Service-orientierte Architekturen

SOA macht die HypoVereinsbank flexibler

08.07.2008 von Bettina Dobe und Wolfgang Herrmann
Mit einer breit angelegten SOA-Strategie gelang es der HypoVereinsbank (HVB), IT-Landschaften zu entflechten und schneller auf Veränderungen zu reagieren.

"Wiederverwendung, Hochverfügbarkeit und lose Kopplung waren die wichtigsten Gründe für die SOA-Initiative", berichtet Jana Bulkin vom konzerneigenen IT-Dienstleister HVB Information Services. Als Leiterin der Gruppe Enterprise Services zeichnet sie für wesentliche Teile der SOA-Infrastruktur verantwortlich. Natürlich ging es den Münchner Bankern dabei auch um Geld. Im Geschäft mit Finanzdienstleistungen verursacht die IT bis zu 20 Prozent der Gesamtkosten. Kaum eine andere Branche steht deshalb so unter Druck, die Aufwendungen des IT-Betriebs zu reduzieren.

Die SOA-Strategie der HVB entstand aus einem EAI-Programm, berichtet IT-Managerin Jana Bulkin.
Foto: Jana Bulkin

Aus diesem Blickwinkel ist nachvollziehbar, warum sich die SOA-Strategie der HVB im Jahr 2003 aus einem EAI-Programm (EAI = Enterprise Application Integration) entwickelte. Dessen vorrangiges Ziel war es, Integrationskosten zu senken. Bulkin erläutert die Dimensionen dieses Vorhabens: Allein im Bereich Commercial Banking, zu dem beispielsweise das Privatkundengeschäft zählt, nutzt das Tochterunternehmen der Unicredit Group rund 600 verschiedene Anwendungen. Weitere 300 Programme laufen im Investment-Banking. "Da gibt es Redundanzen", so die IT-Verantwortliche. Die HVB sei deshalb in Sachen SOA "nicht nach dem Lehrbuch" vorgegangen. Statt aus dem Management kam der Anstoß für das Vorhaben aus der IT-Infrastruktur. Top-down definierten die Banker hingegen die fachlichen "Building Blocks", die in SOA-Projekten anderer Unternehmen häufig unter dem Begriff Domänen firmieren.

Welchen Nutzen bringt die SOA?

Die Technik stehe für die HVB-Führungskräfte nicht im Vordergrund, betont Bulkin. Vielmehr betrachte man SOA als Business-Thema. Dementsprechend formuliert sie die Nutzeffekte der SOA. Die IT sei nun in der Lage, Anforderungen der Fachabteilungen rascher umzusetzen. Beispielsweise könne der Bereich Commercial Banking schneller neue Produkte oder Produktbündel bereitstellen. Ähnliche Erfahrungen machten die Kollegen aus dem Investment Banking beim Erschließen neuer Geschäftsmodelle. Mit Hilfe der SOA habe die HVB etwa die Euronext-Börse in Paris und die Londoner Clearing-Stelle Clearing21 angebunden. Die SOA-Infrastruktur helfe der Bank zudem, IT-Landschaften zu entflechten. Bulkin: "Dadurch entstehen neue Sourcing-Optionen." So habe der Finanzdienstleister die Wertpapierabwicklung und das Brokerage-Geschäft an die französische Caceis-Bank ausgelagert. Last, but not least verbessere die Kombination aus SOA und Business-Process-Management (BPM) die Prozessunterstützung der IT insgesamt.

Die Technik der HVB-SOA

Das Herzstück der HVB-SOA heißt HyperTube. Dahinter verbirgt sich die Idee, IT-Anwendungen nach dem Vorbild der Londoner U-Bahn miteinander zu verbinden. Analog zu den Stadteilen der britischen Metropole unterteilte das Projektteam die gesamte Bank zunächst in Building Blocks, die jeweils nur lose gekoppelt sind. Diesen ordneten die IT-Spezialisten Anwendungen zu, die die jeweiligen Geschäftsprozesse unterstützen. Bulkin: "Über die Building Blocks setzen wir Geschäft und IT miteinander in Beziehung." Als Schienennetz zwischen den Blöcken, die jeweils mit Andockpunkten versehen sind, dient der "HyperTube Enterprise Service Bus" (ESB).

Die Kommunikationsinfrastruktur des ESB ermöglicht einerseits eine technische Integration der Anwendungen, erläutert die SOA-Verantwortliche. Andererseits würden die Building Blocks damit entkoppelt: "Das bedeutet, dass ein Servicenehmer in einem Building Block nichts über die technische Implementierung des Servicegebers in einem anderen Building Block wissen muss." So könne beispielsweise ein Windows-Programm eine Mainframe-Anwendung aufrufen, ohne die technischen Besonderheiten der Zielanwendung zu kennen. Als U-Bahn-Haltestellen in den Building Blocks fungieren so genannte SOA-Frameworks. Diese stellen die fachlichen Services bereit, die wiederum auch andere Building Blocks nutzen können. An den ESB lassen sich auch Business-Process-Engines koppeln, die den (U-Bahn-)Verkehr zwischen den Building Blocks im Sinne eines Business-Process-Managements steuern.

