Gebrauchtsoftware

Second-Hand-Lizenzen - raus aus der Schmuddelecke

09.03.2009 von Martin Bayer
Knapper werdende IT-Budgets zwingen die Anwender zum Sparen. Immer mehr wollen sich deshalb auch auf dem Gebrauchtmarkt umsehen.

"Das Interesse am Markt für gebrauchte Softwarelizenzen wächst", beobachtet die Experton Group. Gerade angesichts der Krise hätten viele Unternehmen ihre IT-Ausgaben gekürzt und müssten deshalb sparen. Second-Hand-Lizenzen wie auch der Verkauf nicht mehr benötigter Software seien probate Mittel, das eigene Budget zu entlasten. Immerhin 20 bis 42 Prozent des gesamten IT-Budgets geben Anwender durchschnittlich für Software aus. Den Experten zufolge liegt in Deutschland Software im Wert von über sechs Milliarden Euro brach und ungenutzt in den Schränken der Firmen herum.

Fast alle befragten Anwender fordern, dass Software wie alle anderen Anlagegüter einer Firma behandelt werden sollte.

Eine Umfrage der Fachhochschule Wedel bestätigt diesen Trend. Knapp die Hälfte der 226 befragten Anwendervertreter gab an, sich bereits mit dem Thema Gebrauchtsoftware befasst und Second-Hand-Ware eingekauft beziehungsweise eigene Lizenzen weiterveräußert zu haben. 75 Prozent erklärten, der An- und Verkauf gebrauchter Software werde in Zukunft für das eigene Unternehmen interessant sein. Einhellig ist die Meinung der Anwender zur Rechtmäßigkeit des Marktes: 95 Prozent der Befragten sind der Meinung, Softwarelizenzen sollten genauso weiterverkauft werden dürfen wie andere Anlagegüter, beispielsweise Hardware oder Autos, auch.

Bislang ist das Volumen des hiesigen Marktes für Gebrauchtsoftware überschaubar. Die Experton Group taxierte die Umsätze der Händler im Jahr 2007 auf einen Betrag zwischen 18,8 und 22 Millionen Euro. Gemessen am gesamten deutschen Softwaremarkt, den die Analysten im gleichen Jahr auf ein Volumen von rund 18,15 Milliarden schätzten, erreichten die Second-Hand-Anbieter damit gerade einmal einen Anteil von rund 0,1 Prozent.

Das Potenzial des Gebrauchtmarktes liegt nach Einschätzung von Experton jedoch ungleich höher. Aus Sicht der Analysten eignen sich für den Handel mit gebrauchter Software folgende Bereiche: Client- und Server-Betriebssysteme, Office-Lösungen und Applikationen wie ERP-Software, CAD, DTP- und Grafikanwendungen. Das Marktvolumen dieser für den Second-Hand-Markt relevanten Softwarebereich betrage - kalkuliert nach Neupreis - für die Jahre 2007 bis 2009 in Deutschland zwischen 2,5 und 2,8 Milliarden Euro. Ausgehend von einem Gebrauchtpreis, der bei etwa 50 bis 60 Prozent der ursprünglichen Lizenzkosten anzusiedeln sei, errechnet sich daraus ein mögliches Marktvolumen für die Gebrauchthändler zwischen 1,2 und 1,7 Milliarden Euro.

Davon sind die Anbieter indes noch weit entfernt. Geht man von Gebrauchtumsätzen in Höhe von 22 Millionen Euro im Jahr 2007 aus, beträgt der Anteil am möglichen Geschäft gerade einmal 1,7 bis 2,25 Prozent. Allerdings wird dieser Anteil wachsen. Die Experton Group rechnet mit Wachstumsraten von rund 40 Prozent jährlich für den deutschen Gebrauchtsoftwaremarkt. Danach müsste das Volumen im vergangenen Jahr bei über 30 Millionen Euro gelegen haben. Im laufenden Jahr sollen die Anbieter hierzulande etwa 43 Millionen Euro umsetzen können. Damit steigt der Anteil des realisierten am möglichen Geschäft auf 2,5 bis drei Prozent.

