Anders arbeiten, anders kommunizieren

Social Media: Hier spricht nicht nur der Chef

16.03.2013 von Alexandra Mesmer
Mitmachnetze können Kom­munikation und Zusammenarbeit in einem Unternehmen massiv verändern. Mitarbeiter erwarten Transparenz, geben ungefragt Feedback, und der Chef muss mehr zulassen statt nur zu kontrollieren.

Viele Unternehmen haben ein gespaltenes Verhältnis zum Thema Social Media. Im Hinblick auf externe Kommunikation und Marketing ist ihnen zwar klar, dass sie Plattformen wie Facebook, Youtube, Xing oder Twitter verstärkt nutzen müssen, um Kunden oder Bewerber anzusprechen. Gleichzeitig zögern aber noch viele, das Mitmachnetz auch ins Unternehmen einziehen zu lassen. Werden Blogs, Wikis, Chats und Foren zu normalen Arbeitsmitteln, kann sich jeder Mitarbeiter einbringen, seine Ideen teilen oder Vorschläge der Kollegen bewerten. Kommentieren können die Mitarbeiter dann auch jede Entscheidung des Managements, Feedback gibt es ungefragt und unmittelbar. Chefs, aber auch die interne Kommunikation müssen umdenken, wie die Beispiele eines TK-Konzerns und eines kleinen IT-Service-Dienstleisters zeigen.

Deutsche Telekom: Eine Plattform für 235.000 Mitarbeiter

Stephan Grabmeier, Deutsche Telekom: „Mit dem sozialen Netzwerk beginnen wir, völlig anders zu kommunizieren und anders zu arbeiten.“
Foto: Privat

Als Stephan Grabmeier vor vier Jahren zur Deutschen Telekom kam, gab es dort schon viele Web-2.0-Initiativen. Mit den Jahren sind über 200 Mitarbeiter-Blogs, eine Wiki-Plattform mit mehr als 42.000 Usern und ein direkter Kanal zu René Obermann entstanden, über den Mitarbeiter Fragen und Anliegen persönlich an den Vorstandschef richten können. Die insgesamt 46 Plattformen waren aber nicht miteinander vernetzt. Darum startete die Telekom vor einem Jahr auf Basis der Jive-Plattform ihr eigenes soziales Netzwerk, unter dessen Dach sich alle internen Social-Media-Tools finden. Bislang nutzen 44.000 der weltweit 235.000 Mitarbeiter das „Telekom Social Network".

Grabmeier, der als Head of Center of Excellence Enterprise2.0 das Thema verantwortet, ist überzeugt, dass die Web-2.0-Plattform das Unternehmen verändern wird: „Command and Control ist ein gestriger Führungsstil, heute müssen Führungskräfte Moderatoren sein. Im ‚Telekom Social Network‘ müssen sie Fragen transparent beantworten und auch mal Kritik hinnehmen. Ein soziales Netzwerk ist darum nicht nur Software, die wir nutzen, sondern wir beginnen, völlig anders zu kommunizieren und zu arbeiten." So gelte es, die Kommunikation zu verändern, Dialog statt Push heißt das Ziel. Die Kommunikationsabteilung verliert ihren Status als alleiniger Hüter und Verteiler der Information. In Umfragen fand die Telekom heraus, dass Mitarbeiter am meisten den Inhalten vertrauen, die Mitarbeiter selbst erstellen. Für Grabmeier liegt in der transparenteren Kommunikation mehr Chance als Risiko: „Die Angst vor internen Shitstorms erwies sich als unberechtigt. Bisher hat es keinen gegeben. Shitstorms passieren nur, wenn man handwerkliche Fehler macht, etwa Kommentare löscht, nicht antwortet oder die Netiquette missachtet. Die Community hat ein großes Selbstregulativ."

Wie sehr die Telekom von der Community profitieren kann, zeigt der Relaunch der HR-Intranets. Um mehr über die Anforderungen der Mitarbeiter an das Portal zu erfahren, waren sie zu einem „Jam" eingeladen. In Lauf des auf drei Tage begrenzten Online-Meetings gingen 2500 Kommentare, über 200 Abstimmungen und 93 neue Ideen ein, von denen schließlich 73 umgesetzt wurden. Der Stress bei der Einführung des HR-Intranets hielt sich laut Grabmeier in Grenzen, nicht zuletzt, weil man die Betroffenen früh einband.

Bisher ist jeder fünfte Mitarbeiter im „Telekom Social Network" aktiv. Durch Schulungen, vom Webinar bis zum Coaching von Führungskräften, sollen möglichst viele Mitarbeiter erreicht werden, so Grabmeier: „In den nächsten zwei Jahren wird sich herausstellen, ob wir die Organisation durch Enterprise 2.0 nachhaltig transformieren können oder ob Social Media einer digitalen Elite überlassen bleibt."

