Chefs setzen Social Media nicht ein

Social Media im Change Management

07.01.2012 von Bettina Dobe
Bei Veränderungsprojekten könnten Social Media die Kommunikation ergänzen. Doch Managern fehlt Erfahrung mit den Werkzeugen, zeigt eine Befragung von Capgemini.

Rightsizing, Outsourcing und andere Restrukturierungen bedeuten für Mitarbeiter und Führungskräfte gleichermaßen eine große Umstellung. Die Strategieberatungsfirma Capgemini Consulting hat in der Studie "Digitale Revolution - ist Change Management mutig genug für die Zukunft?" untersucht, wie Manager sich im Change Management auf digitale Technologien einstellen und wie sie diese für Veränderungen nutzen. Ein Ergebnis der Studie: Die emotionale Komponente spielt eine sehr große Rolle.

Change als "Fact of Life"

Wandel sehen mittlerweile viele als Fact of Life an - dennoch fürchtet sich rund ein Drittel davor.
Foto: Capgemini Consulting

Veränderungen wirken auf das Gewohnheitstier Mensch nicht mehr so bedrohlich wie einst. Nur knapp ein Drittel (32,1 Prozent) der befragten Change-Management-Experten stimmten dieser Aussage in der Umfrage zu. Wie die Berater herausfanden, sehen inzwischen viele Mitarbeiter Wandel als einen "Fact of Life" an: Veränderung gehört nun mal zum Arbeitsleben. Aber nur sieben Prozent der Manager auf der zweiten Führungsebene waren aufgeschlossen gegenüber Veränderungen im Unternehmen. Doch wogegen wehren sich die Führungsverantwortlichen?

Angst vor zu viel Veränderung

Knapp die Hälfte (47 Prozent der Befragten) gab an, dass sie angesichts großer Restrukturierungsmaßnahmen um ihren Einfluss oder ihren Status fürchteten. Die ständigen neuen Anforderungen scheinen den Führungsverantwortlichen wohl ebenfalls zu viel zu sein: 40 Prozent gaben an, dass sie die dichte Taktung der Veränderungsprojekte belaste. Zu schnellem Wandel erteilten die Befragten des mittleren Managements also eine Absage.

Nicht so die Generation Y, also die ab 1980 Geborenen. "Gerade in der Generation Y wird Wandel eher als positiv angesehen", sagt Imke Keicher, Studienautorin von Capgemini Consulting. Der Grund: Sie wollen mehr in Prozesse eingebunden werden und fordern mehr Mitspracherechte. Sie fühlen sich zuhause in der digitalen Welt. Keicher rät dazu, die Ansprache an die jüngere Generation möglichst emotional zu gestalten. Denn wie die Studie herausfand: Gefühle sind der Schlüssel dazu, Mitarbeiter auf Veränderungen einzustimmen.

Die emotionale Komponente von Veränderungsprozessen ist wichtiger als die anderen beiden Dimensionen.
Foto: Capgemini Consulting

Veränderungen, wie etwa eine Neuorganisation des Arbeitsumfelds, lassen sich nur schwer von außen aufzwingen. 74 Prozent der Befragten gaben an, dass ihre Mitarbeiter auch innerlich auf eine Neuerung gefasst sein müssten, sonst lasse sie sich nicht durchsetzen. Das heißt nicht nur, dass Manager ihren Mitarbeitern die Fakten vermitteln müssen, also was sich für wen wo ändert. Das halten zwar 57 Prozent der Befragten für wichtig. Die überwältigende Mehrheit (85 Prozent) gab an, dass sie ihre Angestellten auch emotional erreichen müssen und für den Wandel begeistern müssen. Sonst habe eine Veränderung keinen Erfolg.

Führungskräfte setzen weiter auf Altbewährtes

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Das sehen die Mitarbeiter genauso: Die Berater von Capgemini Consulting fragten nach den wichtigsten Aspekten, mit denen eine Veränderung erfolgreich verläuft. "Für die Befragten ist die emotionale Dimension (49 Prozent) deutlich am wichtigsten. Erst mit einem gebührenden Abstand folgen die politische (28 Prozent) und danach erst die rationale Dimension (23 Prozent)", heißt es in der Studie. Diese Zahlen sind konstant gegenüber der letzten Studie von 2010. Das heißt: Alle stimmen überein, dass eine Veränderung auch emotional mitgetragen werden muss.

So weit, so gut. Nur wird dieses Konzept noch nicht durchgesetzt. In der Praxis halten sich die Führungskräfte weiterhin an Altbewährtes. Sie setzen auf "die fachlich-sachliche Ansprache entlang der etablierten Hierarchiestrukturen", wie es in der Studie heißt. Führungskräfte gehen pragmatische Wege, wenn sie eine Veränderung anstreben. Sie setzen eher auf Fakten als auf Emotionen. Aber der "Top-Down"-Ansatz, den sie oft dabei nutzen, spricht die Emotionen der Mitarbeiter nur selten an. Zumindest, was die Mitsprache angeht, wäre Social Media ein Teil der Lösung.

