Soziales Netzwerk transparent gestalten

28.08.2002 von Gert Vermeulen
Je mehr Wissen eine Firma hat, desto schneller und präziser kann sie Einkommen generieren. Dieser These folgend integrierte das Beratungshaus Sercon gerade in seinen geschäftsrelevaten Bereichen ein Knowledge-Management-System. Es wurde mit einem Award ausgezeichnet.

Ein gutes Beispiel für ein besonders funktionstüchtiges KM-System liefert die Firma Sercon. Ihr System wurde unlängst mit dem Best practice Award der Zeitschrift Wissensmanagement und des Instituts für Knowledge Management ausgezeichnet. Sercon, ein IT-Consulter mit 1600 Mitarbeitern an 22 Standorten in Deutschland ist auf eine möglichst effiziente und effektive Nutzung der Ressource Wissen angewiesen. Auch ist die vom Markt geforderte ständige Veränderung des Serviceportfolios untrennbar mit einer ständigen Erweiterung der Mitarbeiterkompetenzen und damit des Wissenskapitals verbunden.

 

 

 

 

 

 

 

 

Die 1600 Sercon-Berater arbeiten in Projekten, die eine Laufzeit von wenigen Tagen bis zu mehreren Monaten, teilweise auch Jahren haben können. Der Schwerpunkt ihrer Arbeit liegt beim Kunden. Die Geschäftsstellen werden nur sporadisch besucht um an internen Meetings teilzunehmen, Kontakte zu pflegen und um administrative Arbeiten zu erledigen.

Die unternehmensweit genutzte Groupware-Lösung ist Lotus Notes. Dennoch ist die Informationslandschaft sehr heterogen; eine Vielzahl unterschiedlichster Datenbanken wird zum großen Teil regional begrenzt genutzt, so dass die verschiedenen Wissensquellen im Unternehmen den Mitarbeitern bisher nicht bekannt waren. Die sozialen Netzwerke sind ebenfalls nicht transparent, sie existieren nur in den Köpfen, das heißt: "Jeder kennt jemanden, der jemanden kennt, der etwas weiß".

Anfang Februar 2001 wurde Knowledge Management bei Sercon sukzessive eingeführt und wird nun permanent den neuen Gegebenheiten angepasst. Schließlich muss ein Beratungsunternehmen muss die Fähigkeit haben, sich äußerst kurzfristig immer wieder neuen Erfordernissen des Marktes anzupassen. Die Bereitschaft zur Wissensteilung und die Motivation der Mitarbeiter ist daher Basis für den Erfolg und damit Grundstein für den Innovationsgrad einer KM-Lösung. Wesentlicher Faktor für das Gelingen war die ganzheitliche Herangehensweise bei der Implementierung der Lösung. Das bedeutet, dass die Bereiche

"Mensch/Mitarbeiter und soziale Gegebenheiten",

"Veränderung/Anpassung von Organisation und Prozessen", sowie

"Technik, Tools und Infrastruktur"

gleichwertig behandelt und die jeweiligen Abhängigkeiten intensiv beleuchtet wurden.

Im Gegensatz zu oftmals rein technologiegetriebenen Projekten, war die Grundlage der KM-Einführung bei Sercon das Schaffen von Transparenz über das im Unternehmen vorhandene soziale Netzwerk, welches völlig unabhängig von der hierarchischen Organisation ist. Die dabei verwendete Methode, die "Organizational Network Analysis (ONA)" erlaubt die Visualisierung der sozialen Kontakte der Mitarbeiter, aber auch zwischen Gruppen und sogar des Nutzungsverhaltens innerhalb einer meist heterogenen Infrastruktur.

Um den Erfolg auf eine breite Basis zu stellen, wurde ein einfaches Anreizsystem geschaffen, welches motivierte aktive Mitarbeit belohnt - ohne jedoch alleiniger Motor zu sein. Durch begleitendes Change Management konnte sichergestellt werden, das auch zögernde Kollegen vom Nutzen der Lösung überzeugt und begeistert werden konnten. Mittels Mitarbeiterbefragung wird der Status regelmäßig überprüft. Der daraus berechnete "Knowledge Satisfaction Index (KSI)" ist eine reproduzierbare Größe des Innovationsgrades. Die regelmäßige Kontrolle von Nutzungsgrad und gelebter "Knowledge Sharing Kultur" schafft Transparenz. Die Ergebnisse der Befragung sowie der KSI-Wert erlauben dem Management darüber hinaus einen Maßnahmenkatalog für weitere Verbesserungen der KM-Lösung zu erstellen.

Die Einführung war entscheidend durch "Bottom-Up" und "Top-Down-Ansatz" geprägt. Knowledge Management wurde "Top-Down" von der Geschäftsleitung mit einer hohen Priorität sowie einem entsprechenden Budget versehen, und den Mitarbeitern vorgelebt. Die Umsetzung und Nutzung wurde anschließend über die Führungskräfte an die Mitarbeiter herangetragen. Soll ein so komplexes und mit weitreichenden Auswirkungen versehenes Vorhaben unternehmensweit eingeführt werden, so ist es unerlässlich eine Person beziehungsweise ein Team zu beauftragen, getreu dem Motto: "If you want something done, make it someone’s job." Deshalb wurden vier erfahrene Senior Consultants aus dem täglichen Projektgeschäft herausgelöst und als "Knowledge Broker" in zentralen neu gebildeten Rollen installiert. Sie bildeten die zentrale Anlaufstelle für alle KM-Fragen, -Anforderungen und -Schnittstellen.

