Potenzialmanagement

So können Sie die Mitarbeiterproduktivität steigern

07.09.2014 von Christiane Pütter
Mehr aus den Mitarbeitern herausholen - glaubt man Brigitte Herrmann, geht das mit Potenzialmanagement. Ihr Tipp an Chefs: den Mitarbeiter ruhig einmal fragen, wie es ihm geht.

Ein neues Versprechen für mehr Mitarbeiterproduktivität und -bindung nennt sich Potenzialmanagement. Brigitte Herrmann war 15 Jahre lang als Headhunterin tätig und arbeitet jetzt als Coach und Beraterin. Sie sprach mit computerwoche.de über Potenzialmanagement.

Frau Herrmann, was kann man sich unter Potenzialmanagement vorstellen?

Brigitte Herrmann hat lange als Headhunterin gearbeitet und ist jetzt Beraterin.
Foto: Brigitte Herrmann

Brigitte Herrmann: Die Definition ist nicht ganz eindeutig und gibt den Entscheidern in den Unternehmen damit einen gewissen Interpretationsspielraum. Grundsätzlich bedeutet Potenzialmanagement das Erkennen und gezielte Freisetzen des Potenzials eines Menschen im Rahmen von Personalauswahl und Mitarbeiterentwicklung. Dabei geht es immer darum, Fähigkeiten der Entwicklung aufzuzeigen und noch nicht ausgeschöpfte Möglichkeiten zu entdecken.

Was genau wollen Unternehmen bei einer Potenzialanalyse ihrer Mitarbeiter herausfinden?

Herrmann: Unternehmen wollen die Möglichkeiten eines Mitarbeiters jenseits seiner bekannten fachlichen Qualifikationen eruieren. Hat er das Potenzial zur Führungskraft? Wo liegen seine spezifischen Stärken und Interessen? In welchen Bereichen hat er beispielsweise in seiner Freizeit Erfahrungen gesammelt, die dem ganzen Team oder einem Projekt nutzen? Solche Fragen stehen im Vordergrund. Man will den Radius erweitern.

In jedem Mitarbeiter sind oft ungeahnte Potenziale vorhanden, die auch für Unternehmen gewinnbringend sein können.
Foto: autofocus67 - Fotolia.com

Wie kommt es, dass das Thema Potenzialmanagement so in den Fokus gerückt ist?

Herrmann: Das mag damit zu tun haben, dass zurzeit sehr publikumswirksam über Fachkräftemangel gesprochen wird. Wobei man diesen ja auch ganz anders betrachten kann - es hat Gründe, warum sich Menschen bei bestimmten Unternehmen nicht bewerben. Aber ich beobachte, dass Unternehmen sensibler werden. Sie fragen sich, wo sie Stellhebel haben, um Mitarbeiter zu binden oder neue zu gewinnen.

