Hasso Plattner Institut (HPI) mit neuer Methode

Sechs Phasen für die perfekte Software-Einführung

18.08.2009 von Ima Buxton
Die Einführung einer neuen Software verläuft selten reibungslos. Studierende der School of Design Thinking am Hasso-Plattner-Institut in Potsdam haben einen Werkzeugkasten im Stile von Gesellschaftsspielen entwickelt, mit dem die Schwierigkeiten jetzt in den Griff zu bekommen sind.
Teamwork am HPI: Innovative Raumgestaltung und Möbel sollen die Kreativität der Studierenden fördern.

Ein neuartiger Satz Werkzeuge, entwickelt von den Studenten der School of Design Thinking am Hasso-Plattner-Institut (HPI), packt das Thema der Software-Implementierung bei einem Kunden auf ganz neue Weise an. Wichtigste Bestandteile des Werkzeugkastens sind Spiel- und Bausteine, wie sie in bekannten Gesellschaftsbrettspielen zu finden sind. Mit ihrer Hilfe lassen sich zunächst Position und Aufgaben jedes einzelnen Projektteilnehmers - auf SAP wie auf Kundenseite - auf einem so genannte Stakeboard abbilden. Dabei handelt es sich um ein Magnetboard, auf dem die Mitarbeiter-Spielsteine in Bezug zu ihren Aufgaben-Bausteinen gesetzt werden.

Netzwerkartige Darstellung hilft Prozesse zu verstehen

Simon Blake vom Hasso-Plattner-Institut unterstützt Studierende bei der kreativen Erarbeitung von Lösungsansätzen.

"Das ist die egozentrierte Sicht jedes einzelnen Mitarbeiters", erläutert Simon Blake, einer der Projekt-Betreuer am HPI, das Figurenspiel. "In einem realen Projekt hat jeder Akteur seine eigene Sicht auf die Dinge, was bisweilen zu unterschiedlichen Zielsetzungen und Marschrichtungen führen und entsprechende Probleme bereiten kann." Entscheidend für das Verständnis eines solchen Großprojektes ist es aber, einen Gesamteindruck auf die Sichtweisen aller Projektbeteiligten zu bekommen. Dazu werden in einem zweiten Schritt die Einzelsichtweisen der Teilnehmer verknüpft. An dieser Stelle kommt die Technologie ins Spiel: Die Spielsteine auf dem Board sind jeweils mit einem RFID-Chip versehen, der jede Positionsveränderung registriert und an eine protoypisch entwickelte Software weitergibt, über die das gesamte Beziehungsgeflecht betrachtet werden kann. "Die netzwerkartige Darstellung der Akteure und ihrer Aufgaben gibt einen visuellen Eindruck davon, wer wie arbeitet und wie die Aufgabenbereiche zusammenhängen ", sagt Blake. "Das hilft Prozesse zu verstehen und schließlich Abläufe zu verbessern."

Matthias Melich von SAP suchte nach innovativen und unkonventionellen Lösungsansätzen bei der Einführung von SAP-Software bei Kunden.

Die Einführung komplexer Software-Anwendungen bei Kunden aller Größenordnungen gehört bei SAP zum Tagesgeschäft. Derart aufwändige Projekte bringen unweigerlich auch Reibungsverluste mit sich - denen man im Walldorfer Software-Haus im Rahmen des "Design-Thinking-Projektes" auf die Spur kommen wollte. "Wir wollten die Orchestrierung von komplexen Software-Systemen vorantreiben und dabei innovative Wege beschreiten", sagt Matthias Melich von SAP. "Deshalb haben wir eines der Studienabschlussprojekte am HPI als Betreuer übernommen und das fünfköpfige Innovatorenteam mit der Fragestellung beauftragt."

Thema von den unterschiedlichsten Seiten beleuchten

Die Erarbeitung von Lösungen an der School of Design Thinking des HPI ist so innovativ wie die Lösungen selbst. "Wir versuchen im Rahmen unserer Ausbildung den Studierenden Methoden zu vermitteln, die ihnen eine sehr kreative Herangehensweise an Fragestellungen erlaubt", erläutert Simon Blake. Dazu gehören etwa bestimmte Brainstorming-Techniken wie das negative Brainstorming, bei dem bewusst Ideen gesucht werden, die nicht der Lösungsfindung dienen. Oder das Team begibt sich auf die Suche nach Ideen, die mit einem dritten gänzlich "fremden" Objekt zusammenhängen - alles dient dem Ziel, sich dem Thema von den unterschiedlichsten Seiten anzunähern.

