Gebrauchtsoftware

Sparen mit Second-Hand-Lizenzen

09.03.2009 von Martin Bayer
Nach anfänglicher Skepsis wächst das Interesse der Anwender an Gebrauchtsoftware. Vor allem die Aussicht, die Kosten deutlich zu senken, weckt das Interesse der Kunden.

"Wir hatten uns über die Jahre immer wieder im Microsoft-Office- und Adobe-Umfeld am Gebrauchtmarkt bedient", beschreibt Jörg Bauske, verantwortlich für die IT bei der Berliner Volksbank, sein Herantasten an Second-Hand-Software. Bestätigt durch positive Erfahrungen mit den ersten Geschäften, traute sich der IT-Leiter dann 2006 an einen größeren Deal heran. Im Zuge einer Lizenzumstellung benötigte die Bank rund 3000 Office-Lizenzen von Microsoft. Trotz Volumenvertrags wäre der Kauf von Originallizenzen bei Microsoft auf einen Preis von etwa 1,4 Millionen Euro gekommen.

Durch die bereits bestehenden Kontakte zu Gebrauchthändlern ermutigt, sah sich Bauske auf dem Second-Hand-Markt um und wurde fündig. Eine andere Firma wollte Office-Lizenzen abgeben, die sich mit dem eigenen Bedarf etwa deckten. Den Deal vermittelte die Hamburger Preo AG.

Rund drei Viertel aller befragten Anwender war laut der Umfrage der FH Wedel bereits im Second-Hand-Handel aktiv.

Microsoft hatte dem Geschäft wenig entgegenzusetzen. "Wir wollten weiter mit Microsoft sprechen und haben die Karten offen auf den Tisch gelegt", berichtet der IT-Leiter. Doch die Gelegenheit, weiterzuverhandeln, wollte der Softwarekonzern offenbar wegen der Kontakte zu den Gebrauchthändlern nicht wahrnehmen. Offenbar befürchtete der Konzern, damit eine regelrechte Lawine loszutreten, mutmaßt Bauske.

Die Übertragung der gebrauchten Office-Lizenzen verlief nach den von Microsoft selbst festgelegten Regeln. Demnach dürfen Volumenpakete im Ganzen übertragen werden. Nach hartnäckigen Fragen habe die dafür zuständige Microsoft-Europazentrale in Irland auch die notwendigen Formulare herausgerückt, sagt Bauske. Da sich die Volksbank an die Vorgaben gehalten habe, konnte der Softwarekonzern nichts gegen den Deal einwenden. Zwar hätten die Microsoft-Verantwortlichen den ganzen Prozess ziemlich in die Länge gezogen. Doch Bauske stand eigenem Bekunden zufolge nicht unter Zeitdruck. Letztendlich habe sich die Wartezeit von neun Monaten gelohnt. Insgesamt habe das Berliner Bankhaus mit dem Second-Hand-Deal über eine Million Euro sparen können.

Für den IT-Leiter ist der Gebrauchtmarkt seitdem gesetzt. "Jedes Mal, wenn eine Softwarebeschaffung ansteht, sehen wir uns zuerst bei den Lizenzhändlern um", berichtet Bauske.

Mehr zum Thema Gebrauchtsoftware lesen Sie hier:

Steigende Softwarekosten machen Gebrauchtmarkt interessant

Fest etabliert hat sich Gebrauchtsoftware auch für die Schüco International KG. Bei dem Hersteller von Fassadentechnik und Solarsystemen sind mittlerweile über 2000 gebrauchte Microsoft-Office-2003-Lizenzen im Einsatz. Seit 2005 beschäftigt sich das Unternehmen aus Bielefeld mit dem Thema Second-Hand-Lizenzen, berichtet Wolfgang Berchem, verantwortlich für IT-Infrastruktur bei Schüco. Man habe die Entwicklungen in diesem Geschäftsfeld genau beobachtet, gerade hinsichtlich der möglichen finanziellen Vorteile. Es habe jedoch eine Weile gedauert, bis sich das Unternehmen dazu durchgerungen habe, Softwarelizenzen über den Gebrauchthandel zu beschaffen.

