Telekom-Vorstandsmitglied

"Sie brauchen keine Hotline, unser DSL-Netz ist komplett gemanagt"

29.09.2008 von Jürgen Hill
Mit T-Home-Vorstandsmitglied Christian Illek sprach CW-Redakteur Jürgen Hill über die VDSL-Zukunft und die Ausbauabsichten der Telekom in Sachen IPTV.
Christian Illek, Vorstandsmitglied bei der Telekom, im CW-Interview: "Ich habe noch keine Kundenbeschwerden gehört, dass IPTV flächendeckend nicht stabil liefe."
Foto: Telekom

CW: Die Telekom rührt kräftig die Werbetrommel für Fernsehen über das IP-Netz (IPTV). Doch mit zwei digitalen Satellitenkarten und einem Vista Media Center erziele ich die gleiche Funktionalität. Welche Vorteile bringt IPTV?

Illek: Der große Vorteil gegenüber den Satellitenangeboten ist die Interaktivität, mit der wir jetzt beginnen werden. Jenseits des klassischen Downloads werden wir etwa Zusatzinformationen zur Bundesliga anbieten. Ein weiteres Thema ist beispielsweise unser On-Demand-Videoangebot, bei dem der Kunde einen Film sicher schneller herunterladen kann als bei vielen Satellitendiensten. Und last, but not least sollte man nicht vergessen, dass für IPTV keine Schüssel erforderlich ist, die man ja nicht an jeder Hauswand erblicken will - von der rechtlichen Problematik mal ganz abgesehen.

CW: D'accord, doch die Satellitenbetreiber sind nicht Ihre einzigen Konkurrenten. Wie positionieren Sie sich gegenüber den Kabelnetzbetreibern, die behaupten, sie hätten im Gegensatz zu VDSL Gigabit/s-Bandbreiten zur Verfügung?

VDSL-Backbone skaliert besser als TV-Kabelnetze

Illek: Mit 50 Mbit/s geht die Bandbreite von VDSL weit über das hinaus, was die User heute benötigen. Und Docsis 3.0 oder 4.0 erreicht bei den Kabelbetreibern 100 Mbit/s. Im Gegensatz zum TV-Kabel habe ich bei IPTV keine starren Zeitfenster für Videos, sondern kann diese herunterladen, wann ich will. Ferner wird in der Diskussion TV-Kabel versus VDSL gerne vergessen, dass das TV-Kabel ein Shared Medium ist. Das ist heute in Deutschland noch kein Problem, aber in den USA erhalten die Benutzer in einigen Communities mit hoher Durchdringung nur noch Bandbreiten im Mbit/s-Bereich. Eine andere Karte, die wir künftig ausspielen werden, ist die Integration in Richtung Mobilfunk. Haben Sie heute den Programm-Manager über das Internet-Festnetz, so wollen wir dies künftig auch per Mobilfunk ermöglichen, also auch Inhalte auf das Handy übertragen. Das ist ein Service, den die Kabelnetzbetreiber mit ihrer heutigen Geschäftsausrichtung nicht anbieten können.

CW: Sie sprechen im Zusammenhang mit dem TV-Kabel das Problem Shared Medium an. Inwieweit können Sie denn bei VDSL im Backbone die erforderliche Bandbreite liefern, wenn in einer Großstadt wie München Zigtausende gleichzeitig Video on Demand nutzen wollen?

Illek: Bisher gibt es keine Beschränkungen im Backbone. Wir müssen natürlich einmal abwarten, bis wir die erste Million Kunden haben, und dann prüfen, ob die Skalierbarkeit wirklich funktioniert. Aber ein eventueller Engpass baut sich sukzessive auf, und ich kann im Backbone wesentlich schneller skalieren als bei einem Netz, das die einzelnen Haushalte mit einem Shared Medium versorgt.

CW: Wo wird es VDSL geben?

Illek: Momentan haben wir etwa elf Millionen Haushalte mit VDSL-fähigen Anschlüssen. Insgesamt werden wir in 50 Städten VDSL ausbauen. Grundsätzlich könnten wir alles mit VDSL ausstatten, aber das ist eine wirtschaftliche Frage.

Mit Zusatzinformationenen, etwa zur Bundesliga, will die Telekom bei den Kunden in Sachen IPTV punkten.

CW: Und wie viele Haushalte können Sie angesichts der physikalischen und technischen Beschränkungen der DSL-Technik pro Ausbaugebiet gleichzeitig versorgen? Bei ADSL heißt es ja, dass nur zwischen 60 und 80 Prozent der Anschlüsse einer Kupferleitung parallel versorgt werden können

Illek: Derzeit haben wir eine Penetration, mit der unser Netz bei weitem noch nicht ausgelastet ist. Wir haben für IPTV zur Zeit 250.000 Kunden, denen bis zum Jahresende 20 Millionen VDSL-fähige Anschlüsse entgegenstehen.

Die Franzosen beneiden uns um VDSL

CW: Unsere EU-Nachbarn schreiben teilweise bei Neubauten bereits Glasfaseranschlüsse vor. Investiert die Telekom mit VDSL nicht teures Geld in eine Technik von gestern?

