Nach dem bahnbrechenden Erfolg von iPad und iPad 2 hat auch der Hersteller RIM mit dem Blackberry Playbook ein Tablet herausgebracht - zumindest in Nordamerika, wo das 7-Zoll-Gerät seit Ende April verfügbar ist. Um aus dem breiten Angebot an Tablets hervorzustechen - seit Jahresbeginn wurden zirka 80 Devices von mehr oder weniger bekannten Herstellern vorgestellt, haben die Kanadier dabei weder Kosten noch Mühen gescheut: Die Vorderseite des Flachmanns ist etwa voll verglast, wobei den besonders hoch auflösende Touchscreen (1024 mal 600 Pixel) von einem schwarzen, ebenfalls berührungsempfindlichen Rahmen umgiebt. Dieser ist Teil des Bedienkonzepts: Wischt man von unten nach oben, verkleinert das Playbook die aktuelle Anwendung und zeigt das Hauptmenü an. Ein Wisch in die andere Richtung - von oben nach unten - klappt das Konfigurationsmenü der jeweiligen Anwendung herunter, sofern vorhanden. Die Rückseite des Playbooks ziert dagegen eine griffige Gummibeschichtung.
Der Bildschirm selbst ist in drei Bereiche unterteilt: Oben befindet sich die Statusleiste, in der beispielsweise Uhrzeit, Batterieladung und eingehende E-Mails angezeigt werden. In der Mitte werden die verkleinerten Ansichten der gestarteten Apps angezeigt . Darunter sind die Menüs zu finden, diese teilen sich in Alle, Spiele, Medien, Favoriten und BlackBerry Bridge auf. Allgemein ist zu beachten, dass man das Playbook - zumindest nach Vorstellung von RIM - hauptsächlich quer hält, anders als etwa das Galaxy Tab oder das iPad / iPad 2.
Hardwareausstattung und QNX-OS
Das Playbook verfügt über vier Schalter: einen Ein-/Ausschalter, jeweils eine Taste für lauter und leiser sowie einen Bedienknopf für Abspielen/Pause. Auf der Vorder- und Rückseite ist jeweils eine Kamera angebracht - vorne mit drei Megapixeln, hinten mit fünf Megapixeln Auflösung. Außerdem findet sich dort noch der Anschluss für Kopfhörer und Headset. Auf der gegenüberliegenden Seite, am unteren Ende des PlayBooks, sind die weiteren Anschlüsse angebracht: Neben Micro-USB finden sich dort der Anschluss für Mini-HDMI sowie Kontakte für künftige Adapter.
Im Inneren des PlayBooks arbeitet aktuelle Hardware: Dem Dual-Core-Prozessor mit 1 GHz Taktfrequenz steht 1 GByte Arbeitsspeicher zur Seite. Zum Speichern von Daten warten je nach Modell 16, 32 oder 64 GByte auf den Nutzer. Jedes PlayBook verfügt über Bluetooth mit 2.1 + EDR sowie Wi-Fi, das im 2,4- und 5-GHz-Band arbeitet. Unterstützt wird WLAN 802.11 a/b/g/n, GPS ist ebenfalls integriert.
Aktuell gibt es noch keine Modellvariante mit 3G oder LTE - entsprechende Versionen sollen aber folgen. Das ist auch kein schlechter Zug: Solange kein Mobilfunkprovider involviert ist, kann RIM Updates veröffentlichen, ohne dass die Provider diese zusätzlich absegnen und so die Auslieferung verzögern können. Hintergrund ist, dass RIM erstmals auf QNX als Betriebssystem setzt. Der Hersteller hat das auf Embedded-Systeme spezialisierte Betriebssystem 2010 akquiriert.
QNX ist alles andere als ein neues Betriebssystem - es gilt als robust und kommt beispielsweise in Fahrzeugen von Audi, Porsche oder BMW, im Cisco-CRS-1-Carrier-Router und sogar in Nuklearanlagen zum Einsatz. Die Benutzeroberfläche reagiert schnell und sieht noch dazu gut aus - sie entstand in Kombination mit Adobe, die Flash-Technologie ist Bestandteil des kompletten Betriebssystems.
Bei der Akku-Laufzeit bleibt das PlayBook hinter dem iPad zurück: RIM nennt zwar offiziell noch keine Laufzeit, aus der Praxis lässt sich aber sagen, dass das PlayBook etwa sechs Stunden durchhält. Die Lebensdauer des Akkus verringert sich noch mehr, wenn WLAN und Bluetooth samt BlackBerry Bridge aktiv sind.