Den Ausschlag gaben Berchem zufolge letztendlich die permanent steigenden Softwarekosten. Diese hätten die Verantwortlichen bei Schüco dazu gebracht, ihre bisherige Vorgehensweise bei der Softwarebeschaffung zu überdenken. Der IT-Leiter legte großen Wert darauf, vor dem Gebrauchtkauf die rechtlichen Grundlagen genau zu prüfen. Außerdem wurden die potenziellen Anbieter unter die Lupe genommen. Gerade beim ersten Einkauf von Second-Hand-Lizenzen müssten Aufwendungen für die juristische Validierung sowie zeitliche Verzögerungen eingeplant werden, rät der IT-Manager. Lasse sich neue Software innerhalb von zwei Tagen beschaffen, habe sich der Ersteinkauf auf dem Gebrauchtmarkt über fünf bis sechs Wochen hingezogen. "In dieser Zeit haben wir jedes Detail geprüft und validiert."

Wolfgang Berchem, verantwortlich für die IT-Infrastruktur bei Schüco, hat beim Kauf von Gebrauchtsoftware 30 Prozent gegenüber dem Neupreis gespart.

Gelohnt hat sich der Aufwand trotzdem. Berchem beziffert den Kostenvorteil gegenüber Neulizenzen auf 30 Prozent. Zudem entfalle bei Folgekäufen der Prüfungsaufwand. Die Einkaufsprozedur sei vergleichbar mit der von Neuware. Zumindest in den meisten Fällen: Nach Angaben des Schüco-Managers deckt sich das Unternehmen inzwischen oft auf dem Gebrauchtmarkt mit Software ein - in aller Regel ohne Probleme. 2006 habe Microsoft die Übertragung einer gebrauchten Select-Lizenz abgelehnt. Der Lieferant habe jedoch alternativ ein anderes Softwarepaket liefern können.

Berchem rät Interessenten, die Beschaffung von Second-Hand-Software genau zu planen. Neben einer juristischen Prüfung gehöre dazu auch, klare Kriterien für den Lizenzhändler zu definieren. Dieser müsse seine Prozesse offenlegen und in der Lage sein, die benötigten Softwaremengen zu beschaffen. Der IT-Leiter empfiehlt, ausreichend Informationen von den Händlern einzuholen, deren Ausführungen kritisch zu prüfen und zu hinterfragen. "Wir haben festgestellt, dass es unter den Anbietern große Unterschiede gibt."

"Sich nicht einschüchtern lassen"

Auch Wolfgang Will, Leiter des Bereichs Shared Services der Stadtwerke Cottbus, hat klein angefangen. "Wir waren am Anfang ein wenig skeptisch", räumt der IT-Chef ein. "Man hat doch einiges gehört, wie die Softwarehersteller auf den Markt reagieren." Davon ließ sich Will jedoch nicht beeindrucken und kaufte zunächst kleinere Pakete mit Microsoft-Office-Lizenzen auf dem Second-Hand-Markt ein. Nachdem diese ersten Geschäfte deutliche Kostenvorteile einbrachten, wagte sich der Energieversorger an die Beschaffung einer größeren Tranche von gebrauchten Microsoft-Office-Lizenzen. Die Aussicht auf Einsparungen und die bis dato problemlose Abwicklung der Geschäfte durch die Second-Hand-Anbieter hatten den Ausschlag gegeben.

