IT-Einkauf Teil 1

Softwareeinkauf ohne Reue

07.05.2009 von Jürgen  Beckers und Gerry Wallner
In der ersten Folge einer dreiteiligen IT-Einkaufsserie geht es um die Projektierung. Hier werden die Weichen gestellt, damit die Beschaffungsmaßnahme nicht im Desaster endet.
Quelle: Fotolia/Endostock
Foto: Endostock - Fotolia.com

Das letzte IT-Projekt wurde im Streit mit dem Anbieter vorzeitig beendet? Kosten und Zeit des gegenwärtigen Projekts laufen aus dem Ruder, und der Anbieter ist nicht bereit, die Verantwortung dafür zu übernehmen? Diese und ähnliche Konflikte resultieren meist aus unterschiedlichen Erwartungen von Anbieter und Kunde.

Werden den Partnern solche Unterschiede erst in der Umsetzungsphase bewusst, ist es meist zu spät, den Interessenkonflikt gütlich beizulegen. Zu diesem Zeitpunkt stehen beide Parteien bereits unter erheblichem zeitlichem und finanziellem Druck, die vereinbarte Lösung erfolgreich zu implementieren. Sich unter solchen Rahmenbedingungen zu einigen ist in der Regel schwierig und scheitert schnell an blank liegenden Nerven oder festgefahrenen Standpunkten. In der Projektierungsphase können Sie die Weichen dafür stellen, dass Ihre Beschaffungsmaßnahme nicht im Desaster endet.

Abstimmung der Ziele

Um die technischen, betriebswirtschaftlichen und terminlichen Ziele eines IT-Projekts erreichen zu können, muss der Anwender entweder so viel Marktmacht besitzen, dass er den Anbieter zu jeder gewünschten Kurskorrektur im Projektverlauf ohne Zeitverzögerung, Funktionseinbußen und Budgetüberschreitung motivieren kann. Oder aber er muss seine Erwartungen und Anforderungen vertraglich so konkret spezifizieren, dass sie als Grundlage der gemeinsamen Geschäftsbeziehungen dienen können. Dies gilt nicht nur für den Einkauf von individuell konzipierten IT-Lösungen, sondern auch bei industrieller Standardsoftware nebst entsprechenden Dienstleistungen.

Der Anbieter kann die Erwartungen des Kunden nur dann erfüllen und vertraglich bindend zusagen, wenn er sie genau kennt. Zudem muss seine Software in der Lage sein, diese Anforderungen in vollem Umfang beziehungsweise mit bekannten und im Vorfeld akzeptierten Einschränkungen zu erfüllen. Ist sich der Anbieter dessen nicht sicher, wird er auch keine verbindlichen Zusagen machen wollen und können. In diesem Fall sollte sich der Anwender überlegen, ob und zu welchen Konditionen er bereit wäre, trotzdem einen Vertrag mit dem Anbieter zu schließen. Wenn er weiß, welche Ergebnisse er erwarten kann, kann er sich darauf einstellen. Dadurch sinkt das Risiko, dass das Projekt im späteren Verlauf abgebrochen werden muss.

Serie IT-Einkauf

Dies ist der erste Teil einer dreiteiligen COMPUTEWOCHE-Serie. Die beiden anderen Teile finden Sie hier:

Teil 2: Wie Sie den passenden Anbieter finden.
Teil 3: Gute Planung rechnet sich

Erstellen eines Lastenhefts

Um den richtigen Anbieter für ein IT-Vorhaben zu finden, sollte der Anwender ein Lastenheft erstellen, das alle wesentlichen Anforderungen und Erwartungen der Geschäftsleitung, der Anwender, der IT- und Rechtsabteilung an die zu beschaffende IT-Lösung enthält. Herrscht erst einmal Klarheit darüber, was man sucht, findet sich auch der passende Anbieter leichter. Die potenziellen Partner können dann ihre Angebote auf Basis der im Lastenheft dokumentierten Anforderungen und Erwartungen abgeben. Der Anwender sollte sie allerdings noch einmal ausdrücklich dazu auffordern, auf eventuelle Abweichungen gut sichtbar hinzuweisen. Wichtig ist zudem, dass das Lastenheft auch die Erwartungen im Hinblick auf die Folgekosten für die Einführung und den späteren Betrieb einer IT-Lösung enthält. Unklare Beschreibungen führen leicht zu bösen Überraschungen.

Was ins Lastenheft gehört

Die folgenden Punkte sind für ein vernünftig abgefasstes Lastenheft unabdingbar:

Das Lastenheft ist extrem wichtig. Wer Probleme bei der Erstellung hat, sollte externe Hilfe in Anspruch nehmen. Fehler, die während der Projektierung entstehen, lassen sich nachträglich nicht mehr korrigieren - zumindest nicht ohne Mehrkosten. Und diese Zusatzkosten überschreiten die Ausgaben für eine Beratung meist um ein Vielfaches. Als grober Richtwert sind - je nach Komplexität der Anforderungen - zwischen fünf und 15 Prozent der Projektkosten für die ordnungsgemäße Projektierung einzuplanen.

Wer gefragt werden muss

Zudem sollten an der Erstellung des Lastenhefts alle Personen beteiligt sein, die von dem Projekt direkt oder indirekt betroffen sind. Auf diese Weise kann das Anwenderunternehmen gewährleisten, dass die Anforderungen und Interessen auf allen Ebenen umfassend berücksichtigt werden. Interne Widerstände gegen die Einführung - ein Problem, an dem viele Projekte scheitern - sind dann in aller Regel nicht zu erwarten.

Mit der Verabschiedung des Lastenhefts endet die Projektierungsphase. Auf Basis der hier definierten Anforderungen und Erwartungen kann der Auftraggeber den passenden Anbieter auswählen und den Vertrag ausarbeiten. (sp)

Mitwirkende am Lastenheft

Zu einem vernünftigen Lastenheft müssen unbedingt die folgenden Personen oder beitragen:

  • ein IT-Projekt-Manager (intern oder extern) mit fundierter Erfahrung in dem relevanten Softwarebereich, der die technischen und kaufmännischen Ziele und Anforderungen aufstellt;

  • der Entscheider, der die Einführung der Software veranlasst hat, um bestimmte betriebswirtschaftliche Ziele zu erreichen;

  • die für das Projekt zuständigen IT-Mitarbeiter, die sich um die Zusammenstellung der technischen Ist- und Soll-Vorgaben kümmern (Servicedesign);

  • die IT-Organisation, die für den Betrieb der Lösung verantwortlich sein wird (Service-Operation);

  • je ein Anwender und Entscheider aus den betroffenen Fachabteilungen und von den externen Partnern, etwa Händlern oder Lieferanten, die mit der Software künftig arbeiten sollen;

  • der verantwortliche Einkaufs- oder Finanzchef, dem die Budgetvorgaben und sonstigen Einkaufskonditionen mitgeteilt werden;

  • der auf IT-Beschaffung spezialisierte Hausjurist (intern oder extern), der die rechtlichen Anforderungen - etwa Nutzungsrechte und Einkaufsbedingungen - spezifiziert und prüft.