Aufteilung des Unternehmens beendet

Smalltalk-Spezialist Objectshare verläßt die Bühne

24.12.1999
MÜNCHEN (as) - Nach 16 Jahren verliert die Smalltalk-Gemeinde einen ihrer treuen Begleiter. Eine Mischung aus schwachem Lizenzgeschäft, Marketing-Fehlern, verspätetem Einstieg in das Java-Geschäft sowie Umsatzverlusten zwangen Objectshare zur Aufgabe. Die Aufteilung des Herstellers objektorientierter Entwicklungswerkzeuge aus dem kalifornischen Irvine ist nun mit dem Verkauf der europäischen Filialen beendet worden.

Für Thomas Dreikauß, Vertriebsleiter bei Objectshare in München, begannen die Probleme schon in der Zeit, als man noch Parcplace-Digitalk hieß. "Wir haben es nicht verstanden, Smalltalk so zu vermarkten, wie es Sun jetzt mit Java tut", beklagt der Manager. Daran sollte sich auch nach der Umbenennung in Objectshare 1997 nichts Wesentliches ändern. Dabei waren die Kunden mit der Qualität der Smalltalk-Entwicklungsumgebung "Visual Works" durchaus zufrieden, und eine Zeit lang stieß die OO-Sprache auch unter Entwicklern auf großes Interesse. So erinnert sich Dreikauß an den Erfolg der nichtkommerziellen Download-Version von Visual Works vor zwei Jahren: "Wir hatten Tausende von Abrufen."

An der Gesamtsituation Objectshares änderte dies nur wenig, zumal mit IBM und "Visual Age for Smalltalk" ein Konkurrent die Bühne betrat, der über große finanzielle und personelle Ressourcen verfügte. Vor allem aber sollte der Hype um Java dem OO-Spezialisten das Leben künftig schwermachen.

Engagement für Java kam zu spät

Auf diesen Trend zur Sun-Sprache reagierte das Unternehmen zwar mit der Werkzeugsammlung "Parts for Java", doch konnte es sich gegenüber Wettbewerbern wie Inprise, IBM oder Symantec nie durchsetzen. Außerdem, so Dreikauß, fehlten die Ressourcen, um durch das Projektgeschäft die geringen Lizenzverkäufe auszugleichen. Die schwindenden Umsätze und fehlenden Gewinne im Lizenzgeschäft führten schließlich dazu, daß finanziell nichts mehr ging und Objectshare mit der Suche nach Partnern und Käufern begann.

Als erster Schritt verkaufte das Unternehmen im April 1999 für rund 725 000 Dollar Parts for Java samt Entwicklungsmannschaft an den holländischen Hersteller Seagull aus Dordrecht. Das Produkt soll dort nun nur noch intern genutzt und nicht mehr weiter vermarktet werden. Den Java-Werkzeugen folgte im August 1999 der für alle Beteiligten schmerzhafte Verkauf von Visual Works samt Entwicklern und Supportteam an den Hersteller Cincom aus Cincinnati. Dieser ließ sich die Übernahme rund drei Millionen Dollar kosten und will laut President und Chief Executive Officer Thomas Nies die Entwicklungsumgebung neben seinem eigenen Produkt "Objectstudio" weiter pflegen. Zugleich bedeutete der Verkauf der Smalltalk-Produkte an Cincom auch das Ende Objectshares als Hersteller von Software.

Künftig will sich das Unternehmen nun ganz auf das Training und Consulting für OO konzentrieren - einen Unternehmensbereich, der bisher erfolgreich war. Dies geschieht jedoch nicht mehr in eigener Regie, sondern unter der Leitung neuer Partner in den USA und Europa. So kaufte im August die kalifornische Firma Starbase, Hersteller von Software für das Konfigurations-Management, für mindestens 6,1 Millionen Dollar die bis dahin bei Objectshare verbliebene US-Mannschaft. Sie soll Starbase nun bei der Entwicklung von E-Commerce-Anwendungen helfen.

Valtech setzt auf Objectshares Know-how

In Europa, wo kleinere Büros in Deutschland (elf Mitarbeiter), der Schweiz und England bestanden, ging Objectshare für 1,3 Millionen Euro in den Besitz der französischen Consulting-Firma Valtech, Paris, über. Laut Myriam Gazal, zuständig für das Marketing bei Valtech, soll Objectshares Erfahrung genutzt werden, um auf dem deutschen Markt Fuß zu fassen. Geplant ist, Training und Consulting im OO-Bereich mit den Schwerpunkten E-Business und E-Commerce anzubieten. Entlassungen sind nicht geplant. Vielmehr soll in der nächsten Zeit zusätzliches Personal eingestellt werden. Der Name Objectshare wird jedoch aller Wahrscheinlichkeit nach auch hierzulande bald verschwinden.