So werden Web-Services zum Erfolg

29.01.2004 von Katharina Friedmann
MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Viele Firmen werden in diesem Jahr kundenorientierte Web-Services produktiv schalten. Eine Reihe von Tipps, die Forrester Research aus der Unternehmenspraxis zusammengetragen hat, sollen helfen, Dienste zu entwickeln, die auch tatsächlich genutzt werden.

Wer kundenorientierte Web-Services kreieren will, die auch genutzt werden, muss einiges an Vorarbeit leisten.   Foto: Photodisc

Mehr als die Hälfte (57 Prozent) von rund 70 US-amerikanischen Firmen, die das Marktforschungsinstitut Forrester Research kürzlich befragt hat, planen, noch im laufenden Jahr Web-Services für externe Anwendungen einzusetzen. Mit "kundenorientierten" Web-Services sind Dienste gemeint, die unternehmensextern abgerufen werden. Der Zeitpunkt ist günstig, denn die 170 Mitglieder starke, unter der Ägide von Microsoft und IBM ins Leben gerufene Web Services Interoperability Organization (WS-I) hat im vergangenen Jahr mit "Basic Profile 1.0" den kleinsten gemeinsamen Nenner für die plattformübergreifende Implementierung und Nutzung von Web-Services definiert sowie eine Beispielimplementierung und entsprechende Testwerkzeuge veröffentlicht. Die Umsetzung von WS-I erfolgt allerdings erst in der neuesten Version der J2EE-1.4-kompatiblen Server. Bis diese entsprechende Verbreitung gefunden haben, dürfte es noch eine Weile dauern. Die entscheidende Frage ist jedoch: Werden die

Kunden die künftigen Angebote auch wahrnehmen? Wer seine diesbezüglichen Chancen erhöhen will, sollte die folgenden Anregungen beherzigen.

Web-Services sollten auf der Hand liegende Geschäftsprobleme lösen. Je schmerzhafter und eindeutiger das Problem, desto bereitwilliger wird der Kunde das Web-Service-Angebot annehmen, anstatt auf ein Handbuch oder eine proprietäre Option zuzugreifen. So nutzt Amazon.com beispielsweise Web-Services als Programmier-Schnittstelle für Anwendungen von Händlern.

Web-Services sollten die Produktivität des Kunden erhöhen. Die besten Web-Services sparen dem Kunden Zeit und Geld, gewähren aber gleichzeitig mehr Flexibilität. Ein Krankenhausnetz in Washington beispielsweise, das seinen Ärzten die Laborberichte via Web-Service direkt zukommen lässt, statt das Reporting-Personal im hauseigenen Call-Center aufzustocken, erfüllt damit bereits drei wesentliche Erfolgskriterien: einen schnelleren Turnaround, kostengünstigere Lieferung und bequemen Zugriff.

Web-Services sollten sich ohne Modifikationen von vielen Kunden nutzen lassen. Wenig ratsam ist es, einen Service anhand der Spezifikation des Erstkunden zu erstellen und diesen dann sukzessive den Anforderungen der jeweiligen Folgeklientel anzupassen. Besser ist es nach Meinung von Forrester, sich im Vorfeld eingehend mit vier Kunden aus unterschiedlichen Segmenten zu befassen, um zu verstehen, welche Daten und Prozesse für sie wichtig sind. Dank dieser Vorarbeit konnte etwa das amerikanische Online-Auktionshaus Ubid Web-Services kreieren, die viele Auktionsanbieter sofort - ohne dass die Funktionsweise des Dienstes angepasst werden musste - für das Posting ihrer Inventare nutzen konnten.

Empfehlungen für Business-Manager

Wer Business-Web-Services für geschlossene Benutzergruppen (Kunden, Lieferanten) anbieten will, sollte laut Forrester die folgenden Ratschläge zur Erstellung geschäftsorientierter Dienste befolgen:

Die Geschäftsintegration im Fokus . In den vergangenen vier Jahren sind Web-Services als Mittel der Geschäftsintegration wesentlich hilfreicher geworden. Das ist nicht zuletzt Unternehmen wie Southwest Airlines, Amazon.com und dem Autofinanzierungskonsortium Routeone zu verdanken, die Web-Services nutzten, um ihre B-to-B-Geschäftsmodelle zu realisieren. So lassen sich viele E-Business-Projekte, die bereits 1999 angegangen wurden, dank ausgereifter und kostengünstiger Technik heute endlich realisieren.

