren es 16,2 Milliarden Dollar.
"Das Wachstum im zweistelligen Prozentbereich beeindruckt angesichts der Krise", sagte noch im Frühjahr Donna Taylor, Principal Research Analyst für den Storage-Bereich bei Gartner. Dies sei ein Beleg für die Widerstandsfähigkeit der Speicherindustrie. Angaben der Anwender stützten diese These: In einer Umfrage von Millward Brown Research vom Ende vergangenen Jahres bekundeten die rund 450 IT-Verantwortlichen, sie würden ihre Ausgaben für Speichertechnik 2009 leicht erhöhen, während die Aufwendungen für sonstige Hardware zum Teil deutlich heruntergefahren werden sollten. "Speichertechnik gleicht einer Versicherung", erklärte Steve Ingledew, Managing Director von Millward Brown, diesen Trend. Gerade in Zeiten einer Rezession müssten die Firmen ihre Risiken im Auge behalten. "Storage schützt das, was man hat, und reduziert das Risiko."
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Bei vielen Experten keimte daraufhin die Hoffnung, zumindest die Storage-Branche könnte die internationale Finanzkrise weitgehend unbeschadet überstehen. Schließlich würden die Datenmengen, die in den Unternehmen gespeichert und archiviert werden müssten, trotz aller konjunkturellen Probleme weiter wachsen. In der Folge benötigten die Firmen zusätzliche Speicherlösungen, um die anschwellenden Datenvolumina zu bändigen, was letztendlich den Anbietern zugutekommen werde.
Krise erfasst auch den Speichermarkt
Ein Trugschluss - schon kurz darauf folgte der Einbruch. Für das erste Quartal dieses Jahres meldeten die Marktforscher von Gartner weltweit einen Umsatzrückgang von 11,1 Prozent für externe Storage-Systeme. Nach fast 4,3 Milliarden Dollar im ersten Quartal 2008 verbuchten die Hersteller in den ersten drei Monaten dieses Jahres nur noch knapp 3,8 Milliarden Dollar in ihren Auftragsbüchern. Alle führenden Anbieter beklagten rückläufige Einnahmen. Mit minus 7,8 Prozent beziehungsweise minus 9,1 Prozent kamen Hitachi und Dell noch vergleichsweise glimpflich davon. Am schlimmsten erwischte es Hewlett-Packard mit minus 23,8 Prozent und Sun Microsystems mit einem Einbruch von 30,4 Prozent. Auch Marktführer EMC musste sich mit 16,1 Prozent geringeren Umsätzen begnügen.
"Der Einbruch resultiert aus den Folgen der weltweiten Finanzkrise sowie verschobenen Erneuerungszyklen bei den Anwenderunternehmen", kommentierte Gartner-Analystin Taylor den Speicherabschwung. Tatsächlich scheint das schwierigere wirtschaftliche Umfeld viele IT-Verantwortliche gezwungen zu haben, die Verwendung ihrer IT-Budgets neu zu überdenken. Das zeigte eine Umfrage der Marktforscher von IDC vom Anfang dieses Jahres. Demnach gaben die Manager zu Protokoll, sie wollten mit dem Stopp neuer Projekte, dem Einsatz günstigerer Techniken und restriktiveren Prüfungen von IT-Ausgaben die Kosten in den Griff bekommen. Dass die Unternehmen ihre Pläne in die Tat umgesetzt haben, belegen die jüngsten Marktzahlen von IDC. Danach rutschten die Ausgaben für Enterprise Storage im ersten Quartal 2009 im Vergleich zum Vorjahresquartal um 18,2 Prozent ab. Lediglich die Einstiegssysteme erzielten eine Umsatzsteigerung von 9,9 Prozent. Unternehmen würden verstärkt auf die günstigeren Speicher statt auf teurere Plattformen zurückgreifen, um kurzfristige Kapazitätsengpässe zu überbrücken, interpretieren die IDC-Analysten diese Entwicklung.