Browser, Office, Multimedia
Größtes Manko von Apples iPad / iPad 2 und vielen Android-Tablets ist die fehlende oder schwache Flash-Unterstützung im Browser. Das Playbook teilt diese Schwäche nicht: Der Browser ist nicht nur schnell, er kann neben Flash-Inhalten auch JavaScript ausführen. Allerdings gibt es dabei immer wieder Probleme, Genaueres dazu lesen Sie im Kapitel "Schattenseiten". Dazu kommt die Unterstützung für Tabbed Browsing. Im Test konnten wir mehr als 30 Tabs öffnen, ohne dass das Gerät merklich langsamer wurde. In den Browser integriert ist ein privater Modus, wie ihn etwa auch aktuelle Desktop-Browser bieten.
Für den Office-Bereich sind sowohl Adobe Reader als auch die Premiumversionen von Word-, Sheet- und Slideshow to Go installiert. Die Programme stammen von DataViz, einer Firma, die RIM 2010 gekauft hat. Damit lassen sich Office-Dokumente in Formaten wie *.doc oder *.docx nicht nur anzeigen, sondern auch gleich bearbeiten. Besonders praktisch in Slideshow to Go: Die Software unterstützt den HDMI-Ausgang des PlayBooks. So kann man auf einem Bildschirm die Präsentation anzeigen, während man auf dem Tablet die Wiedergabe steuern und die jeweiligen Notizen zu den einzelnen Folien einsehen kann. Das klappt mit allen HDMI-fähigen Geräten und benötigt glücklicherweise keinerlei Treiberinstallation.
Die HDMI-Ausgabe funktioniert auch mit dem integrierten Video-Player. Das PlayBook erweist sich als sehr leistungsfähig, selbst HD-Inhalte mit 1080p kann das Gerät ohne Ruckeln auf einem anderen Gerät wiedergeben. Zu den unterstützten Formaten gehören AVI, WMV, H.264 und MPEG4.
Auch Musik spielt das Tablet ab, wobei der integrierte Player ein wenig umständlich zu bedienen ist und beispielsweise nur eine Playlist zulässt. Hier bleibt zu hoffen, dass RIM nachbessert oder Dritthersteller entsprechende Player liefern - wie es ja beispielsweise bei Android inzwischen auch der Fall ist.
E-Mail, Kontakte, PIM: die BlackBerry Bridge
Bereits während des Einrichtungsvorgangs schlägt das Tablet vor, eine Paarung mit einem Blackberry-Smartphone einzurichten. Diese Funktion nennt sich BlackBerry Bridge. Die Bridge verwandelt das Playbook effektiv in einen Thin Client, mit dem man bestimmte Funktionen des Smartphones nutzen kann. Dazu gehören beispielsweise E-Mail, Kontakte, Blackberry Messenger, Aufgaben oder Notizen. Um die Bridge nutzen zu können, ist auf Blackberry Smartphone eine separate App notwendig. Diese ist für nahezu alle Smartphones verfügbar, die mindestens über Version 5.0 des Betriebssystems verfügen. Alle kompatiblen Geräte sind hier aufgeführt.
Das Bridge-System bringt mehrere Vorteile: BlackBerry-Besitzer müssen, abgesehen von einem Bluetooth-Pairing, keinerlei Konfiguration vornehmen, um auf die E-Mails zugreifen zu können. Firmen profitieren dagegen von dem verringerten Managementaufwand. Die Daten sind nur zugänglich, solange eine aktive Verbindung zum jeweiligen BlackBerry besteht. Reißt diese ab, werden alle Funktionen gesperrt. Mit Ausnahme eines verschlüsselten Caches sind keine Informationen auf dem Tablet gespeichert - selbst wenn das PlayBook also verloren geht, sind sensible Daten wie E-Mails oder Kontakte nicht zugänglich. Ein Austausch von Dateien zwischen Bridge und restlichem Speicherbereich ist, mit Ausnahme der Dokumentenbearbeitung, nicht vorgesehen.
Mit der Bridge kann man nicht nur auf die PIM-Funktionen und den BlackBerry Messenger zugreifen, sondern erhält zudem den Bridge Browser. Dieser unterscheidet sich in einer zentralen Option vom regulären Browser: Er nutzt den BlackBerry als Proxy und setzt auf dessen Datenverbindung, um ins Web zu gelangen. Der positive Nebeneffekt: Das PlayBook wird zum Teil des Unternehmensnetzwerks und kann auf Intranet-Ressourcen hinter der Firewall zugreifen - immer vorausgesetzt, dass auch der BlackBerry die jeweiligen Zugriffsrechte besitzt.
Der größte Vorteil der Bridge ist zugleich ihr Nachteil: Ohne BlackBerry-Smartphone verliert das PlayBook zahlreiche Funktionen, schließlich ist beispielsweise kein anderer E-Mail-Client vorinstalliert. Die konstante Bluetooth-Verbindung fordert zudem ihren Tribut, die Akkus vom Smartphone und dem Tablet werden dadurch zusätzlich belastet.
