Schwedischer ERP-Anbieter IFS fordert SAP heraus

11.05.2006
Das schwedische Softwareunternehmen IFS sieht sich gut gerüstet, der SAP Kunden aus dem gehobenen Mittelstand wegzuschnappen. Helfen soll dabei eine stark ausgebaute Business-Software.

Bisher zählte der ERP-Hersteller Industrial Financial Solutions (IFS) eher zu den Leisetretern der Branche. Ihren Bekanntheitsgrad wollen die Wikinger nun steigern - natürlich auch die Umsätze. In Deutschland sieht sich die Firma vor allem mit SAP konfrontiert. "IFS und SAP sind die einzigen international agierenden ERP-Hersteller, die in den letzten Jahren weder übernommen wurden noch mit einem anderen Marktteilnehmer fusioniert haben", meint Alastair Sorbie, CEO des an der Stockholmer Börse notierten Softwarehauses mit Hauptsitz in Linköping. Der seit Anfang März amtierende Firmenchef legte die Strategie seines Unternehmens vor Kunden und Partnern auf einer Konferenz am deutschen Sitz in Erlangen dar. Zwar zählten neben SAP Firmen wie SSA Global, Infor Global Solutions und der zu Oracle gehörende Anbieter J.D. Edwards auch zur Konkurrenz. Doch deren Kunden seien durch die Übernahmen verunsichert. Dies käme IFS zu Gute. Ganz ohne Übernahmen agierte IFS jedoch nicht: Lange vor Sorbies Amtsantritt hatten sich die Schweden sich in den Deutschen Markt eingekauft: Ende 1998 übernahm das Unternehmen den Anbieter GSB aus Erlangen. Weltweit beschäftigt das Unternehmen 2600 Mitarbeiter.

IFS-CEO Alastair Sorbie sieht sich gut gegen SAP gerüstet.

Vorteile gegenüber SAP sieht Sorbie in der flexibleren Software, den kürzeren und günstigere Implementierungszeiten sowie dem direkten Draht der Anwender zum Hersteller. Im Gegensatz zu den Walldorfern würden Kunden direkt von IFS betreut. Wegen dieser Vorteile finde man zunehmend Gehör bei Anwendern, die bereits SAP für das Finanzwesen eingeführt haben, jedoch für die Produktionssteuerung noch keine Entscheidung getroffen haben. "Das Leben neben SAP wird erträglicher", so Sorbie. Hauptsächlich Anwender, die 100 bis 500 Benutzer mit ERP-Funktionen ausstatten wollen, hat IFS im Visier. Viele davon interessierten sich für ERP-Lösungen, die sich weltweit ausrollen lassen.

Auch Chief Technology Officer Dan Johnsson sparte nicht mit Seitenhieben auf die Konkurrenz: "SAP und Oracle benutzen Service-orientierte Architekturen als Rechtfertigung für Milliardeninvestitionen, um monolithische Software in Komponenten aufzubrechen." Zudem würden diese Firmen den Kunden Infrastruktursoftware aufzwingen. IFS dagegen habe nur den Verkauf von Business-Software im Sinn und betreibe kein Geschäft mit Middleware. Johnsson zufolge bestehe die IFS-Software schon seit Jahren aus Komponenten, weshalb die Erweiterung der Plattform in Richtung Service-orientierte Architekturen (SOAs) ohne große Anstrengungen möglich sei.

In Release 7 können Systemverwalter die Rechte sehr fein einstellen.

SOA-Unterstützung ist denn auch eine wichtige Neuerung in "IFS Applications 7", dem aktuellen Release des Softwarehauses. Mit diesem Produkt könnten Anwender auf Programmfunktionen per Web-Service zugreifen, womit auch die Integration mit Drittsystemen erleichtert werde. Solche standardisierten Zugriffsmethoden gestatten es laut Johnsson ferner, andere Client-Software an IFS-Programme anzubinden. Flexibler soll auch die Anpassung der Benutzeroberflächen vonstatten gehen. Die Unicode-Fähigkeit kommt Anwendern entgegen, die viele Sprachen in ihrem ERP-System abbilden müssen. Anwender können ab der Version 2001 direkt auf IFS Applications 7 migrieren. Anwender, die eigene Systemanpassungen vorgenommen haben, um den ERP-Standard zu erweitern, können diese möglicherweise nun durch Funktionen der der neuen Version ersetzen. Laut Hersteller wurden zahlreiche Kundenwünsche bei der Entwicklung berücksichtigt.

Unter anderem Funktionen für das Supply Chain Management und das Projektgeschäft hat IFS hinzugefügt. Sie helfen Firmen dabei, die behördlichen Auflagen in unterschiedlichen Ländern zu erfüllen. Zudem liefern diese Methoden für das Fertigen in mehreren Werken sowie Mischfertigung. Aufgebaut wurden ferner die Call-Center-Funktionen, Ressourcenverwaltung und -planung sowie das Vertrags-Management. Diese Mechanismen sind für Anwender gedacht, die Kundendienst anbieten beziehungsweise solche, die Dienstleistungen wie etwa Produktwartung offerieren.

