Startups, Apps und neue Dienste

Social-Media-Trends aus Austin

15.03.2012 von Joachim Hackmann
Die Multimedia-Show SXSW in Austin gewährt einen Blick auf das nächste Trendthema: Soziale Vernetzung in nächster Umgebung.
Foto: SXSW

Die texanische Hauptstadt mausert sich zum Mekka der Gestalter des mobilen Webs. Seit 1987 gibt es die Veranstaltung South by Southwest (SXSW) in Austin, die als Rock- und Film-Festival startete und sich nach und nach zum bedeutenden Multimedia-Event entwickelt hat. Noch immer spielen Bands vor (im vergangenen Jahr hatten die Foo Fighters einen Überraschungsauftritt, nach der Premiere eines Dokumentarfilms über die Band), doch die weltweite Aufmerksamkeit hat das Treffen auf sich gezogen, weil Entwickler und Startups hier ihre neuesten Ideen und Kreationen zeigen. Und da das stationäre und mobile Web nach wie vor maßgeblich von US-Firmen dominiert und beeinflusst wird, gibt der Branchentreff in Austin stets gute Hinweise auf kommende Trends in der virtuellen und digitalen Welt.

Highlight bringt Menschen mit gleichen Interessen zusammen.
Foto: Highlight

Das Startup mit der meisten Resonanz war in diesem Jahr - nomen est omen - "Highlight" mit seinem gleichnamigen Dienst. Er verknüpft Social Media, Mobilität und lokale Ortung in einer App, die Gleichgesinnte in der Nähe zueinander führt. Das können etwa Manager sein, die im gleichen Flugzeug auf dem Weg zur Konferenz sitzen oder Leute, die ein exotisches Hobby teilen und sich austauschen möchten. Wer den Dienst auf seinem Smartphone aktiviert, dem zeigt Highlight andere User inklusive Name und Photo im Umkreis von 50 Yards (etwa 45 Meter) mit gleiche Interessen, Lieblings-Bands oder Freunden. Trifft man später einen so gewonnen Kontakt wieder und erinnert sich partout nicht an dessen Namen, so stopft Highlight flugs die Erinnerungslücken und präsentiert alle wesentlichen persönlichen Daten auf dem Smartphone-Bildschirm. Das Unternehmen veröffentlich bis dato keine Nutzerzahlen. Es ist bislang außerhalb von Silicon Valley auch kaum in Erscheinung getreten und kann - so wurde auf den SXSW gemunkelt - vor allem Besucher von Festivals und Rockkonzerten zum App- Download bewegen.

Dieser Service kam in der Branche und US-Presse so gut an, dass sie den Gattungsbegriff "Ambient Social" dafür kreierten. Weitere Vertreter dieser Art finden sie in der Bilderstrecke:

lokale Social-Media-Dienste
Highlight
Highlight war der lokale Ortungsdienst, der am meisten Beachtung fand. Auf der SXSW haben sich aber weitere, vergleichbare Dienste präsentiert.
Glanccee
Der Dienst registriert den aktuellen Standort des Smartphone-Besitzers und verknüpft die Informationen mit dem Facebook- und Twitter-Account. Auch Glancee zeigt Leute in der Nähe samt ihrer Interessen an. Zudem lädt der Dienst automatisch das Facebook-Profil der gefundenen Anwender auf das Smartphone.
Banjo
Banjo aggregiert Daten aus Foursquare, Gowalla, Facebook sowie Twitter und erstellt daraus eine Karte mit sämtlichen Leuten im nahen Umkreis. Der Dienst ist verglichen mit Glancee und Highlight stärker mit vorhandenen Social-Media-Angeboten integriert.
Sonar
Sonar greift ebenfalls auf Foursquare-Daten zurück und wirbt mit Facebook- sowie Twitter-Integration. Ergänzend stellt es ein nicht näher beschriebenes Ranking-System bereit, das die interessantesten Gesprächspartner identifizieren kann.
Task Rabbit
TaskRabbit ist eine iPhone-App mit der Nutzer Aufgaben, Arbeiten und Projekte öffentlich ausschreiben können. Dazu veröffentlichen sie eine Beschreibung der Aufgabe (etwa: "Haustürschloss defekt, Tür schießt nicht") und nennen einen Preis, den sie für die Bearbeitung zahlen würden. Der Dienst konzentriert sich auf Handwerksarbeiten und Zimmerreinigung. Registrierung ist Pflicht, so will der Betreiber sicherstellen, dass nur legale Aufgaben ausgeschrieben werden. Dafür kassiert er eine Gebühr von den Nutzern.
Zaarly
Zaarly vermittelt zwischen Käufern und Verkäufern von Produkten innerhalb eines festgelegten Radius.
CardFlick
Zur Ambient-Social-Gattung zählt auch der neue Dienst CardFlick. Er liefert Vorlagen für das Design von Visitenkarten. die Partner können ihre Kontaktdaten zudem von Smartphone zu Smartphone übertragen.
Glassmap
In die Liste der Ortungsdienste, die Freunde in der Nähe orten und zusammenführen, reiht sich auch Glassmap ein.
Mingle
Die Betreiber von Mingle positionieren ihren Dienst als Social Network und Lokationsdienst speziell für Geschäftskontakte. Bislang beschränkt sich die Reichweite auf drei Städte in den USA (San Franzisko, New York, Austin) sowie auf London und Korea)
Kismet
Auch Kismet ist eine App für spontane Treffen mit Gleichgesinnten, die sich in der Nähe befinden. Die App wurde auf der SXSW präsentiert, befindet sich aber noch in der Betaphase.
Uberlife
Uberlife lädt zu "Hangouts” ein. Wer etwa sein Feierabendbier in der Kneipe nicht allein trinken möchte, schlägt allen Kumpels in der Umgebung ein Treffen vor. Das funktioniert nur in der Uberlife-Community. Fleißige Hangout-Initiatoren belohnt der Betreiber mit Punkten.
EchoEcho
EchoEcho findet Freunde auch in Gebäuden ohne GPS-Empfang. Das Unternehmen hat auf der SXSW eine neue Version ihrer App präsentiert. Die Software stellt einen Grundriss des Gebäudes dar und lotst seine Nutzer mit Hilfe von Wifi-Netzen auf zwei Meter genau zu den gesuchten Freunden. Die Grundrisse liefert das Stanford-Startup WifiSlam.