IT-Verwaltung - Playbook Administration Service und Project Fuse
Die Verwaltung des PlayBook ist in mehreren Schritten geplant: Zunächst wird es ein Update für den BES geben, mit dem sich lediglich definieren lässt, ob die Bridge-Funktion erlaubt ist oder nicht. Zusätzlich kann man die integrierte Log-Funktion abschalten.
Im Rahmen der Konferenz Blackberry World wurden für den Sommer 2011 auch native E-Mail- und PIM-Apps angekündigt. Diese verwandeln das Tablet effektiv in einen BlackBerry, komplett mit Zugriff auf BIS oder BES sowie der Möglichkeit der Administration.
Sobald diese Dateien verfügbar sind, will RIM einen separaten Managementserver für PlayBooks veröffentlichen; er nennt sich PlayBook Administration Service. Wie der BES Express Server wird diese Software kostenlos und ohne Lizenzkosten zu haben sein. Anfangs werden laut RIM Microsoft Exchange und Lotus Domino als Serverumgebung unterstützt. Damit werden "richtige" Richtlinien, eine Nutzerverwaltung, eine App-Verwaltung sowie die Enterprise-Aktivierung möglich.
Zeitnah soll zudem die nächste Version des BES folgen, der aktuelle Codename dafür ist Project Fuse. Der neue Server soll Playbooks und Smartphones unter einer Oberfläche verwalten können. Möglicherweise ist auch die Verwaltung von Android- und iOS-Geräten möglich, zumindest kündigte RIM die Übernahme des Münchner Managementanbieters Ubitexx an. Dessen Lösung soll künftig in die Produkte des kanadischen Herstellers integriert werden.
Schattenseiten, Early-Adopter-Probleme und Kinderkrankheiten
In der Praxis klappt die Flash-Wiedergabe zwar meistens, sie ist deutlich besser als bei vielen anderen Tablet-Browsern oder bei Apps wie Skyfire. Allerdings sind hier Grenzen gesetzt: Während beispielsweise Videos von TecChannel, PC-Welt oder Computerwoche problemlos wiedergegeben werden, gibt es bei komplexeren Seiten wie der Mediathek des ZDF Probleme. Ähnliches gilt für Video-Streaming-Seiten: Vimeo klappt sehr gut, YouTube machte im Test zeitweise Probleme. Zwar liefert RIM eine spezielle YouTube-App - eleganter wäre es aber, die Videos direkt im Browser zu sehen.
Anders dagegen, wenn die Videos in einer Seite wie Facebook eingebettet sind - dann klappt die Wiedergabe meist problemlos. Ein Grund dafür könnte der massive Verbrauch von RAM sein - sobald man die Videos lädt, geht der zur Verfügung stehende Speicher deutlich nach unten, über die Einstellungen und den Punkt Hardware lässt sich das überprüfen. Auch komplexe Flash-Anwendungen wie Grooveshark lassen sich nicht starten. Der Browser ist zudem nicht immer stabil: Im Test stürzte er öfter ab, vor allem wenn wir versuchten, auf aufwendige Seiten zuzugreifen.
Nach einem Neustart waren einige Webseiten, beispielsweise die ZDF Mediathek, dagegen problemlos abrufbar - der Browser verschlingt dann allerdings fast 200 MByte des Arbeitsspeichers. Es liegt also nahe, dass es teilweise zu wenig Arbeitsspeicher gibt, vor allem, wenn mehrere Programme gestartet wurden oder im Hintergrund laufen.
Early Adopter leiden zudem unter regionalen Beschränkungen. So hat ein in den USA aktiviertes PlayBook im Test beispielsweise einen komplett anderen Podcast-Katalog als ein in Deutschland aktiviertes Gerät. Auch andere Applikationen, etwa Slacker Radio, arbeiten hier nicht. Die App World scheint aktuell (noch) nicht beeinträchtigt zu sein, zumindest wichtige Apps wie Facebook sind allen Nutzern zugänglich.
Das PlayBook hat zudem das Problem aller neuen Plattformen: Die Auswahl an verfügbaren Apps ist nicht besonders groß, die Qualität größtenteils eher mittelmäßig. Es gibt einige Ausnahmen, etwa Facebook, FourPlay (ein Foursquare-Client) oder Scrapbook.
Android-Apps, wie von RIM angekündigt, laufen noch nicht auf dem PlayBook. Allerdings soll im Sommer 2011 ein Software-Update für die Integration der Android-Apps sorgen. Die Apps werden dann laut RIM über den normalen App Store installiert. Optisch wird es keinen besonderen Unterschied geben.