Tools für das Social Business
Instant Messaging, Acivity-Streams, Dokumenten-Sharing, Tagging und Profilseiten – diverse Plattformen stellen beliebte Social-Media-Funktionen für den internen Gebrauch zur Verfügung. Ein Überblick über die wichtigsten Tools:
Chatter
Das Tool lässt sich mit der CRM-Lösung von Salesforce integrieren und kann so Geschäftsprozesse etwa im Vertrieb abbilden, ist aber auch als Stand-alone-Lösung einsetzbar. Sein Engagement im Social-Business unterstrich der Anbieter zudem mit der Übernahme von Radian6, einem Anbieter von Tools zur Analyse unstrukturierter Daten. Chatter bietet zudem die Möglichkeit, Prozessschritte anderer Enterprise-Anwendungen, zum Beispiel von SAP, einzubinden.
Jabber
Cisco fährt im Social-Business zweigleisig. Unter dem Namen "Jabber" bündelt die Networking-Company seit Kurzem sämtliche Communications- und Collaboration-Clients, die im Lauf der Jahre unter anderem durch Zukäufe ins Unternehmen kamen. Der Jabber-Client integriert Kommunikationsfunktionen wie Präsenzanzeige oder Instant Messaging und stellt mit Hilfe der hauseigenen Webex-Produktfamilie Audio- und Videoconferencing bei Bedarf auch in HD-Qualität bereit.
Quad
Das zweite Standbein ist "Quad", von Cisco als Plattform für das Enterprise 2.0 positioniert. Es integriert Features wie Blogs und Wikis.
Quad
Quad ist am Frontend mit eingeschränkter Funktionalität mittels Web-Browser zu bedienen. Wollen Anwender die gesamte Bandbreite der Möglichkeiten ausschöpfen, ist der Jabber-Client ratsam. Er gewährleistet auch die Interaktion mit Fremdprodukten wie Microsoft Office und Sharepoint.
Jive
Eine beliebte Anwendung unter den Social-Business-Lösungen stellt das 2001 gegründete kalifornische Unternehmen Jive Software mit dem Produkt "Jive Engage" bereit. Es kombiniert Collaboration- und Community-Features und stellt Lösungen für das Knowledge-Management zur Verfügung. Ständige Erweiterungen haben die Software zu einer Social-Business-Plattform anwachsen lassen. So kamen im Lauf der Zeit Funktionen für Instant Messaging sowie die Mobility-Unterstützung für iPhones und Blackberrys hinzu.
Jive
Die funktionalen Erweiterungen hat Jive in wesentlichen Teilen eingekauft: Die Akquisition von OfficeSync wurde beispielsweise zur Basis für das Dokumenten-Sharing, das übernommene Start steuert Konnektoren zur Microsofts Office-Welt bei. Im Frühjahr 2011 schluckte der Hersteller den Business-Analytics-Anbieter Proximal Labs. Seitdem können Anwender der Software bei Bedarf große Menge unstrukturierter Daten auswerten. Beachtung fand zuletzt auch Jives Marktplatz für Applikationen, der Partner dazu ermuntern soll, die Social-Business-Plattform mit Drittanwendungen anzureichern.
Sharepoint
Microsoft setzt im Social Business auf "Sharepoint". Die Collaboration-Umgebung stellt Anwendern Dokumenten-Sharing und Kommunikationsmöglichkeiten bereit. Spezielle Social-Network-Angebote sind unter anderem integrierte Profile, Wikis, Blogs, Newsfeeds und interne Videoportale sowie Funktionen für die unternehmensinterne Suche, das Tagging, Rating und zur Kommentierung.
SmartCloud for Social Business und Connections
IBM vertreibt im Geschäft mit der unternehmensinternen Collaboration die Produktlinien "Connections" und "SmartCloud for SocialBusiness" (vormals LotusLive). Connections wird in die Unternehmens-IT integriert und bietet mit Activity Streams, Social Analytics, Wikis, Blogs, Dokumenten-Sharing sowie E-Mail- und Kalenderintegration typische Enterprise-2.0-Funktionen.
SmartCloud for Social Business und Connections
Anwendungen von Drittparteien lassen sich mittels Portal integrieren. IBM verspricht auch die Einbindung von Geschäftsprozessen, beispielsweise können Nutzer SAP-Transaktionen in der Connections-Umgebung bearbeiten. Connections lässt sich auch als SaaS-Ausführung beziehen.
SocialCast
Zudem schaffen Schnittstellen zu Lotus Notes, Outlook, Sharepoint sowie zum Active Directory ergänzende Kommunikations- und Integrationsmöglichkeiten. Jüngste Neuerung, die bereits zu VMware-Zeiten eingeführt wurde, ist die Social-Applikation "Strides", die Socialcast zur integrierten Collaboration-Plattform ausbauen soll. Interessenten an Socialcast können zunächst eine kostenlose Version ausprobieren, die sich aber nicht im internen Data Center installieren lässt und der einige Funktionen, etwa zur Datenanalyse, fehlen.
Streamwork
"Streamwork" wurde ursprünglich als Plattform entwickelt, die mit Hilfe von Business Intelligence die Entscheidungsfindung in Unternehmen schneller und kollaborativ gestalten soll. Dabei setzt SAP auf die Integration von Fremdprodukten. Anknüpfungspunkte bestehen etwa für Webex, Evernote sowie Outlook und Google Mail.
Streamwork
Die Nähe zu betriebswirtschaftlichen Anwendungen spiegelt sich in der Feature-Liste wider: Wesentliche Funktionen betreffen etwa die Agendaplanung, Prioritätenlisten, Ad-hoc-Umfragen, SWOT- und Kosten-Nutzen-Analysen sowie Verantwortlichkeits-Diagramme. Die Social-Business-Komponenten erstrecken sich auf News-Feeds für Geschäftsdaten und Monitoring-Dienste, die Aktivitäten und Ereignisse darstellen. Streamwork ist mit verschiedenen SAP-Anwendungen integriert.
Tibbr
Mit "Tibbr" hat sich der SOA- und Integrationsspezialist Tibco in das Social-Business-Geschäft vorgewagt. Folgerichtig betont auch Tibbr die Verzahnung verschiedener Anwendungen (etwa von Oracle, SAP, Microsoft Sharepoint und Salesforce.com) in einer Plattform, so dass sich beispielsweise der Activity-Stream durch Ereignisse und Veränderungen aus den Business-Applikationen speisen lässt.
Tibbr
Tibbr bietet soziale Services wie Microblogging, Profile, Instant Messaging und Voice-Memos, Videoconferencing und Communities. Die Nutzer können sogenannten Subjects folgen, das sind entweder andere Nutzer, Gruppen oder Themen. Auch Tibco bietet Unternehmen Möglichkeiten zur Analyse der Inhalte.
Yammer
"Yammer" kam vor knapp vier Jahren als unternehmensinterne, Cloud-basierende Software für das Microblogging auf den Markt. Der gleichnamige Betreiber vermarktet die Lösung zum einen als kostenlose und funktional reduzierte Version, zum anderen als kostenpflichtige Ausführung für fünf Dollar pro Monat sowie als Premium-Lösung für Unternehmen inklusive Admin-Rechten und Integrationsmöglichkeiten.
Yammer
Mit dem aktuellen Release können Anwender beispielsweise Communities einrichten, Termine in Outlook und Google Calendar planen, in verteilten Teams kommunizieren und gemeinsam Dokumente bearbeiten. Eine Präsenzanzeige erstreckt sich auch auf mobile Clients, zudem liefern Analysewerkzeuge Daten über die Aktivitäten im sozialen Netz. Die Version für Unternehmen stellt besondere Sicherheitsfunktionen sowie Andockmöglichkeiten an Geschäftsapplikationen etwa von Salesforce.com, Microsoft und Netsuite bereit.
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Social Media im Change Management