Dabei brauchen die Firmen zusätzlichen Speicher. Zwar wuchs der Bedarf zuletzt nicht mehr so rasant wie in den vergangenen Jahren. IDC zufolge legte die nachgefragte Speicherkapazität im ersten Quartal 2009 aber immer noch um 14,8 Prozent im Vergleich zum Vorjahresquartal zu. Insgesamt lieferten die Anbieter in den ersten drei Monaten dieses Jahres 2,146 Petabyte an Storage aus, das sind über zwei Milliarden Gigabytes. "Unternehmen brauchen nach wie vor mehr Speicher, aber sie sind nicht bereit, dafür Geld auf den Tisch zu legen", beschreibt IDC-Analystin Liz Connor das Dilemma der Branche. Die Verantwortlichen in den Anwenderunternehmen suchten verstärkt nach Mitteln und Wegen, ihren Storage-Bedarf effizienter und vor allem kostengünstiger zu decken.
Speicherbranche im Umbruch
Mit den veränderten Bedürfnissen ihrer Kunden wachsen die Herausforderungen für die Speicheranbieter. Längst geht es nicht mehr nur darum, zusätzliche Plattenkapazität in den Rechenzentren zu platzieren. Die Speicherverantwortlichen fordern Lösungen, mit denen sich die vorhandenen Systeme effektiver und billiger betreiben lassen. Nur dann sind sie bereit, ihr IT-Portmonnaie zu zücken.
Potenzial für Optimierungen gibt es offenbar genug: Eine Umfrage von Techconsult aus dem vergangenen Jahr hatte ergeben, dass in Sachen Speichereffizienz in deutschen Betrieben noch einiges im Argen liegt. Demnach räumten 60 Prozent der rund 200 befragten Unternehmen ein, dass ihre Speichersysteme durchschnittlich nur zur Hälfte gefüllt sind. Zirka 15 Prozent der Befragten sprachen sogar von einer Auslastung von lediglich einem Viertel.
Die Speicheranbieter haben diese Lektion offenbar gelernt und arbeiten mit Hochdruck daran, ihren Kunden die geforderten Lösungen zu bieten. Ganz oben auf der Wunschliste stehen dabei Angebote für Deduplizierung, Thin Provisioning und Storage-Virtualisierung. Alle drei Techniken fokussieren sich darauf, den Speicherbetrieb effizienter zu gestalten. Deduplizierung soll die Anwenderunternehmen dabei unterstützen, Datenredundanzen weitgehend automatisiert zu erkennen und zu beseitigen. Ziel ist, das Volumen der zu speichernden Daten zu reduzieren und damit Speicherplatz auf den Storage-Systemen einzusparen. Außerdem soll die Netzauslastung sinken.
Die Hersteller sehen in der Deduplizierungstechnik ein großes Potenzial für mehr Speichereffizienz. Allerdings seien noch einige Hausaufgaben zu erledigen, um die Einsparmöglichkeiten ganz auszureizen. Derzeit werde die Technik hauptsächlich im Backup-Umfeld eingesetzt. Ihre ganze Wirkung entfalte die Idee jedoch erst, wenn auch Primär- und Sekundärdaten mit Hilfe von Deduplizierung optimiert würden.
Für zusätzliche Effizienz soll Thin Provisioning sorgen. Die Idee dahinter: Anwender sollen damit ihre Speicherkapazitäten effizienter auslasten können. Richten die Speicheradministratoren Storage-Ressourcen auf klassische Weise ein, werden Anwendern beziehungsweise Anwendungen dedizierte Speicherkapazitäten zugewiesen. Da spätere Veränderungen meist mit einem hohen Aufwand verbunden sind, bemessen die Storage-Verteiler diesen Speicher in aller Regel recht großzügig. Die Folge: In den seltensten Fällen werden die Ressourcen auch wirklich ausgelastet, weite Teile des Speichers liegen ungenutzt brach. Diese Verschwendung soll sich durch Thin Provisioning verhindern lassen. Dabei gaukelt die Technik der Anwendung mehr Speicher vor, als das System in Wirklichkeit vorhält. Erst wenn tatsächlich mehr Storage-Ressourcen benötigt werden, gibt die Technik diese frei. Dabei bedient sich das System aus einem freien Speicherpool und weist die Kapazitäten je nach Bedarf den benötigten Stellen dynamisch zu. Weitere Vorteile der Technik: Kleinere Speicherlandschaften erfordern eine geringere Stellfläche im Rechenzentrum und verbrauchen weniger Energie.
Was mit Thin Provisioning auf einzelnen Systemen beginnt, lässt sich im Rahmen von Storage-Virtualisierung auch auf komplette Speicherlandschaften übertragen. Administratoren können damit Disk Arrays verschiedener Hersteller in einem Speicherpool zusammenfassen. Darüber hinaus spielen unterschiedliche Techniken und Protokolle für die Virtualisierungsschicht keine Rolle. Funktionen wie Snapshots, Spiegelungen, Replikation und Backups, die zuvor bestimmten Maschinen zugeordnet waren, lassen sich in einer virtualisierten Umgebung flexibel verteilen.
