Siemens-Boss Kleinfeld spürt Gegenwind von den Finanzmärkten

16.08.2006
Seitdem Klaus Kleinfeld bei der Siemens AG Anfang 2005 das Ruder übernahm, stieg der Aktienkurs nur um fünf Prozent. Der Dax-Index kletterte im gleichen Zeitraum um 35 Prozent. Kein Wunder, dass die Investoren ungeduldig werden.

Auch gegenüber Rivalen wie dem Schweizer Elektronikkonzern ABB Ltd., der sich vom Sanierungsfall zum Börsenliebling mauserte, und der niederländischen Philips Electronics NV macht sich die Börsenentwicklung der Münchner nicht gut. ABB konnte seinen Kurs mehr als verdoppeln, Philips legte um knapp 40 Prozent zu. Das "Wall Street Journal" hat in seiner heutigen Ausgabe einen Beitrag veröffentlicht, der diese für Kleinfeld wenig schmeichelhaften Fakten zum Gegenstand hat. Damit dürfte der Druck, kränkelnde Sparten wie vor allem den IT-Dienstleister Siemens Business Services (SBS) auf Vordermann zu bringen oder abzustoßen, weiter steigen (siehe: "Siemens steht vor dem Verkauf von SBS").

Klaus Kleinfeld hat den Shareholder im Blick - doch der goutiert die Bemühungen des Siemens-Chefs noch nicht.

Dem Wirtschaftsblatt zufolge sind die Finanzanalysten in ihrem Urteil jedoch nicht einig. Häufig wird die Akquisitionsstrategie des Konzerns kritisiert. In dem Bestreben, Siemens neu zu positionieren, hätten Kleinfeld und sein Finanzchef Joe Kaeser zu teuer eingekauft und die Shareholder-Interessen vernachlässigt. Der anerkannt richtige Schritt, sich aus dem volatilen und kapitalintensiven TK-Markt zu verabschieden, werde durch überteuerte Zukäufe und nur geringe Leistungsverbesserungen im Kerngeschäft überschattet.

"In Anbetracht des geringen Vertrauens der Investoren in das derzeitige Management erwarten Anleger, dass Siemens sein Portfolio zusammenstreicht anstatt es weiter auszubauen und zu viel Geld für große Akquisitionen zu bezahlen", kritisiert beispielsweise James Stettler, Analyst bei Dresdner Kleinwort in London. "Der Deal mit Nokia war großartig, aber dann haben sie die Akquisition des Diagnosegeschäfts von Bayer angekündigt, und die Investoren haben sich wieder einmal gewundert."

Siemens hatte im Juni mitgeteilt, das Diagnosegeschäft der Bayer AG für 5,3 Milliarden Dollar zu übernehmen. Zwei Monate zuvor war für 1,86 Milliarden Dollar die US-amerikanische Diagnostics Products Corp. geschluckt worden. Der Konzern verbesserte damit seine Position im Medizinsektor und wurde zum weltweit drittgrößten Anbieter von Diagnosesystemen nach der Schweizer Roche Holding AG und den Abbott Laboratories aus den USA.

"Wir würden es begrüßen, wenn Herr Kleinfeld mehr Wert auf Kontrolle und Management des Kerngeschäfts legen würde", zitiert die Wirtschaftsgazette die Analystin Marie Rupp, die für RCM, eine Geschäftseinheit von Allianz Global Investors, tätig ist. "Es gibt die Notwendigkeit einer verstärkten Finanzdisziplin mit starkem Fokus auf Cash-Generierung und das Erreichen der Geschäftsziele der einzelnen Unternehmensbereiche", mahnt Rupp an. Siemens müsse sich stärker am Shareholder-Value orientieren.

Kleinfeld selbst sagte, ein Turnaround dieser Größenordnung brauche seine Zeit. Das "Fit4more"-Programm laufe planmäßig, bis April werde die operative Profitmarge in allen elf Unternehmensbereichen wie angekündigt zwischen vier und 13 Prozent liegen. Damit werde auch das Vertrauen der Investoren wieder hergestellt, der Börsenkurs könne wieder steigen.

Einige Analysten geben Kleinfeld Recht und wundern sich, dass der Aktienkurs bislang kaum auf die bereits eingeleiteten Maßnahmen reagiert hat. Die Fundamentaldaten und die operative Performance des Unternehmens würden immer besser, beobachtet beispielsweise Paul Rutherford von ABN Amro in London. Allerdings gebe es noch viel mehr zu tun, vor allem die Verbesserungen der Marge seien von essenzieller Bedeutung.

Zu den wichtigsten Maßnahmen, die Kleinfeld in seiner inzwischen 19-monatigen Amtszeit ergriff, gehört neben der Lösung des "TK-Problems" die Fokussierung des Gesamtkonzerns auf die drei Kerngebiete Energie, Infrastruktur und Gesundheit. Durch organisches Wachstum, aber auch durch Zukäufe will das Unternehmen auf diesen drei Säulen wachsen. Gleichzeitig soll die Profitabilität verbessert werden. Dazu möchte Siemens sein Controlling auf der Ausgabenseite verbessern und den "Overhead" abbauen. Das fordern auch Analysten, die meinen, Siemens könne in Kernbereichen wie der Kraftwerkstechnik oder der Medizinsparte deutlich profitabler sein. (hv)