Die texanische Hauptstadt mausert sich zum Mekka der Gestalter des mobilen Webs. Seit 1987 gibt es die Veranstaltung South by Southwest (SXSW) in Austin, die als Rock- und Film-Festival startete und sich nach und nach zum bedeutenden Multimedia-Event entwickelt hat. Noch immer spielen Bands vor (im vergangenen Jahr hatten die Foo Fighters einen Überraschungsauftritt, nach der Premiere eines Dokumentarfilms über die Band), doch die weltweite Aufmerksamkeit hat das Treffen auf sich gezogen, weil Entwickler und Startups hier ihre neuesten Ideen und Kreationen zeigen. Und da das stationäre und mobile Web nach wie vor maßgeblich von US-Firmen dominiert und beeinflusst wird, gibt der Branchentreff in Austin stets gute Hinweise auf kommende Trends in der virtuellen und digitalen Welt.
Das Startup mit der meisten Resonanz war in diesem Jahr - nomen est omen - "Highlight" mit seinem gleichnamigen Dienst. Er verknüpft Social Media, Mobilität und lokale Ortung in einer App, die Gleichgesinnte in der Nähe zueinander führt. Das können etwa Manager sein, die im gleichen Flugzeug auf dem Weg zur Konferenz sitzen oder Leute, die ein exotisches Hobby teilen und sich austauschen möchten. Wer den Dienst auf seinem Smartphone aktiviert, dem zeigt Highlight andere User inklusive Name und Photo im Umkreis von 50 Yards (etwa 45 Meter) mit gleiche Interessen, Lieblings-Bands oder Freunden. Trifft man später einen so gewonnen Kontakt wieder und erinnert sich partout nicht an dessen Namen, so stopft Highlight flugs die Erinnerungslücken und präsentiert alle wesentlichen persönlichen Daten auf dem Smartphone-Bildschirm. Das Unternehmen veröffentlich bis dato keine Nutzerzahlen. Es ist bislang außerhalb von Silicon Valley auch kaum in Erscheinung getreten und kann - so wurde auf den SXSW gemunkelt - vor allem Besucher von Festivals und Rockkonzerten zum App- Download bewegen.
Dieser Service kam in der Branche und US-Presse so gut an, dass sie den Gattungsbegriff "Ambient Social" dafür kreierten. Weitere Vertreter dieser Art finden sie in der Bilderstrecke:
Wo soviel persönliche Daten gehandelt werden, sind selbst in den USA, wo Nutzer wesentlich freizügiger Informationen teilen, die Datenschutz-Mahner nicht weit. Berechtigte und unbeantwortete Fragen lauten etwa: Will man sich wirklich mit wildfremden Menschen in der Nähe treffen? Reicht die gemeinsame Vorliebe für eine Fernsehserie wie die Simpson auf, um ein Gespräch mit einem Unbekannten zu führen? Welche Daten verrate ich meiner Umgebung ungewollt, und wer macht sich die Offenheit zunutze?
Natürlich lassen sich die Dienste ausschalten, dann sind sie allerdings auch nutzlos. Die meisten Anbieter konzentrieren sich in dieser frühen Phase eines neu entstehenden Marktes noch darauf, die Funktionen ihrer Lösungen zu verbessern und zu erweitern, der Datenschutz bleibt dabei auf der Strecke, mahnt etwa Gartner-Analystin Annette Zimmermann: "Die Anbieter bieten nicht die Transparenz, die man sich für die Kunden wünschen würde, damit sie eindeutig verstehen, wann und mit wem sie Informationen über ihren aktuellen Standort teilen." Zwar wollen die meisten befragten Nutzer ihre Privatsphäre schützen, das Verhalten in der Online-Welt spiegelt die Bedenken aber selten wieder.
Neue Ideen für Geschäftkunden
Die Chancen, Grenzen und Risiken der Lokalisierung waren indes nicht das einzige Thema der Veranstaltung. Möglicherweise kündigte sich auf der SXSW auch der nächste Twitter-Nachfolger an. Die Macher der iOS-App "Tiny Review" verknüpfen Bild- und Text-Publishing-Funktionen für ad-hoc-Kritiken. Nutzer können mit ihrem Smartphone ein Foto schießen und mit einem kurzen, dreizeiligen Kommentar versehen. Tiny Review war bislang nur als kostenlose iPhone- und iPad-App vorgesehen, seit der SXSW gibt es die Web-Version "TinySX" für Notebooks und Desktops. Zwar wurden keine Pläne für eine Android-Version bekannt, doch dürfte Googles Betriebssystem das nächst Ziel der Tiny-Review-Macher sein.
Die SXSW ist keineswegs eine Veranstaltung, die sich allein auf die Bedürfnisse der Privatkunden konzentriert, sie zeigt sämtliche Facetten neuer Geschäftsmodelle im Web. Der in den USA bekannte Seriengründer Srini Gurrapu nutzte die Messe beispielsweise, um seinen geplanten Dienst "Wheel InnovationZ" zu bewerben, der Unternehmen einen App Store für den internen Gebrauch bereitstellt. Hier können Mitarbeiter Business-Apps auf ihre private Gerate laden, Gurrapu versteht seinen Dienst als Antwort auf die Herausforderungen des ByoD-Trends (Bring your own Devices).
Odoro ist ein weiteres Angebot für Geschäftskunden. Die Macher kommen von der University of Texas und haben eine Software für das Inventar- und Order-Management für kleine Firmen entworfen. Gazzang greift wiederum die Massendatenverarbeitung und den Datenschutz auf und verschlüsselt dazu die Daten, bevor sie in öffentliche Netze gelangen. Last, but not least strebt das Startup Umbel im Social-Media-Web eine Position an, wie sie The Nielson Company mit seinen Marketing- und Medieninformationen im klassischen Werbemarkt besetzt. Im Web, wo jeder zum Publisher werden kann, ist es ungleich schwerer herauszufinden, wer die Leser und Konsumenten sind. Umbel aggregiert dazu Unmengen an Daten aus dem Internet und Social-Media-Netzen und kreiert daraus ein Bild über Nutzer für Werbekunden.