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Anwendern fehlt es am Lizenz-Management

Bis es so weit ist, muss sich im Markt auf Anwender- wie auch auf Anbieterseite einiges tun. Die Fachhochschule Wedel fand im Zuge ihrer Umfrage heraus, dass lediglich 21 Prozent der befragten Anwender ein funktionierendes Lizenz-Management betreiben. Wer aber seine Softwarelizenzen nicht optimiert, wird auch kein Interesse haben, hier Einsparungen zu erzielen. Allerdings scheint sich hier etwas zu ändern: Weitere 43 Prozent bauen derzeit ein Lizenz-Management auf beziehungsweise planen die Implementierung.

Darüber hinaus mahnen die Anwender mehr Transparenz an. 58 Prozent der von der Fachhochschule Befragten kritisierten den Markt als schwer durchschaubar. Die Schuld daran tragen aus Anwendersicht in erster Linie die Softwarehersteller. 82 Prozent bezeichneten deren Lizenzbestimmungen als undurchsichtig, 42 Prozent sogar als extrem intransparent. Außerdem seien die Paragrafen in den Lizenzverträgen zu kompliziert, monieren 88 Prozent der befragten Anwender.

Auch die Lizenzhändler sehen Verbesserungspotenzial. Immer mehr Anwender würden zwar den Nutzen erkennen, ein Lizenz-Management in ihrem Unternehmen zu etablieren, sagen beispielsweise die Verantwortlichen der Preo AG. Der Hamburger Gebrauchthändler, der die unabhängige Umfrage der Fachhochschule Wedel mit initiiert hatte, sieht aber auch Defizite: "Aktuell gelingt es oftmals nicht, die vorhandene Ressource Softwarelizenzen im Sinne eines Anlageobjekts zu verwalten und zu verwerten." Das führe dazu, dass Firmen eigene Werte vernichteten und damit ihre Wettbewerbsfähigkeit minderten. Wer Software dagegen als Asset behandle, könne sich nachhaltige Wettbewerbsvorteile erschließen.

Axel Susen, Chef von SusenSoftware: "Monopolisten versuchen den Markt klein zu halten und schüren die Unsicherheit."

Den Software-Brokern käme eine betriebswirtschaftliche Sicht seitens der Anwender entgegen. "Der Markt hat sich etabliert", lautet die Zwischenbilanz von Peter Schneider, Geschäftsführer von Usedsoft. "Wir stehen nicht mehr in der Schmuddelecke des Softwaremarkts." Der Lizenzhändler zählt mittlerweile über 1500 Kunden, darunter der Bundesrechnungshof, ein führender Fußball-Bundesligaverein und sogar IBM. "Die Kunden werden cooler, und die Geschäfte laufen gut", freut sich Schneider. Viele Anwenderunternehmen agierten zunehmend kostenbewusst. Davon profitierten die Händler. Für das abgelaufene Geschäftsjahr 2008 meldet Usedsoft einen Umsatz von 10,1 Millionen Euro, fast 25 Prozent mehr als im Jahr zuvor.

"Das Interesse wächst", stellt auch Axel Susen, Geschäftsführer von Susensoftware, fest. Viele Firmen wollen ihre IT-Budgets entlasten. Allerdings gebe es auch Anwender, die angesichts des Konjunktureinbruchs alle Aktivitäten in Sachen Software auf Eis gelegt hätten. Zudem würden immer noch eine Reihe von Unternehmen das Geschäftsmodell Gebrauchtsoftware gar nicht kennen. Auch der Umgang mit den Softwareherstellern ist Susen zufolge immer noch problematisch: "Monopolisten versuchen den Markt klein zu halten und schüren die Unsicherheit." Die Geschäfte seien kein Spaziergang: "Der Key-Account-Manager kämpft schließlich auch um sein Weihnachtsgeld." Letztendlich könnten die Hersteller den Trend aber nicht aufhalten, so Susens Fazit.