Probleme gab es jedoch mit Microsoft, berichtet Will. In einem Brief habe der Konzern darauf hingewiesen, das Verfahren sei nach den bestehenden Lizenzbedingungen nicht statthaft. Man behalte sich deshalb rechtliche Schritte vor. Nach anfänglicher Beunruhigung hätten sich diese Drohgebärden jedoch als substanzlos entpuppt, so der IT-Leiter aus Cottbus. Gespräche mit dem Lizenzhändler und mit anderen Firmen, die ebenfalls auf gebrauchte Software setzten, hätten die Situation für ihn entschärft. "Es ist auch nie etwas nachgekommen", erzählt Will. Microsoft habe den Energielieferanten im Nachgang keinem Audit unterzogen.

Die Einschüchterungsversuche sind kein Einzelfall. "Microsoft hat versucht, auch uns unter Druck zu setzen", berichtet Henry Taubald, COO und Geschäftsführer von s.Oliver, von seinen Erfahrungen. Die Hersteller wollen bei den Interessenten an gebrauchter Software Verunsicherung schüren und die Verantwortlichen einschüchtern. "Aber nie schriftlich", erinnert sich der Manager, "das geschah nur im Gespräch."

Taubald hat sich eigenem Bekunden nach davon jedoch nicht beeindrucken lassen. Der Manager kaufte für seine ehemaligen Arbeitgeber Karstadt/Quelle und Arcandor Second-Hand-Lizenzen ein. Bei s.Oliver sei dies derzeit noch nicht der Fall. Das liege aber nur an noch laufenden Verträgen mit Softwarelieferanten. Sobald diese ausliefen, werde er sich wieder auf dem Gebrauchtmarkt umsehen, kündigt Taubald an.

"Der Markt für Gebrauchtsoftware ist legitim und hat sich etabliert", lautet die Bilanz des s.Oliver-Managers. "Das Ganze ist keine Eintagsfliege." Die Händler hätten aus seiner Sicht mittlerweile viel Know-how aufgebaut. Hinter dem Geschäft, das früher auf einer relativ einfachen Basis begonnen habe, stehe heute viel Kompetenz, gerade auch in Sachen Beratung. Taubald vergleicht die Entwicklung mit dem Kfz-Sektor: "Viele Gebrauchtwagenhändler haben ihr Geschäft im Hinterhof begonnen - und irgendwann steht ein schönes Autohaus da."

Hartmut Hopfenzitz, CIO Woolworth: "Wir haben gemerkt, dass die Softwarehersteller zu deutlich größeren Zugeständnissen bereit sind, wenn während der Verhandlungen die Sprache auf Gebrauchtsoftware kommt."

Auch Hartmut Hopfenzitz, CIO von Woolworth, will auf den Gebrauchtmarkt nicht mehr verzichten: "Wenn wir Software beschaffen, klopfen wir immer auch bei den Anbietern von Second-Hand-Lizenzen an." Der Manager nennt zwei Effekte, wie Unternehmen in Sachen gebrauchte Software profitieren können: "Zum einen spart man ordentlich beim Kauf." Hopfenzitz beziffert das Einsparpotenzial auf mehr als 40 Prozent gegenüber dem Neupreis. Zum anderen ließen sich Lizenzen zu Geld machen, die das Unternehmen nicht mehr benötige. "Der Gebrauchtmarkt sorgt dafür, dass man sich von Altlasten befreien kann."

Druck der Softwarehersteller hat der Woolworth-Manager bis dato nicht gespürt. Im Gegenteil: "Wir haben gemerkt, dass die Softwarehersteller zu deutlich größeren Zugeständnissen bereit sind, wenn während der Verhandlungen die Sprache auf Gebrauchtsoftware kommt." Man bekommt attraktivere Pakete und wesentlich günstigere Preise als in den offiziellen Listen angeboten. "Lässt man einfließen, auch mit Gebrauchthändlern zu sprechen, verbessert sich die Verhandlungsposition ganz erheblich."

So sehen Anwender den Markt für Gebrauchtsoftware

Stefan Haugg, Leiter Einkauf bei der AVA Abfallverwertung Augsburg GmbH: "Es wäre doch völlig unsinnig, für dasselbe Produkt mehr zu zahlen, nur weil es sich neu nennt. Was heißt das schon? Software nutzt sich schließlich nicht ab."