Einfache Web-Services - für Topkunden und Partner kostenlos. Diese Zuwendung nach dem Motto "Keep it free and simple" hilft, Berührungsängste auf Seiten des Kunden abzubauen, indem sie dessen Business Case vereinfacht, Sicherheit und Vertrauen gibt, aber auch als Starthilfe fungiert. Wer seinen besten Kunden und Partnern etwa die Auftragsstatusabfrage oder einen Preis- und Verfügbarkeits-Check kostenlos ermöglicht beziehungsweise Einblick in den Produktionszeitplan gewährt, legt die Karten offen und verhindert Fehlinvestitionen. Der Bonus für den Anbieter: Der Kunde wird verstärkt den elektronischen anstelle des teuren manuellen Informationskanals nutzen. So lässt etwa Harley Davidson seinen Partner Ticketmaster via Web-Service wissen, wenn ein Ticket-Käufer ein Mitglied der Harley-Davidson Owner's Group (HOG) ist und somit einen Rabatt verdient. Mit der Zeit wird der Umgang mit der Technologie in den Geschäftsalltag einsickern. Zudem

gibt die intensive Nutzung dieser Dienste Aufschluss über weitere Bedürfnisse von Kunden und Lieferanten.

Vor der Erstellung bezahlter Web-Services Analysen vornehmen. Firmen mit etablierten elektronischen Kanälen verfügen bereits über bewährte Preis- und Billing-Mechanismen für Web-Services, nach denen üblicherweise jede abgeschlossene Transaktion berechnet wird. Da es sich bei vielen neuen Diensten nicht um Transaktionen handeln wird, sind jedoch andere Abrechnungsmethoden erforderlich. Die lassen sich aber nicht aus dem Ärmel schütteln - hier müssen Marktanalysen vorgeschaltet und Erfahrungen berücksichtigt werden. Nur so lässt sich herausfinden, was Kunden etwa für die Abfrage eines Auftragsstatus oder für den elektronischen Zugriff auf einen Laborbericht zu zahlen bereit sind. Zudem ist bei der Suche nach dem geeigneten Preismodell stets die Komplexität hinsichtlich der Servicemessung und Berechnung zu berücksichtigen - und eine überraschend hohe Nachfrage in Betracht zu ziehen: So übertraf etwa die

monatliche Nutzung des ersten Web-Service von Supply-Chain-Visibility-Anbieter Bridgepoint die Erwartungen um den Faktor 500.

Die Kunst des wiederverwendbaren Geschäftsdokuments. Ein guter geschäftsorientierter Web-Service ähnelt eher einer Bestellung als einem Funktionsaufruf. Für Business- und IT-Manager gilt es daher, zunächst die Bedürfnisse ihrer Kunden zu eruieren und diese mit den Daten, Prozessen und Geschäftsanforderungen von drei weiteren potenziellen Kunden abzugleichen. Nur so lässt sich ein Dienst kreieren, der es letztendlich mit 80 Prozent der Anfragen aufnehmen kann. Es ist darauf zu achten, dass der Service alle zur Verarbeitung einer Anfrage notwendigen Informationen enthält, für das Billing und Reporting entsprechend ausgerüstet ist und mit Ausnahmefällen zurechtkommt.

Geschäftssinn statt Paranoia. Web-Services stellen kritische Geschäftsdaten online zur Verfügung, was Sicherheitsverantwortlichen in der Regel Bauchschmerzen bereitet. Die Furcht, diese Informationen könnten in die falschen Hände geraten, verhindert jedoch häufig klares und ökonomisches Denken hinsichtlich der Risiken. Diese Angst erinnert an die einstigen Vorbehalte gegen die Bezahlung via Kreditkarte beim Online-Kauf. Tatsache ist jedoch, dass sich Web-Services für vertrauenswürdige Kunden und Lieferanten innerhalb eines "Invitation-only-Netzes" mit derselben Technik sichern lassen wie Firmen-Sites. Anstatt einen Dienst aufgrund von Sicherheitsbedenken bereits im Vorfeld sterben zu lassen, wird der kluge Business-Manager gewisse Security-Risiken unter "Ausgaben " in den Business-Case einkalkulieren.