Softwarehersteller wollen Kontrolle behalten

Die Softwarehersteller, allen voran Microsoft, dessen Produkte am häufigsten im Gebrauchtmarkt kursieren, versuchen, die Kontrolle über den Markt zu behalten, und fordern unter Berufung auf die eigenen Lizenzbestimmungen, dass sie den Deals zustimmen müssten. "Wenn alles rechtens ist, warum nicht den Hersteller mit einbinden?", fragt Swantje Richters, Senior Attorney der Microsoft Deutschland GmbH. Außerdem sei es keineswegs so, dass Microsoft alles verbiete. Bei Veränderungen der Firmenstruktur wie Spinoffs oder Übernahmen will der Konzern lediglich informiert werden. Auch in anderen Fällen sei eine Übertragung erlaubt, solange die Lizenzbestimmungen eingehalten würden. "Wir sind gar nicht so hart", beteuern die Microsoft-Verantwortlichen.

Das klang in den vergangenen Jahren oft anders. "Unternehmen, die sich für gebrauchte Softwarelizenzen entscheiden, installieren und nutzen oft Raubkopien", hieß es in einer Mitteilung vom Frühjahr 2007. Wer einzelne Lizenzen aus einem Volumenvertrag heraus verkaufe beziehungsweise kaufe, mache sich möglicherweise des Vertragsbruchs schuldig und damit strafbar. "Käufer gebrauchter Software aus Volumenverträgen gehen deshalb mit dem Erwerb ohne Nachweis der ausdrücklichen Zustimmung durch Microsoft das Risiko eines unwirksamen Kaufs und des Verlusts ihrer bereits geleisteten Zahlungen ein", schrieb der Konzern in einem Brief an Partner und Kunden. Auch die Lobby-Verbände der IT-Industrie wurden mobilisiert. Der Erwerb von gebrauchter Software sei nicht ohne Risiko, hieß es von Seiten der Business Software Alliance (BSA). Beim Handel von gebrauchter Software müsse man sich im Klaren darüber sein, dass nicht grundsätzlich jede Übertragung rechtlich zulässig sei, warnte der Bitkom.

Doch mit wachsendem Selbstvertrauen wehren sich die Gebrauchthändler. Beispielsweise erwirkte die Preo AG vor dem Hamburger Landgericht eine einstweilige Verfügung gegen Microsoft, wonach der Konzern nicht mehr behaupten darf, eine Übertragung von Lizenzen aus Volumenpaketen bedürfe der Einwilligung des Herstellers, ansonsten handle es sich um Raubkopien. Auch Usedsoft-Geschäftsführer Schneider geißelte in der Vergangenheit ein ums andere Mal die Taktik Microsofts, die Kunden einzuschüchtern und den Gebrauchtmarkt zu kriminalisieren.

Nähe zu Microsoft tut nicht gut

Selbst Partner, die in der Vergangenheit eng auf Tuchfühlung mit Microsoft im Markt agierten, gehen auf Distanz zum Softwarekonzern. So hat der Münchner Händler USC seinen Partner-Status aufgegeben. "Bei einigen Lizenzgutachten haben wir festgestellt, dass die Nähe zu Microsoft eher nachteilig war", räumt USC-Geschäftsführer Peter Reiner Probleme mit Kunden ein. Anwender, die eine Unterlizenzierung mit Gebrauchtsoftware korrigieren wollten, seien wegen der engen Kontakte von USC zu Microsoft ungern gekommen. Darüber hinaus habe es auch Druck von Microsoft gegeben, das Geschäft mit Gebrauchtsoftware passe nicht zum Status als Software-Asset-Management-Partner (SAM).

Mittlerweile laufe die Lizenzberatung unabhängig von Microsoft, berichtet Reiner. USC könne Anwender in Sachen Lizenzen nach ISO-Norm beraten. Das habe den Vorteil, den Kunden auch Nischen und Möglichkeiten aufzeigen zu können, die ihnen ein Microsoft-SAM-Gutachten beziehungsweise ein Microsoft-Partner so nicht sagen würde. Ein Softwarehersteller wolle in erster Linie neue Lizenzen verkaufen.