Olaf Schrage, Geschäftsführer Douglas Informatik & Service GmbH: "Der Handel mit Gebrauchtsoftware ist meiner Ansicht nach für alle Marktteilnehmer ein wirtschaftlicher Gewinn - auch die Softwarehersteller werden von der neuen Dynamik des Softwaremarktes profitieren, beispielsweise wenn Käufer neue Software früher erwerben, nachdem sie ihre alten Lizenzen weitervermarkten konnten."

Hermann Scherer, Speaker & Business Expert: "Globale Konzerne versuchen die Spielregeln vorzugeben, nach denen der Markt zu funktionieren hat."
Foto: Speaker & Business Expert

Hermann Scherer, Speaker & Business Expert: "Der Softwaremarkt ist geprägt von monopolistischen Strukturen: Globale Konzerne diktieren nicht nur die Preise, sondern sie versuchen auch die Spielregeln vorzugeben, nach denen der Markt zu funktionieren hat. Der Kunde hat in dieser Situation unweigerlich das Nachsehen. Mit dem Gebrauchtmarkt für Software wurde hier endlich ein entscheidender Schritt in Richtung Marktliberalisierung getan."

Erwin und Melanie Schierle, Schierle Stahlrohre KG: "Als mittelständisches Unternehmen stehen wir Tag für Tag im immer schärfer werdenden Wettbewerb. Da kann es nicht angehen, dass sich die großen Softwarehersteller diesem Wettbewerb durch die Bildung monopolistischer Kartelle entziehen. Es ist höchste Zeit für die Liberalisierung des Softwaremarktes."

Thomas Jung, Oberbürgermeister Stadt Fürth: "Die Sparpotenziale, die der Gebrauchtmarkt bietet, sind für Behörden und Kommunen hochinteressant."

Thomas Jung, Oberbürgermeister Stadt Fürth: "Die Sparpotenziale, die der Gebrauchtmarkt bietet, sind für Behörden und Kommunen hochinteressant. Ohnehin sind wir als Stadt dem Wirtschaftlichkeitsprinzip des Vergaberechts verpflichtet, uns für den günstigsten Anbieter zu entscheiden. Schließlich kann jeder Euro, den wir bei der Softwareausstattung sparen, anderweitig investiert werden - und in der Regel wird er an anderer Stelle dringender gebraucht."

Stefan Schachenmayr, Leiter des Amts für Informations- und Kommunikationstechnik der Stadt Memmingen: "Dass Behörden nach einer Entscheidung der Vergabekammer Düsseldorf Anbieter gebrauchter Software bei Ausschreibungen berücksichtigen müssen, können wir im Hinblick auf einen verantwortungsvollen und wirtschaftlichen Umgang mit öffentlichen Geldern nur unterstützen. Insbesondere vor dem Hintergrund der jüngsten Urteile aus München und Hamburg, die zugunsten des Gebrauchtmarkts gefällt wurden, haben wir auch keinerlei rechtliche Bedenken."

Monika Matschnig, Wirkung.Immer.Überall: "Software ist ein Produkt wie jedes andere auch - warum sollte es nicht ebenso frei gehandelt werden? Warum sollte jemand, der ein Produkt gekauft hat, dieses nicht auch weiterverkaufen dürfen? Für mich als Unternehmerin ist es aus betriebswirtschaftlicher Perspektive nur schwer nachvollziehbar, dass ein global agierender Softwarekonzern seine Energien einzig in eine Blockadepolitik investiert, statt die entstehende Marktdynamik für seine eigenen Zwecke zu nutzen. Hier scheint es nur noch darum zu gehen, eine Monopolisten-Position von früher aufrechtzuerhalten. Aber wir leben immer noch in einer freien Marktwirtschaft - und die wird sich letztlich durchsetzen."

Zehn Tipps für den Second-Hand-Markt