Arbeitgeber 14
Die Traumarbeitgeber der angehenden Informatiker...
...sind IT-Firmen, Forschungsinstitutionen, Autokonzerne oder Internet-Firmen. Die Berliner Marktforscher von Trendence haben mehr als 6.100 Informatikstudenten aus ganz Deutschland befragt, wo sie gern arbeiten möchten. Hier die 30 attraktivsten Arbeitgeber 2014.
Softwarehersteller Adobe...
.., hier das Büro in Hamburg, landete ebenfalls auf dem 29. Platz.
Platz 28: Max-Planck-Gesellschaft
Forschungsinstitutionen wie die Max-Planck-Gesellschaft stehen seit jeher hoch im Kurs unter Informatikstudenten.
Platz 26: EADS
Der Konzern mit seinen Töchtern Airbus, Eurocopter, EADS Astrium und EADS Defence & Security landete vor zwei Jahren noch auf Platz 22.
Ebenfalls auf Platz 26: Das Deutsche Zentrum für Künstliche Intelligenz (DKFI)
..in Saarbrücken behauptet sich seit Jahren in den Top 30 der beliebtesten IT-Arbeitgeber. Forschungseinrichtungen ziehen insbesondere die 25 Prozent Besten eines Jahrgangs an.
Platz 25: Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)...
....sucht "große Lösungen für große gesellschaftliche Probleme der Zukunft", sagt CIO Hans-Joachim Popp. Dazu zählen neue Energiespeicher, das Weltklima oder die Verkehrsforschung und die Raumfahrt.
Platz 24: Nvidia..
..einer der größten Entwickler von Grafikprozessoren und Chipsätzen für Computer und Spielkonsolen ist erneut unter den Top 30 gelandet.
Platz 23: Lufthansa Systems..
...gehört zu den großen IT-Dienstleistern in Deutschland. Das Unternehmen will aber seine Rechenzentren verkaufen.
Platz 22: Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI)
Im Vorjahr landete das BSI noch auf Platz 17.
Platz 21: Die Deutsche Telekom...
ist einer der Hauptsponsoren des FC Bayern, für die Informatiker gehört er schon lange nicht mehr zu den zehn attraktivsten Arbeitgebern.
Platz 19: Intel
Der Prozessorhersteller hat in Deutschland seinen Hauptsitz in Feldkirchen bei München.
Platz 18: Electronic Arts
Der Hersteller von Fifa und anderen Computerspielen verbesserte sich im Vergleich zu 2013 um einen Rang.
Platz 17: Bundesnachrichtendienst (BND)
Der BND gehört schon seit Jahren zu den 20 beliebtesten Arbeitgebern für Informatikstudenten.
Platz 16: Daimler
Informatikstudenten lieben nicht nur Computerspiele, sondern auch (deutsche) Autos. Davon profitiert auch der Daimler-Konzern.
Platz 15: Bosch Gruppe
Das Unternehmen, das den weltgrößten Automobilzulieferer Robert Bosch und 300 Tochterfirmen umfasst, hat sich um einen Rang verschlechtert.
Platz 13: Porsche
VW-Tochter Porsche gehört dagegen zu den Aufsteigern im IT-Absolventenbarometer. Sie machte drei Ränge im Vergleich zu 2013 gut.
Platz 13: Amazon
Der Skandal um die Ausbeutung der Leiharbeiter beim Online-Händler hat dem Ruf von Amazon als Arbeitgeber bei den Informatikstudenten kaum geschadet. Im vergangenen Jahr landete Amazon auf Platz 9.
Platz 11: Volkswagen
...ist der dritte deutsche Autohersteller unter den Top 20 der beliebtesten Arbeitgeber.
Platz 11: Crytek
Spielehersteller Crytek war 2011 der größte Aufsteiger im Ranking der beliebtesten IT-Arbeitgeber und konnte seine Top-Platzierung halten.
Platz 10: Fraunhofer-Gesellschaft
Der IT-Nachwuchs will forschen. Darum ist die Fraunhofer Gesellschaft mit ihren zahlreichen Instituten eine feste Größe unter den Top Ten. Im Bild: Die Materialentwicklung für elektrische Energiespeicher.
Platz 7: Siemens
Deutschlands größter Konzern war noch vor 9 Jahren der beliebteste Arbeitgeber der Informatikstudenten.
Platz 7: IBM..
IBM-Deutschland-Chefin Martina Koederitz, im Bild mit Kanzlerin Angela Merkel auf der CeBIT, kann sich dieses Jahr nicht so recht freuen: IBM rutschte im dritten Jahr in Folge ab. 2011 war IBM noch auf Platz 2.
Platz 7: Blizzard Entertainment...
...hat in Deutschland gar keine Niederlassung, dennoch verbesserte sich der Spielehersteller um drei Plätze im Vergleich zu 2013.
Platz 6: Apple
Coole Produkte, cooler Arbeitgeber? Diesen Schluss ziehen anscheinend viele Informatikstudenten bei Apple. Im Bild einer der Apple-Stores in New York.
Platz 5: Audi
Die Ingolstädter werden nicht nur bei den Informatikstudenten, sondern auch bei anderen Fachrichtungen als Arbeitgeber immer beliebter.
Platz 4: Microsoft..
.. verliert nur einen Platz gegenüber 2013. Im Bild: Die Digital Eatery von Microsoft in Berlin.
Platz 3: BMW..
..ist der am höchsten platzierte Autobauer im IT-Absolventenbarometer. Im Vorjahr noch auf Platz 4. Hier im Bild der BMW i8.
Platz 2: SAP
Der Walldorfer Softwarekonzern behauptete seinen zweiten Platz. Der Abstand zum Sieger wird allerdings größer. Während zehn Prozent der Befragten gerne bei SAP arbeiten möchten,...
..wollen 26,3 Prozent zu Google.
Damit rangiert der Internet-Konzern im siebten Jahr in Folge auf Platz 1.
Google-Gründer Sergej Brin...
...kann sich freuen. Die Auswahl an Bewerbern ist riesengroß, in München hat Google aktuell 10 IT-Stellen zu besetzen.