Storage-Management muss effizienter werden
Grundsätzlich geht es mit Deduplizierung, Thin Provisioning und Virtualisierung in erster Linie um ein effizientes Management der Storage-Systeme, also um Software und Tools für die Steuerung, Verwaltung und Kontrolle des Speicher-Maschinenparks. Die Hersteller schnüren dafür mehr und mehr komplette Pakete und integrieren die notwendigen Techniken von Haus aus in ihre Storage-Systeme. Beispielsweise liefert EMC seine "Symmetrix-V-Max"-Systeme mit der "Virtual Matrix Architecture" aus. Damit sollen sich alle Storage-Ressourcen in einem zentralen und flexibel handhabbaren Pool zusammenführen lassen. Auch Hewlett-Packard integriert in seine aktuellen Modelle aus der "Enterprise-Virtual-Array-Serie" (EVA) die "SAN Virtualization Services Platform" (SVSP), die es den Kunden erleichtern soll, Speicherpools aufzubauen. IBM bietet seinen Kunden mit der "TS 7650 ProtecTIER" eine dedizierte Deduplizierungs-Appliance an. Das Gerät vereint Server, Controller, Speicher und Software vorkonfiguriert in einer Maschine.
Doch längst geht es nicht mehr allein um die Speicherverwaltung. Im Zusammenhang mit Server-Virtualisierung drängen die Anwender verstärkt darauf, das gesamte Management ihres Rechenzentrums einfacher und effizienter zu machen. Große Anbieter wie Hewlett-Packard und IBM, die Server- und Storage-Geschäft sowie umfassende Management-Suiten unter einem Dach vereinen, haben an dieser Stelle einen Heimvorteil. Doch die klassischen Speicheranbieter drängen nach und wollen dieses Geschäft nicht mehr nur den Platzhirschen überlassen. Beispielsweise hat erst Mitte des Jahres EMC unter der Marke "Ionix" seine Management-Software unter einem gemeinsamen Markendach zusammengefasst. Hier finden sich nicht nur Tools für die Speicherverwaltung, sondern auch Software, um das gesamte Rechenzentrum zu steuern. Der Speicherspezialist hatte in den vergangenen Jahren verschiedene Softwareanbieter geschluckt und damit sein Portfolio rund um die Data-Center-Verwaltung sukzessive erweitert.
Es geht um mehr als die Hardware
Die großen Speicheranbieter arbeiten mit Hochdruck daran, ihr Portfolio auszubauen und zu komplettieren. Wer heute nur noch die Hardware anbietet, hat einen schweren Stand. Das mussten zuletzt die Festplattenhersteller schmerzlich erfahren. Western Digital meldete für sein Geschäftsjahr 2008/09 Einnahmen von knapp 7,5 Milliarden Dollar nach 8,1 Milliarden Dollar im Vorjahr. Der Gewinn halbierte sich fast von 867 auf 470 Millionen Dollar. Noch schlimmer erwischte es Seagate. Der Hersteller verbuchte im Geschäftsjahr einen Umsatzrückgang von 12,7 auf 9,8 Milliarden Dollar. Unter dem Strich fiel ein Defizit von über drei Milliarden Dollar an, nachdem im Jahr zuvor noch ein Profit von 1,26 Milliarden Dollar zu Buche stand.
Um der Hardwarefalle zu entgehen, erweitern die Storage-Protagonisten ihr Portfolio kontinuierlich - vor allem durch Akquisitionen. Im vergangenen Jahr tat sich hier vor allem IBM mit dem Kauf von XIV und Diligent hervor. Auch Dell griff für die Übernahme von Equallogic tief in die Taschen und machte für die iSCSI-Lösungen 1,4 Milliarden Dollar locker.