Doch die digitale Revolution, also die sozialen Medien auch für Unternehmenszwecke zu nutzen, ist in vielen Unternehmen noch in weiter Ferne. "Besonders wenn es darum geht, Mitarbeiter in den Veränderungsprozess einzubinden und einen Austausch über alle Hierarchiestufen hinweg zu ermöglichen", so Change Management Expertin Keicher. Zwar sahen die in der Studie Befragten in den Anwendungenvon Social Media viele Vorteile für das Change Management. Aber sie nutzten sie nur wenig. 64,6 Prozent der Befragten gaben an, dass sie mit Social Media einfach zu wenig Erfahrung hätten. Doch gerade hierin liegt laut Capgemini der Schlüssel zu erfolgreichen Veränderungen im Unternehmen, zumindest auf rationaler Ebene.

Gerade die Generation Y kann durch Social Media Tools im Change Management angesprochen werden. Dann können Führungsverantwortliche gemeinsam mit ihnen die Veränderungen angehen. Sie müssen sich nur trauen, diesen Wandel auch auf der Gefühlsebene anzusprechen. Das geht mit Social Media Tools allerdings nicht, wie die Studie herausfand. Die meisten Befragten gaben an, dass sich diese Anwendungen nicht dazu eigneten, Mitarbeiter für eine Veränderung emotional zu begeistern. Da bleibt auch im Zeitalter der Enterprise 2.0-Anwendungen nur: Führungskräfte müssen persönlich mit ihren Mitarbeitern reden. Aber anders als früher auch auf emotionaler Ebene.

Für die Studie befragte Capgemini 152 Führungskräfte und Change-Management-Experten aus der DACH-Region aus größeren und mittelständischen Unternehmen.