PAC-Analyse

SIS-Niedergang hat sich lange angekündigt

19.03.2010
Die Marktbeobachter von PAC sehen die Ursachen für die harten Einschnitte bei SIS sowohl auf den schwierigen Markt als auch auf taktische Fehler zurück. Verloren ist die Siemens-Tochter noch nicht.
Der SIS-Zentrale in München stehen unruhige Zeiten bevor.
Foto: Siemens

Siemens plant harte Einschnitte bei SIS. Von derzeit rund 35.000 weltweiten Stellen sollen bis 2011 etwa 4200 entfallen. Bis zum 1. Juli wird SIS als rechtlich eigenständige Gesellschaft ausgegliedert werden, bis zum 1. Oktober soll die organisatorische Entflechtung abgeschlossen sein (siehe "SIS streicht 4200 Stellen"). Für die Analysten von Pierre Audoin Consultants (PAC) kommen diese Maßnahmen nicht überraschend: SIS reiht sich ein in die Riege der IT-Provider, die ihre Kapazitäten, vor allem in den Regionen mit hohen Lohnkosten, anpassen.

1. Die Versäumnisse des Siemens-Managements

Siemens-Chef Peter Löscher: Das Konzern-Management hat enormen Preisdruck auf SIS ausgeübt.

Die Gründe für den anstehenden Personalabbau sind vielschichtig und gehen unter anderem auf Management-Fehler in den vergangenen Jahren zurück: Nach Gründung und Integration von SIS (als Nachfolger von SBS, Siemens Business Solutions) in den Konzern wurde der Schwerpunkt nach PACs Einschätzung zu stark auf vertikale Lösungen gelegt und das traditionsgemäß starke Outsourcing-Geschäft etwas vernachlässigt.

Ebenso hat sich SIS teilweise zu stark auf den gemeinsamen Vertrieb mit den Siemens-Sektoren gestützt. Und hier trägt PAC zufolge auch der Siemens-Konzern eine Verantwortung für die Probleme der IT-Sparte: Das Commitment gegenüber SIS bei der gemeinsamen Positionierung von Lösungen und Services am Markt war zu schwach.

Auch wurde das Alleinstellungsmerkmal von SIS, die oft IT-basierenden Produkte der Siemens-Sektoren mit den Integrations- und Betriebsservices der IT-Sparte zu einem umfassenden Sektoren-übergreifenden Angebot auszubauen, nie mit dem notwendigem Nachdruck verfolgt. Ein Übriges tat das Siemens-Sparprogramm aus dem Jahr 2009. Im Rahmen dieses Vorhabens war SIS zu Preisreduktionen gezwungen, die deutlich über dem Marktdurchschnitt lagen. Siemens hat seine Tochter nicht geschont. Das hat SIS hart getroffen.

2. Die Versäumnisse des SIS-Managements

SIS-Chef Christian Oecking: Das SIS-Management hat zeitweilig das zuverlässige Outsourcing-Geschäft aus den Augen verloren.
Foto: SIS

Nach PAC-Einschätzung hat SIS lange Zeit das Outsourcing-Geschäft vernachlässigt. Diese Schwäche hat das SIS-Management Ende 2008/Anfang 2009 erkannt und daraufhin Gegenmaßnahmen ergriffen. Erfolge im Outsourcing-Geschäft lassen sich jedoch nicht innerhalb weniger Monate erzielen. Erst im letzten halben Jahr konnte SIS erste Früchte ernten. Die aktuelle Sales-Pipeline gibt durchaus Grund zur Hoffnung, dass mit weiteren Erfolgen im Outsourcing zu rechnen ist, beobachtet PAC.

SIS hat im letzten Jahr damit begonnen, den Mangel an kompetenten Vertriebsmitarbeitern zu beheben und gezielt Top-Experten eingestellt. Außerdem sieht PAC deutliche Fortschritte, die Delivery-Strukturen im Outsourcing zu verbessern. Das gilt sowohl für die Infrastruktur-Services als auch für das Application-Management.

3. Der Markt erzwingt die Anpassung

Quelle: ag visuell/fotolia
Foto: ag visuell/fotolia

Die Gründe für den massiven Stellenabbau bei SIS hängen auch mit globalen Trends im IT-Sourcing zusammen. Zahlreiche IT-Services-Provider haben in den letzten ein bis zwei Jahren bereits Kapazitätsanpassungen vorgenommen: Auch bei Hewlett-Packard war die deutsche Belegschaft prozentual besonders betroffen. Weitere Beispiele sind T-Systems (hier wurde im August 2009 der Abbau von 3.000 Stellen angekündigt) und auch IBM (hier wurde im Frühjahr der Abbau von 5.000 Stellen angekündigt). Bislang haben jedoch erst wenige IT-Provider ihren Mitarbeiterstamm dem deutlichen Umsatzrückgang angepasst. PAC geht davon aus, dass noch zahlreiche Anbieter ihre Mitarbeiterzahlen in Deutschland und Westeuropa ähnlich deutlich reduzieren, wie es SIS jetzt angekündigt hat.
Der weltweite Trend, einen immer größeren Anteil an IT-Services aus Near- und Offshore-Regionen erbringen zu lassen, macht einen Stellenabbau in den Hochlohnländern unvermeidbar. Betroffen sind zumeist die Anbieter von Commodity-Services. Das sind Dienste, die sich standardisieren und industriell, also mit wenigen Mitarbeitern betreiben lassen. Gerade die deutschen und europäischen IT-Dienstleistern haben hier noch hohen Anpassungsbedarf.

Der weltweite Trend, einen immer größeren Anteil an IT-Services aus Near- und Offshore-Regionen erbringen zu lassen, macht einen Stellenabbau in den Hochlohnländern unvermeidbar. Betroffen sind zumeist die Anbieter von Commodity-Services. Das sind Dienste, die sich standardisieren und industriell, also mit wenigen Mitarbeitern betreiben lassen. Gerade die deutschen und europäischen IT-Dienstleistern haben hier noch hohen Anpassungsbedarf.

PAC: Ausgliederung ist richtig

Die bevorstehende Ausgliederung hält PAC für richtig. Dadurch kann sich SIS unabhängiger vom Cross-Sector-Business der Siemens AG agieren. SIS gewinnt hierdurch eine höhere Flexibilität und ist in vielen Punkten nicht mehr so stark im engen Siemens-Korsett eingeschnürt. SIS kann beispielsweise wieder stärker eine eigene Kommunikation ihrer Leistungen und Erfahrungen verfolgen; ebenso gewinnt sie an Freiheiten in Bezug auf Optimierungen der Delivery-Strukturen sowie bei der trotz Stellenabbaus notwendigen Einstellung von Top-Leuten.

PAC sieht es als notwendig an, dass SIS und Siemens stärker als bisher Kunden gemeinsam adressieren. Hier, so meinen die PAC-Analysten, stehen die Siemens-Sektoren in der Pflicht. Bislang war die Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit nicht in allen Sektoren gleich stark ausgeprägt: Der Energy-Sektor ist hier positiv hervorzuheben.

Vom SIS-Verkauf nach der Ausgliederung rät PAC ab. Die IT-Sparte benötigt statt dessen eine stärkere Unterstützung durch Siemens, um nachhaltig erfolgreich zu sein. Ein Börsengang schließt PAC langfristig nicht aus, was aber nicht bedeuten muss, dass Siemens sich von der Aktienmehrheit trennt. (jha)