Worüber reden wir heute beim Potenzialmanagement und worüber werden wir in fünf Jahren reden?

Herrmann: Heute bezieht sich Potenzialmanagement häufig auf definierte Ziele. Zum Beispiel, ob ein Mitarbeiter das Zeug zum Chef hat. Meine Hoffnung ist, dass wir den Begriff künftig deutlich weiter fassen. Dass wir also nicht nur die erforderlichen Skills erfragen, sondern eine ganzheitliche Sicht entwickeln.

Wie können Unternehmen das konkret angehen?

Herrmann: Das beginnt mit Persönlichkeitsanalysen und Interviews. Es ist erst einmal wichtig, Interesse an den Menschen zu zeigen. Eine ganzheitliche Sicht heißt für mich, dass ich zum Beispiel immer auch nach den Hobbys frage. Wenn jemand ehrenamtlich für einen Verein arbeitet, setzt er hier seine Stärken ein und entwickelt bestimmte Fähigkeiten. Andere spielen in der Freizeit ein Musikinstrument und verfügen über Kreativität. Will das Unternehmen dieses Potenzial nutzen und dem Mitarbeiter die Chance geben, sich zu entfalten, muss es Möglichkeiten jenseits des Daily Business schaffen. Potenzialentwicklung basiert auf Herausforderungen. Nur so entsteht Leistungssteigerung.

Das ist ein deutlich anderer Blick auf Mitarbeiter als vor zwanzig Jahren…

Herrmann: Das hat auch mit dem Generationenwechsel und einer zunehmenden Individualisierung zu tun. Natürlich hat es Generationenwechsel immer gegeben. Jedoch bringt die Generation Y, die in eine Welt mit wachsender Dynamik, Komplexität und Transparenz hineingewachsen ist, neue Werte ins Arbeitsleben. Die Menschen, vor allem die jüngeren, sehen Arbeit nicht mehr zwingend als reine Pflichterfüllung und Lebenssicherung, sie streben nach Sinn und wollen auch Spaß haben. Deshalb ist Personalführung gut, wenn die Mitarbeiter nicht mehr den Feierabend herbeisehnen.

Schließlich müssen wir künftig mindestens bis 67 arbeiten…

Herrmann: 67 wird wohl nicht reichen, wie neue Untersuchungen zeigen. Arbeit macht einen erheblichen Teil unseres Lebens aus. Umso wichtiger ist es, dass auch unter dem Gesichtspunkt der Gesunderhaltung Rahmenbedingungen geschaffen werden, in dem Beschäftigte auf Basis ihrer Stärken arbeiten und sich entfalten können. Denn wer stärkenorientiert arbeitet, hat weniger Stress.

