Cloud-Plattform ersetzt eigenes Rechenzentrum

Scout24 hievt Immobilienportal in die AWS Cloud

17.01.2019 von Barbara Feldmann
Nach AutoScout 24 migriert der Online-Marktplatzbetreiber Scout24 sein Immobilienportal in die AWS-Cloud. Erfolgsentscheidend ist für die IT-Verantwortlichen unter anderem ein genaues Monitoring der Cloud-Umgebungen.

Fahrzeuge, Immobilien, Versicherungen, Finanzprodukte - über die Online-Marktplätze der Scout24 AG können Händler ein breitgefächertes Portfolio bereitstellen. Schon früh begann der Portalbetreiber mit dem Umzug seiner Infrastrukturen in die Cloud. 2014 startete die Migration von AutoScout24 auf eine Plattform von Amazon Web Services (AWS). Mit dem Umzug von ImmobilienScout24 stieß das Unternehmen ein weiteres großes Projekt an, dieses Mal jedoch mit einer komplett neuen Strategie. Denn im Gegensatz zur AutoScout24-Migration gilt für das Immobilienportal: Erst umziehen, dann optimieren.

Von der Cloud-Migration erhofft sich die Scout24 AG vor allem mehr Flexibilität.
Foto: Scout24

CIOs müssen in den seltensten Fällen noch mit Überredungskunst aufwarten, wenn sie IT-Infrastrukturen in die Cloud verlagern wollen: Vorteile wie eine hohe Ausfallsicherheit, die vielseitigen Möglichkeiten zur Automatisierung, umfassende Recovery-Funktionen oder auch die Kostentransparenz dank Pay-per-Use-Modell sprechen für sich. So auch bei Scout24: "Die Verlagerung von ImmobilienScout24 in die AWS-Cloud verschafft uns deutlich mehr Flexibilität.

Hohe Vorfinanzierungskosten oder ausufernde Hardware-Investitionen sind für uns damit kein Thema mehr", erläutert Johannes Brück, Principal Platform Engineer bei Scout24. Einen zusätzlichen Bonus sieht der IT-Professional in der hohen Geschwindigkeit, mit der die Entwickler-Teams bei Scout24 nun neue Produkte ausarbeiten könnten. Scout24 setzt auf agile Entwicklungsprozesse, die nicht nur Flexibilität in den Arbeitsprozessen, sondern auch bei den zugrundeliegenden Infrastrukturen voraussetzen.

Lokale Data Center stoßen an Grenzen

Seine Kollegin Jannet Faiz, die als Engineering Managerin bei Sout24 für das Cloud Migration-Team von ImmobilienScout24 verantwortlich zeichnet, unterstreicht die Bedeutung dieses Projekts: "Was uns AWS in Sachen Bereitstellung und Innovation ermöglicht, können wir mit unseren Datenzentren einfach nicht erreichen." Der kontinuierliche Zugriff auf State-of-the-Art-Technologien sei eine zusätzliche Stärke - es handele sich laut Faiz um Tools und Lösungen, die sich im hauseigenen Rechenzentrum gar nicht mit einer rentablen Geschwindigkeit replizieren ließen.

Zudem betrachten die IT-Verantwortlichen von Scout24 den Betrieb von Infrastrukturen wie beispielsweise Datenbanken nicht als zentrale Aufgabe ihrer Mitarbeiter. Das könnten - so Faiz und Brück einhellig - Dienstleister wie AWS, Google oder andere Cloud-Anbieter effizienter. Scout24 bleibt mit diesen externen Services der Rücken frei für das Kerngeschäft.

Dazu Brück: "Die großen Player im Cloud-Markt stecken viel größere Investitionen in ihre Infrastruktur und damit auch in wichtige Aspekte wie Systemstabilität und Service-Qualität, als es für uns jemals sinnvoll wäre." Erklärtes Ziel von Scout24 ist es, in einigen Jahren keine eigenen Rechenzentren mehr für seine Marktplätze zu betreiben.

Strategiewechsel: Nach Re-Architecting nun Re-Platforming

Während der Modernisierung der AutoScout24-Architektur gab es grundlegende Änderungen wie den Wechsel der Systemsprache von .net zu Scala oder den Austausch der Betriebssysteme von Windows zu Linux. Die Optimierung der bestehenden Architektur und der Umzug in die Cloud erfolgten parallel - ein erfolgreicher, in weiten Teilen allerdings auch sehr zeitintensiver Migrationsansatz.

Während der Cloud-Umzug von AutoScout24 dem Prinzip des "Re-Architecting" folgte, wird das Immobilienportal von Scout24 heute als Ganzes auf eine neue Plattform gesetzt - dementsprechend ist in diesem Kontext von "Re-Platforming" die Rede. Nach einer ausführlichen Evaluations- und Planungsphase ist das Projekt zu Beginn des zweiten Quartals 2018 in die aktive Umsetzung gestartet.

