Open Source versus Closed Source

Sechs Kriterien für die Entscheidungsfindung

24.11.2010 von Carlo Velten
Der Entschluss für oder wider Open Source sollte sich an Innovationsfähigkeit, Support, Sicherheit, Leistung, Preis und Unternehmensgröße orientieren.

Das IT-Research und Beratungshaus Experton Group hat im Lauf der Jahre viele Unternehmen bei der Planung und Umsetzung ihrer Plattformentscheidungen begleitet. Aus diesen Erfahrungen hat es sechs zentrale Kriterien für Unternehmen abgeleitet, die vor der Entscheidung stehen, ob sie Open Source oder kommerzielle Software einführen.

Welche Umgebung verspricht Innovationen?

Open-Source-Software (OSS) steht bei Kritikern im Verdacht, vorhandene Lösungen zu kopieren. Doch das Open-Source-Ökosystem aus Entwicklern, Startups und Integratoren hat in verschiedenen Anwendungsbereichen nachhaltige und kosteneffiziente Innovationen hervorgebracht. Gute Beispiele dafür sind die Datenbank MySQL und das Content-Management-System (CMS) Typo3. Anwender dieser Programme profitieren von einer Fülle zusätzlicher, untereinander kompatibler Tools und Services.

Die internen IT-Mitarbeiter und Entwickler, die sich mit quelloffener Software beschäftigen und in der OSS-Community engagieren, eignen sich darüber hinaus wertvolles Fachwissen an, das dem Unternehmen zugutekommt. Die Vielfalt der OSS-Techniken mit meist standardisierten Schnittstellen bietet speziell Betrieben mit individuellen Anforderungen interessante Lösungsmöglichkeiten, die Anbieter von Closed-Source-Software (CSS) meist nur schwer oder mit erheblichem Aufwand umsetzen.

Speziell im Umfeld Web-basierender Collaboration- und Kommunikationslösungen bietet die Open-Source-Szene viele interessante Lösungen, deren Zukunft durch eine große Entwickler-Community gewährleistet ist. So lassen sich OSS-Wikis, Blogs, Shop- oder Content-Management-Systeme mittlerweile unproblematisch implementieren und weiterentwickeln.

Open-Source-Trends 2009
Open Source wird kommerzieller
Schon in der Vergangenheit haben immer mehr Unternehmen versucht, mit quelloffener Software Geld zu machen. Die Idee dahinter ist simpel: Man stellt die Software kostenlos zur Verfügung und lässt sich für den Support bezahlen. Diese Entwicklung werde sich zwar fortsetzen, so Urlocker. Doch <a href="http://www.computerwoche.de/schwerpunkt/c/CIO.html">CIOs</a> und CTOs gingen das Thema pragmatisch an. Sie bezahlten nicht einfach für den Support, nur weil Anbieter dies verlangten. Für sie zähle der Mehrwert, den Open-Source-Tools für ihr Unternehmen bringen können. Dienstleister seien deshalb gefordert, neue Ideen zu entwickeln, was direkt zum nächsten Trend führt.
Mehr Experimente mit Geschäftsmodellen
Während <a href="http://www.computerwoche.de/schwerpunkt/r/Red-Hat.html">Red Hat</a> mit seinem auf Unternehmen zugeschnitten Subskriptionsmodell erfolgreich agiert, gibt es in der Open-Source-Szene eine große Vielfalt weiterer Geschäftsmodelle. Anbieter wie Alfresco, Pentaho, <a href="http://www.computerwoche.de/schwerpunkt/s/SugarCRM.html">SugarCRM</a> oder <a href="http://www.computerwoche.de/knowledge_center/open_source/1860994/">MySQL</a> haben jeweils eigene Strategien entwickelt. MySQL beispielsweise offeriert den Core Server als reines Open-Source-System, zusätzliche Funktionen sind hingegen nur über eine Abomodell nutzbar. Andere Player, darunter Pentaho oder SugarCRM, statten ihre Enteprise-Produken auch mit Closed-Source-Features aus. Im laufenden Jahr werden die Open-Source-Spezialisten verstärkt mit neuen Geschäftsmodellen experimentieren, um herauszufinden, wie sie Benutzer in zahlende Kunden verwandeln können.
Open Source wird Mainstream
Den bedeutendsten Trend für das Jahr 2009 sieht Urlocker darin, dass sich Open-Source-Software immer mehr zum normalen Bestandteil der grundlegenden IT-Strukturen von Unternehmen entwickelt (siehe auch: <a href="http://www.computerwoche.de/knowledge_center/open_source/1849336/">Die Zukunft von Open Source</a>). Dies gelte vor allem für Betriebssysteme (<a href="http://www.computerwoche.de/schwerpunkt/l/Linux.html">Linux</a> und Co.), Middleware und Datenbanken. Kaum ein Startup-Unternehmen verwende heute noch proprietäre Software. Und immer mehr Firmen sähen in Open-Source-Software einen Weg, <a href="http://www.computerwoche.de/schwerpunkt/i/IT-Kosten.html">IT-Kosten</a> zu kontrollieren. Warum nicht auf Open Source setzen, wenn Google, Alcatel, Nokia oder Associated Press damit zufrieden sind? Gerade in Krisenzeiten ergebe es Sinn, Open-Source-Alternativen ernsthaft zu prüfen.