Leistungsmessung und Steuerung - für Web-Services ein Muss. Was nutzt ein Service, dessen Performance sich nicht messen oder kontrollieren lässt? Wenn etwa Informationen zum Lieferstatus via Internet in das Beschaffungs-Alarmsystem des Kunden gelangen, kann man sich schließlich nicht mehr auf den Mitarbeiter im Warenhaus verlassen, der einen bisher von einer kritischen Lieferverzögerung in Kenntnis gesetzt hat. Entsprechend muss bei der Entwicklung eines Web-Service auf Transparenz, Berechenbarkeit und unmittelbare Kontrollmöglichkeiten geachtet werden. Folgende Fragen sollten sich nach Inbetriebnahme des Dienstes beantworten lassen: Wer nutzt den Service? Wie hoch ist die Zahl der Anfragen? Wie viele Requests sind erfolgreich, wie viele scheitern? Ein Teil des Budgets ist demnach für die Entwicklung von Kontrollwerkzeugen einzuplanen.

Empfehlungen für IT-Professionals

Business-Web-Services verkörpern neue Technologien. Deshalb müssen IT-Professionals und Manager gemeinsam Details wie Servicedefinition, Betriebsmetriken und Geschäftskontrollmechanismen zu jedem Projekt liefern. Für IT-Profis gilt es zudem, die einzelnen Disziplinen einer serviceorientierten Architektur sowie die neue Infrastrukturtechnik zu beherrschen, um den künftigen XML-Verkehr zwischen Applikationen - und Unternehmen - zu sichern, zu kontrollieren und zu verwalten. Hierzu folgende Tipps aus der Unternehmenspraxis:

Ein Web-Service-Framework und einen Design-Review-Prozess etablieren. Da Web-Services via Internet geliefert werden, kann es nach deren Fertigstellung sehr schnell zur weit verbreiteten Nutzung kommen. Um dieser Akzeptanzkurve Rechnung zu tragen und Entwicklern und Projektleitern ein Toolkit an die Hand zu geben, das jeden Dienst in einer durchgehend serviceorientierten Architektur hält, sollte sich das Web-Services-Team an das WS-I-Basic-Profile halten und auf die Testapplikation stützen, die die Organisation noch in diesem Quartal herausgeben will. So lässt sich WS-I-Konformität gewährleisten und das reibungslose Zusammenspiel zwischen Web-Services sicherstellen.

Templates - intern und extern. Für interne und externe Web-Services sollten unterschiedliche Templates verwendet werden. Der Grund: Interne Services erfordern meist nicht dasselbe Maß an Sicherheit und Kontrollierbarkeit wie externe Dienste, die sich an Lieferanten oder Kunden richten. Lydian Trust, Back-Office-Provider von Lending Tree, einem Online-Marktplatz für Finanzdienstleistungen, verwendet beispielsweise neben einem rein internen Template ein erweitertes externes für Business-Web-Services jenseits der Firewall.

Entwicklerportal als Hilfestellung während der Designphase einrichten. Über eine solche Site lassen sich Entwickler-Tools wie Templates leichter zur Verfügung stellen und der Review-Prozess definieren. Nicht fehlen sollte zudem eine Reihe von Services, die die einzelnen Vorgehensweisen erklären, ein Leitfaden für Templates sowie ein Soap-Client, der sich zum Testen der Services herunterladen lässt.

Eine Web-Services-Plattform als Grundlage. Da geschäftsorientierte Web-Services eine neue Applikationsschicht benötigen, können und sollten sie in einem eigenen Software-Tier laufen. Um in Sachen Skills, Werkzeuge und Server größtmögliche Konsistenz zu gewährleisten und das jeweilige Leistungspotenzial voll auszureizen, sollten sich IT-Shops auf eine Web-Services-Plattform - etwa von Bea, IBM, Microsoft, Oracle, Sun, Webmethods oder SAP - beschränken. All diese Anbieter können auf ihren Systemen Web-Services-Applikationen hosten - wenn auch teilweise mit sehr unterschiedlichen Architekturen. Am einfachsten ist es, diejenige Plattform zu wählen, die auch den hauseigenen Web-Applikationen als Basis dient.

Toolkits für die Basiserweiterung. Viele Anbieter liefern spezielle Werkzeugkästen, mit denen sich die Lücken in Web-Services-Plattformen stopfen lassen. Ein sinnvolles Ranking dieser Spezialanbieter ist derzeit noch nicht möglich. Daher bietet es sich an, sich auf diejenigen zu beschränken, die starke Partnerschaften mit dem Lieferanten der gewählten Web-Services-Plattform unterhalten, und nach entsprechenden Referenzen zu fragen.