Der Abschluss des Vorhabens ist mit dem Herunterfahren des hauseigenen ImmobilienScout24-Data Center für Ende 2019 vorgesehen. Im Vergleich zur AutoScout24-Migration erscheint der Umzug von ImmobilienScout24 eher schlank: Während bei der Autobörse die komplette Architektur neu gestaltet und der Code in weiten Teilen neu geschrieben wurde, steht bei ImmobilienScout24 der Umzug in die Cloud im Fokus - mögliche Optimierungen an der Architektur erfolgen nach dem Umzug.

Vorab werden nur Änderungen vorgenommen, die für den Ortswechsel als unverzichtbar gelten. Der maßgebliche Grund für diese pragmatische Herangehensweise liegt darin, dass die Immobilienplattform bereits vor dem Umzug in die Cloud auf einer virtuellen Maschine (Java Virtual Machine - JVM) und zudem ausschließlich unter Linux lief. "Die neue Umgebung, in die ImmobilienScout24 umzieht, sieht dennoch deutlich anders aus als das, was wir bisher im Rechenzentrum vorgehalten haben", so Johannes Brück. "Deshalb nutzen wir Container-Technologien wie zum Beispiel Docker. Das erlaubt uns, unsere Anwendungen zu standardisieren und auf nahezu jeder Plattform zu betreiben."

Accelerated Migration sorgt für schnelle Prozesse

Anknüpfend an den grundlegenden Gedanken eines Re-Platformings erläutert Teamchefin Jannet Faiz einen weiteren, ebenfalls neuen Strategieaspekt hinter der Migration der Immobilienplattform: "Da wir hier mit komplett anderen Voraussetzungen an den Start gehen als vor der Modernisierung von AutoScout24, haben wir beschlossen, bei ImmobilienScout24 einen neuen Weg einzuschlagen. Mit Accelerated Migration verfolgen wir eine Arbeitsweise, die vor allem auf die Replizierbarkeit von Bausteinen und Prozessen setzt." Faiz und ihre Kollegen arbeiten bis zum geplanten Abschalten des ImmobilienScout24-Rechenzentrums in einem dedizierten Team am Umzug des Immobilienportals.

In den Projekten mit AWS legt Scout24 Wert auf ein detailliertes Monitoring der genutzten Cloud-Services.
Foto: Scout24

Im Rahmen des Migration Acceleration-Programm von AWS bilden die IT-Mitarbeiter von Scout24 den Kern der so genannten "Migration Factory" - die Migrationsfabrik, unter deren Dach neben den beteiligten Mitarbeitern auch klar definierte Prozesse und die passenden Werkzeuge beheimatet sind. Das Migrationsteam identifiziert in enger Absprache mit allen Bereichen und Abteilungen der Organisation die so genannten "Migration Patterns". Hierbei handelt es sich um Modellprozesse, die sowohl operationale auch migrationsspezifische Abläufe abbilden.

Der Vorteil: Sie können während der gesamten Migration innerhalb des Re-Platforming-Projekts von ImmobilienScout24 wiederverwertet werden. "In der initialen Phase des Projekts war es durchaus aufwändig, Prozesse zu identifizieren und die Modelle zu definieren. Der große Beschleunigungseffekt komme jetzt, mit der eigentlichen Migration von ImmobilienScout24", betont Faiz.

Monitoring bis in die Tiefen der Plattform

Als Leiterin des Migration-Teams für ImmobilienScout24 weiß Jannet Faiz, dass die Herausforderungen in einem derartigen Projekt vielschichtig sind - sie sieht sie sowohl auf kultureller, organisatorischer als auch auf technischer Ebene. Während insbesondere die Akzeptanz bei den Mitarbeitern und eine weitsichtige Projektplanung Erfahrung und Fingerspitzengefühl verlangen, muss zum Erkennen etwaiger technischer Hürden oder fehlerhafter Workflows zusätzlich eine Monitoring-Lösung ins Spiel kommen.

Arthur Zapparoli, der als Leiter des Observability-Teams vor allem dafür zu sorgen hat, dass die IT-Systeme des Dienstleisters mess- und beobachtbar sind, setzt dabei auf eine Monitoring-Lösung des amerikanischen Softwareanbieters Datadog. "Wir brauchen übersichtliche und leicht konfigurierbare Dashboards, die über gute Funktionen zur Visualisierung der Ergebnisse verfügen", beschreibt der die Anforderungen.

Bei der Tool-Auswahl hätten auch Aspekte wie Compliance und Datenschutz eine Rolle gespielt. "Wir wollen nicht nur von außen auf die Infrastruktur blicken", erläutert der IT-Experte. "Wir müssen auch sehen, was in den virtuellen Maschinen passiert." Zu diesen Einblicken gehörten etwa Kennzahlen zur Speicherauslastung oder auch die Anzahl der aktuell laufenden Prozesse. Dabei handele es sich um Informationen, die das Migrationsteam von AutoScout24 mit der AWS-eigenen Lösung CloudWatch nicht erhalten könne.