Sind Service und Support gewährleistet?

Open Office: Wie viele Makros und Formatvorlagen müssen migriert werden?

Wartung und Service von Open-Source-Software benötigt mehr Zeit und Ressourcen als der Betrieb von Closed-Source-Software. Entwickler müssen häufig in Foren nach Lösungen für Bugfixes suchen und können nicht immer auf die Hotline eines kommerziellen Softwareanbieters vertrauen. Haben die eigenen IT-Mitarbeiter allerdings schon OSS-Erfahrung sammeln können, so ist die Problemlösung der Community teilweise effektiver und schneller als der traditionelle Support via E-Mail und Telefon.

Immer mehr OSS-Lösungen werden zudem von IT-Anbietern vertrieben und betreut. Distributoren wie Novell (Suse) und Red Hat betreiben seit Jahren einen professionellen Service für Unternehmen. Für viele weitere OSS-Lösungen gibt es spezialisierte IT-Dienstleister. Vor der Einführung einer quelloffenen Lösung sollten allerdings immer Integrationsanforderungen geklärt werden. So kann etwa die Umstellung von Microsoft Office auf Open Office an der Vielzahl der Makros und Dokumentvorlagen scheitern, die zu konvertieren wären. Der Migrationsaufwand und der mögliche Produktivitätsverlust durch die Einarbeitung der Anwender können die Lizenzeinsparungen aufzehren.

Wie hoch sind die Kosten und Lizenzpreise?

Alfresco: quelloffene Software für die Dokumentenverwaltung.
Foto: namics

Quelloffene Software kostet im Gegensatz zu kommerziellen Programmen keine Lizenzgebühren. Diesen Einsparungen stehen allerdings Investitionen in die Ausbildung der Mitarbeiter sowie höhere Wartungskosten gegenüber. Zudem verlangen auch die professionellen Anbieter von Open-Source-Lösungen (Red Hat, Novell, Alfresco) regelmäßige Servicegebühren. Generell profitieren solche Unternehmen am meisten vom OSS-Einsatz, deren IT-Mitarbeiter sich mit quelloffenen Alternativen auskennen. IT-Organisationen ohne jegliche OSS-Erfahrungen sollten sich nicht von möglichen Einsparungen bei den Lizenzkosten verleiten lassen. Ratsam ist es, zunächst einfache OSS-Projekte zu starten (etwa E-Mail- und Web-Server, Firewall), um so interne Ressourcen und Kenntnisse aufzubauen. Erst dann sollten umfangreiche Projekte (unternehmenskritische Datenbanken, Portale) in Angriff genommen werden.

Wie leistungsstark und anwenderfreundlich ist die Software?

Kleinere Entwickler-Communities konnten in der Vergangenheit nicht in dem Rahmen auf finanzielle Ressourcen und Hardwareinstallationen zurückgreifen wie die großen IT-Anbieter. Damit hatten sie keine Möglichkeit, Last- und Performance-Tests für Datenbanken und Betriebssysteme in großen IT-Umgebungen zu betreiben. Mit der Unterstützung von namhaften Hardware-und Softwareanbietern wie IBM, Hewlett-Packard (HP), SAP und Novell hat sich das geändert. Eine Vielzahl von OSS-Anwendungen arbeitet in den branchenüblichen Benchmarks auf Augenhöhe mit kommerzieller Software. In Nischenbereichen kann es allerdings immer wieder vorkommen, dass Performance und Usability von OSS-Lösungen hinter kommerziellen Varianten herhinken.

Ist die IT-Umgebung sicher?

Linux oder Windows? Ist das Know-how vorhanden? Wo gibt es Support?