Illek: Also die Kollegen in Frankreich beneiden uns um unser VDSL-Netz, denn sie kommen mit ADSL bis 16 Mbit/s, während wir bis zu 50 Mbit/s schaffen. Und FTTH (Fiber to the Home, also Glasfaser bis zum Haus, Anm. d. Red.) bietet 100 Mbit/s beziehungsweise je nach Ausbau darüber hinaus. Allerdings hat noch keines der großen europäischen TK-Unternehmen einen flächendeckenden Ausbau angekündigt. So will France Telecom 200.000 Haushalte in Paris erschließen, und BT hat entsprechende Pläne für London vorgestellt. Hinzu kommt, dass etwa die Telefonica in Spanien den Glasfaserausbau mit FTTH oder FTTC (Fiber to the Curb, also Glasfaser bis zur Bordsteinkante, Anm. d. Red.) nicht als Resale-Angebot an Konkurrenten weitervermarkten muss. Unter dem Strich ist noch kein Europäer unterwegs, der komplett auf Glasfasern setzt. Was wir mit VDSL machen können, ist, die Bandbreite im Vergleich zu DSL zu steigern, die Nachfrage zu eruieren und zu sehen, was die Anwender bereit sind mehr zu bezahlen. Denn hinter dem Ganzen stecken ja erhebliche Investitionen. Nur weil wir als Telekom heute auf VDSL setzen, heißt das nicht, dass wir uns FTTH auf ewig verschließen. Wir sollten eher schauen, wie wir beides intelligent miteinander vermaschen, so wie dies bereits bei ADSL und VDSL geschieht. Zeigen Sie mir den Incumbent, der heute in der EU zehn Millionen Haushalte mit 25 bis 50 Mbit/s anschließen kann, so wie wir mit VDSL.

CW: Da müssten wir wohl nach Asien gehen. Allerdings sind hierzulande die City- und Regio-Carrier in Sachen Glasfasern bereits sehr aktiv.

Illek: Ja, das stimmt.

CW: Im Zusammenhang mit IPTV wurden anfangs auch die möglichen Mehrwertdienste hoch gelobt. Wo stehen wir da?

Illek: Das ist momentan, was die Lizenzvergabe und die Sicherheit anbetrifft, ein reines Privatkunden-Thema. Kurzfristig erkenne ich hier nichts, was in Richtung Geschäftskunden-Anwender zielt, gerade weil sich die Rechte- und Lizenzfragen schwierig gestalten. Wir sehen den Bedarf und diskutieren ihn intern, aber eine spruchreife Entscheidung gibt es noch nicht.

CW: Lassen wir die Rechts- und Lizenzfragen beiseite, wohin könnte die IPTV-Reise gehen? Kommt das interaktive Reise-TV, wo ich im Film mein Zimmer buche?

Illek: Sicher ist Interaktivität ein Thema, aber auf der anderen Seite sehe ich als wesentlichen Mehrwert die Bedeutung von IPTV als Empfehlungsplattform. Wenn ich mir heute das freie Internet anschaue, dann ist das eine Proliferation von Inhalten, ohne dass ich eine Benutzernavigation habe. Ich muss mir das als Benutzer letztlich alles selber zusammenstellen. Bei einer Plattform wie IPTV, die Video, TV und freien Inhalt komplett umfasst, kann ich daraus gekoppelt mit einer Bewertungsplattform einen riesigen Mehrwert erzeugen. Etwa indem der User nach Angabe seiner Präferenzen die unterschiedlichsten Inhalte automatisch zugespielt bekommt. Und hier sind zwei Stufen vorstellbar: ein starres System, das sich an den eingegebenen Präferenzen orientiert, oder eine Plattform, die selbst lernt und etwa die Metadaten der Inhalte ausliest und mit dem Nutzungsverhalten des Besitzers vergleicht.

CW: Also IPTV als Web 3.5? Community-Building rund um eine TV-Sendung?

Illek: Was wir auf jeden Fall machen werden, ist ein Community-Building über unsere Plattformen Festnetz, Mobilfunk und IPTV hinweg. Letztlich soll der Benutzer, egal wo er ist, Zugriff auf die Inhalte erhalten - gefragt ist also eine technische Konvergenz. Zudem werden wir mit IPTV keinen geschlossenen Kommunikationsraum aufbauen, sondern das freie Internet aufnehmen und integrieren.

CW: Bei allem bleibt doch ein mulmiges Gefühl. Holt sich der User mit IPTV und VDSL nicht einen Single Point of Failure in Haus? Eine Störung, und weder Telefon, TV noch das Internet funktionieren.

Illek: Da sehe ich kein Problem, wir garantieren in unseren AGB eine Verfügbarkeit von 97 Prozent.

CW: Also anders formuliert, das Netz darf an fast elf Tagen im Jahr komplett ausfallen.

Illek: Das können Sie so nicht sehen, das sind lediglich AGB-Werte. Natürlich legen Sie in den AGB keine Zusagen fest, die Sie später unter Umständen nicht einhalten können. Ich habe aber noch keine Kundenbeschwerden gehört, dass IPTV flächendeckend nicht stabil liefe. Wir haben Redundanz im Netz und sind gerade beim IPTV-Signal sehr vorsichtig. Sicher, wenn Sie eine Risiko-Diversifizierung wollen, dann müssen Sie auf verschiedene Techniken setzen. Aber die Zufriedenheit der IPTV-Nutzer ist sehr hoch und die Abwanderungsraten sind bei Triple Play sehr niedrig. Die Anwender wollen nicht viele Boxen herumstehen haben. Die Benutzer wollen ein Endgerät und alles aus einer Hand mit einem Ansprechpartner.

CW: Und wo ist der Ansprechpartner am Wochenende bei einer Störung?

Illek: Da brauchen Sie keine Hotline. Unser DSL-Netz ist komplett gemanagt, so dass wir Störungen automatisch gemeldet bekommen. Und wir gehören in Sachen Störungsbeseitigung zu den Schnellsten. Selbstverständlich stellen unsere Servicekräfte auch an Wochenenden und Feiertagen eine schnelle Beseitigung von etwaigen Störungen im IP-Netz sicher.