Burnout
Tipps gegen Burnout von Karin Probst, Business Coach
Karin Probst war ursprünglich Schauspielerin, heute begleitet sie als Coach internationale Unternehmen in Sachen Stress- und Burnout-Prävention. Auf den folgenden Seiten finden Führungskräfte fünf Übungen zur täglichen Burnout-Prävention.
1. Fünf Minuten lang einfach NICHTS machen
Machen Sie doch für fünf Minuten einfach mal NICHTS. Sollte Ihnen dieses nicht gelingen, weil die Gedanken oder das Telefon nicht zur Ruhe kommen, können Sie es mit....
2. Wertschätzende Gedanken
.... fünf wertschätzenden Gedanken an sich oder Ihre Mitarbeiter versuchen. Notieren Sie ganz spontan, was Ihnen heute gut getan hat, worauf Sie mit Zufriedenheit blicken oder was Ihnen an einem Mitarbeiter Freude bereitet.
3. Fünf Atemzüge in den Bauch
Atmen Sie ruhig und gelassen für fünf Atemzüge tief in den Bauch und entspannen mit jedem Atemzug noch mehr Ihre Gedanken, Muskelgruppen und Ihre Sichtweise auf die Dinge.
4. Achtsamkeit hoch fünf
Die Achtsamkeitsfünf: Welche 5 schönen und erfüllten Momente fallen mir für heute ein? 5 Takte einatmen, 5 Takte Pause, 5 Takte ausatmen, 5 Takte Pause. Welche Bedürfnisse waren heute erfüllt? Welche nicht?
5. Mußestunden müssen sein
Ein Blick in den Terminkalender zeigt: Haben Sie pro Woche mindestens fünf Stunden der Muße? Heilige Zeit, in der Sie machen können, was Ihnen wichtig ist und was Sie erfüllt?

Wessen Aufgabe ist Potenzialmanagement? Die von Personal- und Fachabteilung gemeinsam?

Herrmann: Ich spreche mich immer für eine enge Kommunikation zwischen den Abteilungen aus. Potenzialmanagement fordert aber auch den Mitarbeiter selbst. Er hat auch Eigenverantwortung.

Es gibt also eine rege Diskussion um neue Werte in der Mitarbeiterführung. Was die tatsächliche Praxis in den Unternehmen angeht - wo sehen Sie deutsche Unternehmen da?

Herrmann: (lacht) Deutschland hat auf jeden Fall noch große Entwicklungsfelder. Meiner Beobachtung nach zeigt sich der Mittelstand flexibler. Firmenchefs fühlen sich ermutigt, wenn sie die Vorteile wie gesteigerte Mitarbeiterbindung und höhere Produktivität sehen. In großen Konzernen mahlen die Mühlen doch noch langsamer. Aber auch dort gibt es einzelne Führungskräfte, die sich trauen, Neues auszuprobieren.

Was raten Sie speziell IT-Entscheidern?

Herrmann: Ich habe fünfzehn Jahre lang selbst in Kooperation mit Personalberatungen Führungspositionen besetzt, darunter auch Spitzenpositionen in der IT. Ich habe beobachtet, dass Informatiker einen klaren Fokus auf die Technik haben. Wer ein Team führt und das Potenzial seiner Mitarbeiter freisetzen will, sollte auf jeden Fall die technische Seite um kommunikative Skills erweitern, Interesse und Wertschätzung zeigen und das Gespräch anbieten. Eine Führungskraft kann die Mitarbeiter fragen, welche Vorstellungen sie von ihrer Arbeit haben, ob sie neue Ideen oder Verbesserungsvorschläge haben. Und gerne auch einmal fragen: Wie geht es Dir?

Brigitte Herrmann aus Wörth am Rhein arbeitet als Beraterin, Business Coach, Vortragsrednerin und Autorin. Sie ist Inhaberin der Firma Inspirocon.