OSS galt verglichen mit kommerzieller Software lange Zeit als sicherer: Weil viele Entwickler ein Auge auf Sicherheitslücken haben, wurden Probleme schneller erkannt und behoben. Das Prinzip des offenen Sourcecodes hat die Basis für die kollaborative Weiterentwicklung der Software innerhalb der Community geschaffen. Auf diese Weise konnte Linux über die Jahre von einer Nischenlösung zu einem Betriebssystem reifen, das mittlerweile in fast allen IT-Anwendungsbereichen (vom einfachen Web-Server zum Highscale-Computing) zum Einsatz kommt.

Mit zunehmender Attraktivität der quelloffenen Software zeigt sich aber auch die Kehrseite der Medaille. Der offene Sourcecode macht es potenziellen Eindringlingen leichter, Software zu knacken, da auch die Schwachstellen öffentlich sind. Problematisch ist zudem, dass in professionell vertriebenen Linux-Distributionen Haftung, Service und Support hinfällig sind, wenn Anwender selbst die Software und den Kernel anpassen, um aktuelle Security-Löcher zu stopfen. Letztlich muss sich ein Anwender mit Supportvertrag doch auf das Sicherheits-Management seines Anbieters verlassen.

Eine OSS-Lösung ohne Supportvertrag im produktiven Betrieb benötigt eine eigene IT-Mannschaft mit entsprechende Erfahrungen und Kompetenzen, die sicherheitsrelevante Updates schnell einspielen kann. Die Suche nach Patches und die unterschiedlichen Release-Zyklen von Open-Source-Software können viel Zeit kosten, insbesondere wenn Unternehmen viele OSS-Lösungen im Einsatz haben. Hier sind Anwender kommerzieller Software im Vorteil, da die Anbieter häufig die Sicherheit mehrerer Komponenten zentral verwalten und zum Teil automatisiert haben.

Welche Lösung ist für welche Unternehmensgröße passend?

Die Entscheidung zwischen Open Source und Closed Source hängt auch von der Unternehmensgröße und der IT-Strategie ab.

Unternehmen mit ein bis 50 PC-Arbeitsplätzen: Kleine Firmen haben selten Mitarbeiter, die sich ausschließlich um die IT kümmern. Für diese Firmen ist es unwirtschaftlich, Open-Source-Kompetenzen und -Ressourcen aufzubauen, die für einen profitablen IT-Betrieb notwendig sind. Sie haben oft einen Großteil ihrer IT-Infrastruktur an regionale Systemhäuser ausgelagert. Wollen kleine Unternehmen von den Open-Source-Vorteilen profitieren, müssen sie mit ihrem IT-Partner sprechen. Hat er die erforderliche Erfahrung und Kompetenz, lassen sich erste Projekte meist einfach realisieren. Unternehmenskritische Anwendungen wie ERP, CRM oder Portale sollte allerdings nur ein spezialisierter OSS-Anbieter oder -Berater installieren.

Unternehmen mit 50 bis 1000 PC-Arbeitsplätzen: Viele Mittelständler streben eine homogene IT-Architektur an oder wollen zumindest in speziellen Anwendungsbereichen die jeweils beste Lösung aus dem Open- und Closed-Source-Angebot wählen. Erfahrungsgemäß ist es sehr schwer, eine einheitliche IT-Architektur einzuführen und zu bewahren. Zu- und Verkäufe von Unternehmen und Abteilungen sowie aktuelle Projekte machen diesen Plan schnell zunichte. Ratsam ist eine ausgewogene Mischung aus Open-Source- und kommerzieller Software. Die quelloffenen Programme sollen dabei mehrheitlich auf Servern und selten auf Clients implementiert werden. Viele Open-Source-Lösungen im Infrastruktur- und Content-Management-Umfeld (CMS, Collaboration, E-Mail) lassen sich heute schon ohne Bedenken einsetzen. Dagegen sollten prozessgetriebene und betriebswirtschaftliche OSS-Anwendungen nicht vorschnell eingeführt werden.

Großunternehmen mit mehr als 1000 PC-Arbeitsplätzen: In Großunternehmen ist die Frage nach Open-Source-Software in der Regel schon beantwortet. Aufgrund der vielfältigen Anforderungen in unterschiedlichen Nutzergruppen ist Open Source bereits Realität. IT-Abteilungen sollten sich darauf konzentrieren, das Innovations- sowie Kostensenkungspotenzial zu heben. Zudem können es sich Großunternehmen leisten, interne Ressourcen und Kompetenzen aufzubauen, um langfristig von den Chancen von OSS zu profitieren. Hier stellt sich allenfalls die Frage nach der Intensität, mit der IT-Organisationen sich mit OSS beschäftigen. (jha)