Eine der ersten Aufgaben des Teams war, alle unternehmensweit aktiven Personen an den Schnittstellen zum Knowledge Managementsystem über das „Projekt KM“ zu informieren, die Rahmenbedingungen für den Wissensaustausch zu vereinheitlichen und Anforderungen beziehungsweise Bedürfnisse aufzunehmen und untereinander abzustimmen. Diese "Marketingaufgaben" bundesweit durchzuführen und die Etablierung einer wirklich gelebten "Knowledge Sharing Kultur" war eine große Herausforderung für alle Beteiligten. Das begleitende "Change Management" und das auf Unternehmensstruktur und Arbeitsweisen abgestimmte Anreizsystem sind zentrale Lösungsbausteine.

Zusätzlich zu diesen kulturellen Aspekten wurde das Thema Knowledge Management von der Organisations- und Prozessseite betrachtet und gestaltet. So wurde dem Thema durch Anpassen der Geschäftsprozesse und Einführen neuer Rollen, wie zum Beispiel des „Knowledge-Management-Beauftragten“, sowie durch Implementieren neuer KM-Prozesse, also Vorlagen, Checklisten, Aufgabenbeschreibungen und Ernennungserklärungen, eine adäquate Grundlage und Bedeutung beigemessen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Parallel dazu identifizierte man die eigentlichen Wissensträger im Unternehmen. Dies sind in erster Linie Mitarbeiter mit Expertenwissen, aber auch Informationsquellen wie Dateien, Datenbanken, Laufwerksfreigaben, Server, Intranet- und Internet-Seiten. Da es gerade in einer IT-Unternehmensberatung sehr viele unterschiedliche Themengebiete gibt und die Mitarbeiter meist nur in einem kleinen Themenumfeld tätig sind und auch nur dort Experten sein können, wurden alle Mitarbeiter mit ihren individuellen Kompetenzen (Skills) in einem webfähigen Skill-Management aufgenommen. Diese Skills werden, sowohl voll automatisiert als auch über Geschäftsprozesse gesteuert, in einem regelmäßigen Turnus aktualisiert und gepflegt. Zusätzlich unterstützt durch das Anreizsystem, sichert dies hohe Aktualität der im System hinterlegten Kompetenzen.

Der ROI der KM-Lösung

Die durch KM reduzierten Suchzeiten führen zu deutlichen Steigerungen der Mitarbeitereffizienz, da die Berater mehr Zeit im Projekt verbringen können. Darüber hinaus werden Problemlösungen oder Präsentationen häufiger wiederverwendet. Ein weiterer Vorteil: Es können „Assets“ generiert werden, die im Rahmen von Kompaktverträgen verkauft werden können. Eine erhebliche Kosteneinsparnis konnte durch Reduzierung von Dienstreisen erzielt werden. Mit Lotus Sametime sind viele Reisen durch virtuelle Meetings ersetzbar.

Auch die Kompetenz der Berater hat sich signifikant erhöht: Automatisch aktualisierte „Yellow Pages“ machen die Experten zu den relevanten Themen quasi verfügbar, beziehungsweise ist ein Zugriff auf ihr Wissen sichergestellt. Nicht zuletzt ist Sercon nun in der Lage, die notwendigen Qualifizierungsmaßnahmen wesentlich besser auf das im Unternehmen vorhandene und zukünftig benötigte Know-how abzustimmen.

Sicherheitsaspekte

Mit dem Einsatz von Knowledge Management gelten für die Unternehmen ganz neue Dimensionen der DV-Sicherheit. Hier sind im wesentlichen zwei Komponenten zu beachten: Erstens kommt es durch KM zu einer Bündelung von Wissens-Pools, die nicht nur für das Unternehmen selbst wichtig sind, sondern auch für die Mitbewerber von unschätzbarer Bedeutung sein können. Denken wir nur an eine „Kompetenz-/Experten-Datenbank“ in falschen Händen. Hier sind interne Sicherheits- Barrieren zu errichten. Zweitens erfolgt die Einwahl in die Systeme nicht mehr nur aus eigenen Netzen, die meistens genügend gesichert sind, sondern auch über das Internet. Und hier sind andere, wesentlich höhere Sicherungsstandards zu beachten. Hier hat sich Sercon anfänglich darauf konzentriert, den Zugriff aus den eigenen Netzen und den Netzen der IBM zu gewährleisten. Dieser Zugriff funktioniert heute reibungslos. Der Zugriff über das Internet in ein Sercon-Extranet konnte

ebenfalls realisiert werden, allerdings nicht in der vollen Ausbaustufe. Die kompletten Wissens-Datenbanken sind nur im Intranet erreichbar.

Fazit

Die ganzheitliche Einführung von Knowledge Management in einem zentral organisierten Industrieunternehmen mittlerer Größenordnung ist eine interessante Aufgabe. Wenn aber ein dezentral organisiertes Consulting-Unternehmen Knowledge Management als ganzheitliche Lösung einführt, dann ist das eine Herausforderung. Knowledge Management, und die dazugehörige Knowledge Sharing Kultur ist keine temporäre Aufgabe, sondern ein fließender Prozess, der niemals endet.