Fazit: Gute Ansätze, aber nicht perfekt
Nein, RIM schafft es nicht, im ersten Anlauf ein perfektes Tablet zu veröffentlichen. Dennoch ist das Playbook alles andere als ein Ladenhüter. Die Hardware kann sich durchaus sehen lassen, QNX als Betriebssystem ist ebenfalls eine stabile und gute Wahl.
Es bleibt zu hoffen, dass RIM die Softwareprobleme, vor allem beim Browser, in den Griff bekommt. Bislang sieht es dafür allerdings recht gut aus: Zum Testzeitpunkt war die Version 1.0.3.1868 installiert, das zweite Update für das Tablet seit dem Kauf. Diese Firmware behebt viele Mankos, die RIM in früheren Versionen angekreidet wurden: Beispielsweise ist nun eine Video-Chat-App installiert, und das Büropaket kann Office-Dokumente, die per BlackBerry Bridge auf dem Tablet geöffnet wurden, bearbeiten und neu abspeichern.
Vor allem in Kombination mit einem BlackBerry-Smartphone ist das Playbook bereits jetzt ein praktisches Tablet - kein anderer Hersteller schaffte bislang eine derart gute Integration von Smartphone und Tablet. Unternehmen profitieren von der sicheren Infrastruktur - auch diese kann kein anderes Smartphone und kein anderes Tablet derzeit bieten. So ist das PlayBook in der Lage, nahezu ohne Konfiguration auf Daten hinter der Firewall des Unternehmens zuzugreifen, E-Mails sicher anzuzeigen sowie Office-Dokumente zu bearbeiten. RIMs Tablet besticht zudem durch ein sehr gutes Display und angenehme Haptik.
Sobald man das PlayBook länger nutzt und in den Menüs stöbert, zeigen sich auch zahlreiche kleine und clevere Funktionen. Ein gutes Beispiel für die gelungene Integration ist, dass auf dem BlackBerry gespeicherte WLAN-Verbindungen auf das PlayBook übertragen werden. Anschließend kann sich das Tablet sofort mit den bekannten Wi-Fi-Zugangspunkten verbinden. Eine andere clevere Funktion findet man im Menü Tethering: Das PlayBook kann mithilfe von Bluetooth und Profilen wie DUN ein gepaartes Smartphone als Modem nutzen - in nur drei Schritten war das Tablet über das Smartphone mit dem Internet verbunden.
Es bleibt zu hoffen, dass zum Start des PlayBooks in Deutschland im Laufe des zweiten Quartals 2011 die Softwareprobleme bereits behoben sind. Versprochen hat der kanadische Konzern, spätestens alle zwölf Wochen ein neues Update zu liefern. Im Sommer 2011 sollten dann auch die Android-Apps auf dem PlayBook laufen. Interessant ist auch der Preispunkt: Ähnlich wie das Apple iPad 2 kostet es zwischen 499 und 699 US-Dollar; es ist davon auszugehen, dass sich auch in Deutschland die Preise ähneln. (mb)
Anhang: Technische Daten
Hersteller |
Research in Motion |
Produkt |
BlackBerry PlayBook |
Preis (unverbindliche Preisempfehlung) |
499 bis 699 US-Dollar plus Steuern |
Garantie des Herstellers |
24 Monate |
Prozessor |
Texas Instruments OMAP 4430, 32 Bit, 1 GHz Taktfrequenz |
Maße (L x B x H) |
19,4 x 13 x 1,0 Zentimeter |
Gewicht (mit Akku) |
425 Gramm |
Betriebssystem |
QNX Neutrino |
Integrierter Datenspeicher |
16 bis 64 GByte |
Wireless-LAN / Bluetooth / UMTS / GPS |
802.11n / 2.1 + EDR / nein / ja |
USB |
Micro-USB |
VGA |
Nein |
HDMI |
Micro-HDMI |
Kartenleser |
Nein |
Einschub für SIM-Karte |
Nein |
Kamera |
Ja, Rückseite, 5 Megapixel |
Internetkamera |
Ja, Vorderseite, 3 Megapixel |
Dockinganschluss |
1 |
Audioausgang |
1 |
Audioeingang |
- |
Mikrofon |
Ja |
Lieferumfang |
Benutzerhandbuch (Englisch); Netzteil, USB-Kabel |
Lagesensor / Lichtsensor |
ja / ja |
Spracheingabe / Flugzeugmodus |
Nein / Nein (manuelles deaktivieren von Bluetooth/WLAN) |
E-Mail-Zugang: POP3 / Imap / Exchange |
Nein, nur BlackBerry Bridge |
Dieser Beitrag basiert auf einem Artikel der Schwester-Publikation Tecchannel.de.