Reiner beurteilt die Rolle der Softwarehersteller kritisch. Vor einem Jahr habe es noch einen Dialog gegeben, mittlerweile tendierten die Anbieter jedoch eher dazu, den Gebrauchthandel als illegal abzustempeln. Der USC-Geschäftsführer befürchtet, dass sich die Fronten weiter verhärten könnten. Microsoft verbiete in den AGBs seiner aktuellen Verträge den Weiterkauf. Gelangten diese Verträge in einigen Jahren in den Second-Hand-Markt, seien Auseinandersetzungen programmiert.

Die Experton-Group ist dennoch davon überzeugt, dass sich der Gebrauchtmarkt weiterentwickeln wird. Die Händler seien Juristisch bestens präpariert und ihre Partnernetze erweiterten sich. Mittlerweile kooperierten schon etliche große Systemhäuser und Dienstleister mit den Lizenzhändlern, um ihr eigenes Portfolio auszubauen. Die Diskussionen um die rechtlichen Aspekte würden zwar anhalten, aber mehr in den Hintergrund treten. Wenn sich Microsoft sicher wäre, dass der Gebrauchthandel unrechtmäßig sei, dann würden sie ihn unterbinden.

Lizenzhändler - die großen vier

Usedsoft (www.usedsoft.com) handelt schwerpunktmäßig mit Lizenzen von Microsoft, hat aber auch Software von Adobe, IBM, Novell und SAP im Programm. Der Händler mit Sitz in der Schweiz adressiert Großunternehmen sowie den gehobenen Mittelstand und verfügt über Branchen-Know-how im Behördenumfeld.

Auch die Preo AG (www.preo-ag.com) verkauft hauptsächlich gebrauchte Microsoft-Software. Weitere Angebote gibt es für Adobe-, Citrix-, Novell-, IBM-, Oracle- und SAP-Lizenzen. Die Hamburger beziehen die Hersteller in die Deals mit ein und bieten außerdem Beratung rund um das Lizenz-Management an.

Die USC GmbH (www.u-s-c.de) adressiert in erster Linie Mittelständler und Kleinunternehmen. Die Münchner bieten neben Gebrauchtware auch neue Software an. Zum Portfolio gehören neben Programme von Microsoft auch solche von Adobe, Corel, GData, Lexware und Symantec. USC offeriert verstärkt auch Lizenzberatung.

SusenSoftware (www.susensoftware.de) konzentriert sich hauptsächlich auf Produkte von Microsoft und SAP. Der Händler aus Aachen bedient neben Konzernen auch mittelständische Kunden. Neben dem Handel mit gebrauchten Lizenzen bekommen die Kunden Beratung in Sachen Lizenz-Management und Wartungsfragen.

Die Angst vor den Piraten

Microsoft pocht auf die Bestimmungen in seinen Lizenzverträgen und will bei Lizenzverkäufen gefragt werden. "Es wird oft so getan, als ob alles erlaubt wäre, egal was in den Lizenzverträgen steht", sagt Microsoft-Sprecher Heiko Elmsheuser. Dem Konzern geht es auch darum, die Kontrolle zu behalten, wer wie viel Software einsetzt. Immerhin liege die Piraterie-Rate in Deutschland immer noch bei hohen 27 Prozent. Das Problem seien die Produkt-Keys: Kauft ein Kunde ein Volumenpaket, bekommt er einen Schlüssel. Werden nun Teile des Pakets weiterverkauft, ist dieser Schlüssel mit einem Mal bei mehreren Kunden im Einsatz. Kommt dies im Rahmen von Audits oder Software-Asset-Management-Projekten ans Licht, sperrt Microsoft diese Keys. Schließlich sei der ursprüngliche Käufer durch die Verträge verpflichtet, den Schlüssel vertraulich zu behandeln. Geschieht dies nicht, deute dies auf Unregelmäßigkeiten bei der Übertragung von Nutzungsrechten aus Volumenverträgen hin, heißt es bei Microsoft. Allerdings gehe es nicht um Strafe, beteuert Elmsheuser. Der Erstkäufer erhalte einen neuen Schlüssel, mit dem Hinweis, diesen künftig gemäß den Lizenzbestimmungen nur für sich zu verwenden.