Dass es bei dem Übernahme-Poker nicht besonders zimperlich zugeht, belegen die Ereignisse des laufenden Jahres. Über Wochen lieferten sich EMC und Netapp in diesem Sommer eine Bieterschlacht um den Deduplizierungs-Spezialisten Data Domain, die schließlich EMC mit einem Gebot über rund 2,1 Milliarden Dollar für sich entschied. EMC-Chef Joseph Tucci machte dabei keinen Hehl aus seinen Zielen: "Bei diesem Deal geht es darum, Wachstum zu erzielen." Broadcom und Emulex tragen ihre Schlammschlacht mittlerweile vor Gericht aus. Den Versuch Broadcoms, den SAN-Spezialisten für insgesamt 764 Millionen Dollar zu schlucken, wiesen die Emulex-Verantwortlichen ab. Das Gebot sei zu niedrig. Broadcom blieb jedoch hartnäckig. Das Emulex-Management suchte daraufhin gerichtlichen Schutz. Begründung: Man könne Broadcom nicht trauen, da das Unternehmen vor einigen Jahren durch eine Reihe von Skandalen erschüttert worden war. Beispielsweise soll der damalige CEO Henry Nicholas gegen das Aktienrecht verstoßen haben und Geschäftspartnern bei Abendessen heimlich Drogen in die Getränke gekippt haben. Das Ganze habe mit dem jetzigen Übernahmeversuch nichts zu tun, konterten die Broadcom-Verantwortlichen. Beobachter gehen davon aus, dass sich Emulex nicht lange gegen die Barofferte wird wehren können.
Wie hart die Bandagen sind, mit denen die Wettbewerber kämpfen, zeigt auch der erbitterte Streit um David Donatelli. Ende April verließ der hochrangige EMC-Manager abrupt seinen Arbeitgeber, um beim Konkurrenten HP anzuheuern. Wegen einer angeblichen Wettbewerbsklausel im Arbeitsvertrag zerrte EMC Donatelli vor den Kadi. Der Manager schlug mit einer Gegenklage zurück. Mittlerweile haben sich die Streithähne geeinigt: Donatelli darf bei HP arbeiten, muss sich dort aber von der Abteilung für Storage-Entwicklung fernhalten.
Zwischen Bangen und Hoffen
Wie sich die Storage-Geschäfte in den kommenden Monaten und Jahren weiterentwickeln werden, lässt sich derzeit nur schwer einschätzen. Insgesamt sehen die Prognosen der Marktforscher für die Hardwareanbieter jedoch eher düster aus. IDC taxiert die westeuropäischen Hardwareausgaben für das laufende Jahr auf 120,7 Milliarden Euro. Im Vergleich zu den 151,5 Milliarden Euro aus dem Vorjahr bedeutet das einen Einbruch um über 20 Prozent. Davon wird sich die Branche nach Ansicht der IDC-Analysten auch in den kommenden Jahren nicht erholen. Nach einem weiteren leichten Rückgang im kommenden Jahr sollen die Ausgaben im Jahresturnus wieder wachsen, mit einem Volumen von 135,8 Milliarden Euro im Jahr 2013 jedoch deutlich unter dem Niveau von 2008. Für Deutschland rechnet der Branchenverband Bitkom für 2009 mit einem Umsatzminus im Hardwaremarkt von sieben Prozent gegenüber dem Vorjahr auf 17,8 Milliarden Euro. Gründe dafür seien neben dem anhaltenden Preisverfall die Strategie vieler Unternehmen, Investitionen zu verschieben.
Die Speicheranbieter wollen sich von den düsteren Prognosen indes nicht Bange machen lassen. Obwohl im zweiten Quartal dieses Jahres der Umsatz um elf Prozent und der Gewinn sogar um 43 Prozent einbrachen, sieht sich beispielsweise EMC in der Krise günstig positioniert. Wegen der weiter steigenden Nachfrage nach Speichervolumina rechnet sich der Speicherprimus auch in Zukunft gute Wachstumschancen aus. Schon im dritten Quartal sollen die Einnahmen im Vergleich zum Vorjahresquartal wieder zulegen. "Sobald sich der IT-Markt wieder erholt und das Ausgabeverhalten der Unternehmen sich normalisiert, wird EMC wieder zu zweistelligen Wachstumsraten zurückkehren", prognostiziert EMC-Chef Tucci.
Einfacher dürfte das Speichergeschäft allerdings nicht werden, warnt Steve Duplessie, Analyst der Enterprise Strategy Group, vor zu viel Optimismus. Die Anbieter konkurrieren um schrumpfende Budgets der Anwender. "Wird der Kuchen kleiner, braucht man ein größeres Stück, um Wachstum oder zumindest Stabilität vorweisen zu können", sagt der Storage-Experte. "Einer muss verlieren, damit ein anderer gewinnen kann."