Die Phase des Brainstorming gehört eigentlich schon zur vierten von insgesamt sechs Phasen innerhalb einer 12-wöchigen Projektaufgabe an der School of Design Thinking. In dieser so genannten Ideation-Phase kommen alle von den Team-Mitgliedern entwickelten Ideen gewissermaßen in einen Pool und werden anschließend geclustert, also strukturiert ausgewählt.

Kommunikationsprobleme führten zu enormen Reibungsverlusten

Ihr gehen drei Phasen voraus, in denen zunächst die Fragestellung festgeklopft (Understand-Phase) wird. Es folgt das konkrete Erleben des Problems vor Ort durch Beobachten und Befragen (Observe-Phase), die die Studierenden schnell zum eigentlichen Kern der Problematik führte (Point of View Phase): "Das Team identifizierte rasch Probleme in der Kommunikation als das Hauptproblem bei der Einführung von Software-Anwendungen", sagt Blake. "IT-Spezialisten, Berater, Anwender und Sachbearbeiter sprachen alle eine andere Sprache, was zu großen Reibungsverlusten führte."

In sechs Phasen zur perfekten Software-Einführung

Die Problemlösung an der School of Design Thinking erfolgt in sechs Schritten. Die Team-Mitglieder wechseln zwischen den Phasen hin und her, was die stetige Berücksichtigung von Verbesserungen ermöglicht. Die Ergebnisse zeigen jeweils, wie die Phasen im konkreten SAP-Projekt umgesetzt wurden.

1. Understand: Wo genau liegt das Problem eigentlich?
Ergebnis: SAP-Software-Einführungen leiden in der Umsetzung unter erheblichen Reibungsverlusten.

2. Observe: Befragung der Akteure: Wie verlaufen die Prozesse gegenwärtig?
Ergebnis: Die Umsetzungsphase ist geprägt von einem Nebeneinander egozentrischer Sichtweisen.

3. Point of View: Verdichtung der gewonnenen Erkenntnisse: Wo liegt der Kern des Problems?
Ergebnis: Bei der Einführung von Software kommt es zu erheblichen Kommunikationsschwierigkeiten.

4. Ideation: Ideensammlung. Wie kann das Kernproblem beseitigt werden?
Ergebnis: Indem die prozessualen Bezüge zwischen den Beteiligten am Projekt visuell abgebildet werden.

5. Prototyp: Wie kann die Idee umgesetzt werden?
Ergebnis: Mithilfe eines Stakeboards, das nach dem Vorbild von Gesellschaftsspielen funktioniert und so das prozessuale Netzwerke optimal abbilden kann.

6. Test: Was halten die Akteure des Software-Projektes vom Prototypen?
Ergebnis: SAP hat sich intensiv mit dem Werkzeug-Kasten auseinander gesetzt und will die Erkenntnise für künftige Projekte nutzen.

In der fünften Phase entstand bereits der Prototyp des Stakeboards, das in Phase sechs dann einem Praxistest unterzogen wurde: In diesem Falle handelte es sich dabei um das Feedback bei der Präsentation des Werkzeugsatzes an der School of Design Thinking und auf einer hochkarätig besuchten Kundenveranstaltung von SAP. "Auch wenn wir unsere Arbeit in Phasen unterteilen, durchlaufen die Teams diese doch nie eindimensional", sagt Blake. "Vielmehr handelt es sich hierbei um einen iterativen Prozess, bei dem es ein vor und zurück gibt. Das gibt uns immer wieder die Möglichkeit, Ergebnisse weiter zu verbessern oder sogar eine Idee aufzugeben und eine andere weiterzuverfolgen. Besonders wichtig in diesem Prozess ist uns aber, möglichst rasch einen Prototypen zum Erleben zu bauen, der sehr konkret die Vor- und Nachteile der Idee aufzeigt."

Wichtige Impulse für künftige Software-Projekte

Für SAP ergeben sich aus den Projektergebnissen wertvolle Handlungsanleitungen für künftige Software-Einführungsprojekte. "Das Team hat einen der erfolgskritischen Aspekte derartiger Projekte angepackt, nämlich die Kommunikation zwischen Anwendern in Unternehmen und Technologieexperten" bestätigt SAP-Manager Melich. "Die jetzt entwickelten Methoden und Tools ermöglichen es den Beteiligten, in spielerischer Form die wesentlichen Informationen bei der Prozessaufnahme zu erheben und so zu dokumentieren, dass das System nach Abschluss des Projektes den Bedürfnissen und Erwartungen der Endanwender entspricht. Wir werden aus den Ergebnissen sicher wichtige Impulse für künftige Projekte beziehen."