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Beck et al.: IT-Probleme löst die Community

Siegfried Lautenbacher, Beck et al.: „Durch Social Media wird das Gros der internen Mails überflüssig.“
Foto: Privat

Auch Siegfried Lautenbacher, Geschäftsführer von Beck et al., hat die Vorteile von Social Media für sich und sein Unternehmen längst erkannt. Seit der Münchner IT-Dienstleister die Kommunikationsplattform „IBM Connections" einführte, weiß jeder Mitarbeiter, ob in Deutschland, Brasilien oder Rumänien, woran die Kollegen arbeiten und wer Unterstützung braucht. Dateien, Links und Ideen werden online abgelegt, was das Zusammenarbeiten stark verändert, so Lautenbacher: „Wir orientieren uns weniger am Dokument, das der Einzelne bearbeitet und dann weitergibt, sondern stellen oft unfertige Inhalte in Foren, Blogs oder Wikis und bringen sie gemeinsam zum Abschluss." Um so arbeiten zu können, müsse man sich verabschieden vom Gedanken, nur ausgefeilte Dokumente weiterzugeben, und sich den Ideen der anderen öffnen. Diese Art der Zusammenarbeit mache das Gros der internen Mails überflüssig, Lautenbachers internes Mail-Volumen hat sich nach seinen Angaben auf zehn Prozent des früheren Umfangs reduziert. Auch der interne IT-Support ist bei Beck et al. durch die Social-Business-Plattform Geschichte: „Seit wir die Probleme in unsere Support-Community stellen, findet sich immer schnelle Hilfe. Einziges Regulativ ist ein ‚Community-Gärtner‘, der zweimal in der Woche unbeantwortete Anfragen mit einem Ausrufezeichen hinterlegt."

Ob in München, Rumänien oder Brasilien, die Mitarbeiter von Beck et al. wissen dank einer Social-Business-Plattform immer, woran die Kollegen arbeiten.
Foto: Beck et al

Bei Beck et al. ist die Teilnahme an der Plattform verpflichtend, und Führungskräfte sind angehalten, über wichtige Themen zu bloggen. Lautenbacher vergleicht die Social-Business-Plattform gern mit einem Biergarten. Das Bier gibt es nur von einer Stelle, aber die Besucher können zwischen Essensangeboten wählen oder sich die Brotzeit selbst mitbringen: „Wer ein soziales Netzwerk im Unternehmen nutzt, sollte wachsen lassen und zulassen statt zu kontrollieren. Regeln braucht es nur wenige, etwa, dass keine negativen Beiträge auf Profilen gepostet werden dürfen oder dass sich die Themen auf das Geschäftliche beschränken."

Knigge 2.0
Vorsicht, Blickkontrolle!
Starre nicht auf fremde Bildschirme. Verhalte dich wie an einem FKK-Strand: Persönliches geht dich hier nichts an.
Telefone in die Taschen
Lege dein Handy in Restaurants immer mit dem Display nach unten auf den Tisch. Sobald eine Tischdecke aufliegt, sollte das Telefon in der Tasche bleiben.
Alles jugendfrei?
Stelle nur Bilder ins Netz, die deine Mutter freigeben würde.
Kaffee, Keks und WLAN
Die erste "kostenfreie" Stunde WLAN in einem Café kostet mindestens einen Cappuccino und einen Muffin. Die zweite Stunde nur noch einen Schokokeks.
Manchmal muss man abschalten
Dein Handy auf Beerdigungen, Hochzeiten oder in einem Yoga-Kurs nicht auszuschalten ist genauso bedenklich wie mit starkem Husten ein Klavierkonzert zu besuchen.
Wenn's doch mal klingelt...
Entschuldige dich, bevor du mitten in einer Unterhaltung einen dringenden Anruf entgegennimmst.
Heavy Metall für alle?
Eine U-Bahn ist kein Plattenladen. Wenn du unterwegs Musik hörst, stelle sicher, dass nur du sie hören kannst.
Privatsphäre ist was Schönes
Halte mindestens drei Meter Abstand zu anderen Menschen, wenn du in der Öffentlichkeit mit dem Handy telefonierst.
Tischmanieren 2.0
Es ist in Ordnung, während des Essens eine SMS zu verschicken, solange dies alle am Tisch tun. Verwechsele jedoch nicht die Gabel mit dem Handy.
Tür zu?
Digitales Lächeln in Form von Smilies kann private Türen öffnen :), aber auch professionelle schließen :-(.