Wo soviel persönliche Daten gehandelt werden, sind selbst in den USA, wo Nutzer wesentlich freizügiger Informationen teilen, die Datenschutz-Mahner nicht weit. Berechtigte und unbeantwortete Fragen lauten etwa: Will man sich wirklich mit wildfremden Menschen in der Nähe treffen? Reicht die gemeinsame Vorliebe für eine Fernsehserie wie die Simpson auf, um ein Gespräch mit einem Unbekannten zu führen? Welche Daten verrate ich meiner Umgebung ungewollt, und wer macht sich die Offenheit zunutze?

Natürlich lassen sich die Dienste ausschalten, dann sind sie allerdings auch nutzlos. Die meisten Anbieter konzentrieren sich in dieser frühen Phase eines neu entstehenden Marktes noch darauf, die Funktionen ihrer Lösungen zu verbessern und zu erweitern, der Datenschutz bleibt dabei auf der Strecke, mahnt etwa Gartner-Analystin Annette Zimmermann: "Die Anbieter bieten nicht die Transparenz, die man sich für die Kunden wünschen würde, damit sie eindeutig verstehen, wann und mit wem sie Informationen über ihren aktuellen Standort teilen." Zwar wollen die meisten befragten Nutzer ihre Privatsphäre schützen, das Verhalten in der Online-Welt spiegelt die Bedenken aber selten wieder.

Neue Ideen für Geschäftkunden

Ein Bild plus drei Zeilen Text - fertig ist die ad-hoc-Kritik. Die Idee dazu hatte das Startup Tiny Review.
Foto: Tiny Review

Die Chancen, Grenzen und Risiken der Lokalisierung waren indes nicht das einzige Thema der Veranstaltung. Möglicherweise kündigte sich auf der SXSW auch der nächste Twitter-Nachfolger an. Die Macher der iOS-App "Tiny Review" verknüpfen Bild- und Text-Publishing-Funktionen für ad-hoc-Kritiken. Nutzer können mit ihrem Smartphone ein Foto schießen und mit einem kurzen, dreizeiligen Kommentar versehen. Tiny Review war bislang nur als kostenlose iPhone- und iPad-App vorgesehen, seit der SXSW gibt es die Web-Version "TinySX" für Notebooks und Desktops. Zwar wurden keine Pläne für eine Android-Version bekannt, doch dürfte Googles Betriebssystem das nächst Ziel der Tiny-Review-Macher sein.

Die SXSW ist keineswegs eine Veranstaltung, die sich allein auf die Bedürfnisse der Privatkunden konzentriert, sie zeigt sämtliche Facetten neuer Geschäftsmodelle im Web. Der in den USA bekannte Seriengründer Srini Gurrapu nutzte die Messe beispielsweise, um seinen geplanten Dienst "Wheel InnovationZ" zu bewerben, der Unternehmen einen App Store für den internen Gebrauch bereitstellt. Hier können Mitarbeiter Business-Apps auf ihre private Gerate laden, Gurrapu versteht seinen Dienst als Antwort auf die Herausforderungen des ByoD-Trends (Bring your own Devices).

Odoro ist ein weiteres Angebot für Geschäftskunden. Die Macher kommen von der University of Texas und haben eine Software für das Inventar- und Order-Management für kleine Firmen entworfen. Gazzang greift wiederum die Massendatenverarbeitung und den Datenschutz auf und verschlüsselt dazu die Daten, bevor sie in öffentliche Netze gelangen. Last, but not least strebt das Startup Umbel im Social-Media-Web eine Position an, wie sie The Nielson Company mit seinen Marketing- und Medieninformationen im klassischen Werbemarkt besetzt. Im Web, wo jeder zum Publisher werden kann, ist es ungleich schwerer herauszufinden, wer die Leser und Konsumenten sind. Umbel aggregiert dazu Unmengen an Daten aus dem Internet und Social-Media-Netzen und kreiert daraus ein Bild über Nutzer für Werbekunden.