Business-Process-Management

Dessen ungeachtet steht die HVB in Sachen Geschäftsprozess-Management noch am Anfang, wie Bulkin einräumt. Zwar definieren die Münchner sämtliche fachlichen Prozesse als ereignisgesteuerte Prozesskette (EPK) mit dem Aris-Toolset. Doch ein direktes Umsetzen vom fachlichen Modell in Programmcode, wie es einige Hersteller versprechen, ist nach ihrer Einschätzung in der Praxis nicht zweckmäßig. Mit Hilfe der Business Process Modeling Notation (BPMN) entwickle die HVB deshalb zunächst ein logisches Prozessmodell aus dem Fachmodell. Daraus lassen sich die Services identifizieren, die später von der Business Process Engine nacheinander aufgerufen werden.

Referenzarchitektur für die SOA

Um einen einheitlichen Rollout der SOA zu sichern, entwickelte die HVB frühzeitig eine Referenzarchitektur (siehe Grafik). Sie beschreibt die Service-orientierte Architektur in vier Ebenen und definiert verbindliche Standards für Architekten, Projektleiter und Entwickler. Die Verantwortung für das Referenzmodell trägt ein eigens eingerichtetes SOA-Kompetenz-Center.

Die Referenzarchitektur der HVB beschreibt eine Service-orientierte Architektur in vier Ebenen.

Welche Softwareprodukte, etwa für den ESB oder die BPM-Engine, im Backend laufen, verrät Bulkin nicht: "Ich möchte kein Marketing für einen Hersteller betreiben." Zur Strategie der HVB gehöre es, sich nicht von einem Anbieter abhängig zu machen: "Eine Migration auf eine andere Lösung muss immer möglich sein, auch wenn das Aufwand bedeutet - die Architektur lässt dies zu."

SOA 2.0 mit Event Processing?

Die nächste Evolutionsstufe der SOA wollen die Banker mit Complex Event Processing (CEP) erklimmen. Einige Analysten und Softwareanbieter propagieren einschlägige Techniken im Zusammenhang mit einer Event Driven Architecture (EDA) bereits unter dem Schlagwort SOA 2.0, einem in der Branche durchaus umstrittenen Begriff. Dahinter steht das Versprechen, eine Art Radarsystem für die Unternehmenssteuerung einzurichten. Mit Hilfe von CEP-Systemen sollen sich aus einfachen technischen Ereignissen (Events) höherwertige Business-Ereignisse, beispielsweise der Anstoß für ein Wertpapiergeschäft, ableiten lassen. Einen ersten Schritt in diese Richtung ging die HVB mit einer CEP-Maschine im HyperTube-ESB. Diese zapft zwei verschiedene Ereignisquellen im Bereich Devisenhandel an und korreliert die Events. Die Ergebnisse können Disponenten oder Devisenhändler über ein BAM-Dashboard (BAM = Business Activity Monitoring) verfolgen.

Hürden auf dem Weg zur SOA

Als größte Hürden auf dem Weg zur SOA nennt Bulkin das "Management Commitment auch in schlechten Zeiten". Zwar sei die Geschäftsführung der HVB Information Services von Anfang an hinter der SOA-Initiative gestanden. Doch beim internen Kunden, sprich den Führungskräften der Bank, mussten die Protagonisten viel Überzeugungsarbeit leisten. Dabei half ein Business-Plan, den die SOA-Expertin erarbeitete. Danach sollten sich die Investitionen in die Architektur innerhalb von drei Jahren rechnen. Bulkin: "Das haben wir bereits nach zwei Jahren geschafft. Kosteneffekte lassen sich beispielsweise durch Einsparungen in der Infrastruktur nachweisen." Ein Hindernis ganz anderer Art stellen die mangelnden SOA-Kenntnisse dar. "SOA-Experten sind auf dem Markt schwer zu finden", berichtet Bulkin. Die HVB holte deshalb auch externe Dienstleister wie Steria Mummert Consulting ins Boot.

Das oft propagierte Thema Wiederverwendung von fachlichen Services spielt auch für die Banker eine tragende Rolle. Laut Bulkin sind derzeit rund 40 wiederverwendbare Softwareservices in Betrieb, die zum Teil auch mehrfach genutzt werden. Doch die Anwendungsentwickler begönnen gerade erst, den Mehrwert der Service-Infrastruktur zu erkennen. Die Softwareentwicklung gehört nach ihrer Erfahrung ohnehin nicht zu den Kernproblemen in SOA-Projekten. Vielmehr gelinge es zu selten, den Business-Nutzen deutlich zu machen: "SOA wird immer noch viel zu technisch kommuniziert."

Mehr zum Thema SOA und Business-Process-Management finden Sie im CW-Experten-Blog SOA meets BPM.