Keine Festlegung auf Middleware

In puncto Middleware stützt sich IFS auf Java-Server. Standardmäßig liefert der Hersteller sein ERP-Produkt mit dem Applikations-Server Jboss aus, es lässt sich jedoch auch unter Websphere von IBM sowie Oracles Applikations-Server betreiben. Da die IFS-Lösung nun den Standard JSR 168 unterstützt, können Anwender Portale auf Basis von Produkten wie "Websphere Portal" errichten, die ERP-Funktionen sowie Informationen und Dienste von Drittsystemen in einer Web-Oberfläche anbieten.

Neu hinzugekommen ist der "IFS Solution Manager". Mit dem Tool sollen Administratoren den Betrieb von Applikationen sowie die Benutzer- und Rechteverwaltung leichter und kostengünstiger bewerkstelligen können. Dass dieses Werkzeug genauso heißt wie eine Verwaltungssoftware bei SAP, sei purer Zufall.

Sicherheitsmechanismen im ERP-System

Mit einem Zusatzprodukt lässt sich Microsofts Excel mit dem ERP-System verknüpfen.

Das neue Release soll zudem Applikationen sicherer machen. Mechanismen in der ERP-Software schützen vor unberechtigten Zugriffen. Beispielsweise lassen sich Administrationsrechte genauer als bisher spezifizieren. Auf diese Weise sollen Manipulationen am Datenbestand durch Systemverwalter verhindert werden. Klar aufgeteilte Benutzerrechte seien schon deshalb wichtig, weil Compliance-Richtlinien dies vorschreiben. Standardmäßig wird die IFS-Umgebung im Locked-down-Mode installiert: nur unbedingt erforderliche Funktionen sind für die Benutzer freigeschaltet. Weitere Sicherheitsmaßnahmen umfassen die Verschlüsselung von Daten sowie den Betrieb der Server in von Firewalls abgeschotteten Zonen (DMZ).

Office-Integration

Im Herbst will IFS mit "Office Reporter" eine Zusatzlösung auf den Markt bringen, mit der Excel-Anwender Berichte aus ERP-Daten erzeugen können. Eine direkte Verknüpfung mit dem Office-Programm erlaubt dabei nicht nur das Auslesen, sondern auch das Zurückschreiben in die ERP-Datenbank. Neben dieser Basisfunktion erhalten Käufer eine vorkonfigurierte Excel-Anwendung zur Budget-Verwaltung.

Den größten Teil der Kunden bedient IFS tatsächlich direkt. Zwar gibt es Partner, doch sie trägen nur zu 23 Prozent zum Umsatz bei. Vertriebskooperationen geht der Hersteller zum Beispiel für Regionen ein, in denen er keine eigene Niederlassungen unterhält sowie in bestimmten Branchen wie beispielsweise der Verteidigungsindustrie. Um an Aufträge etwa beim amerikanischen Militär zu kommen, müsse eine schwedische Firma mit System-Integratoren und Beratungshäusern zusammenarbeiten, die über einschlägige Kontakte verfügen.

Zu den 2200 Kunden von IFS zählt der Ski-Hersteller Völkl. Das Unternehmen nutzt die ERP-Lösung unter anderem für die Finanzbuchhaltung, Versand und Materialwirtschaft. Derzeit verwendet der Sportartikelhersteller die Version 2004, hat aber die Migration auf das Release 7 bereits ins Auge gefasst. "Insbesondere wegen der Funktionen zum weltweiten Betrieb ist Applications 7 von Interesse für uns", so IT-Leiter Gerold Fath im Gespräch mit der COMPUTERWOCHE. Völkl hatte zuvor das ERP-System "IFS-IV" im Einsatz, nutzt inzwischen aber "IFS Applications". Das Produkt IV geht auf die von IFS gekaufte GSB zurück. Völkls Firmentochter Marker, Hersteller von Skibindungen, nutzt ebenfalls IFS-Systeme. Derzeit überführt Fath die ERP-Datenbanken der Landesgesellschaften in eine zentrale Umgebung. Völkl und Marker sind wiederum Teil des amerikanischen Konzers K2, was jedoch keinen Einfluss auf die ERP-Strategie hat.

Ein weiterer IFS-Kunde, die Franke Gruppe, rollt zur Zeit das Release 2004 in unterschiedlichen Landesgesellschaften aus. Der Konzern ist vor allem als Hersteller von Küchensystemen wie Spülen bekannt. Über ein in Deutschland entwickeltes globales Template will CIO Christian Sperka ERP-Prozesse standardisieren. Die rund 40 konzernweit genutzten ERP-Lösungen möchte Sperka sukzessive durch das IFS-Produkt ersetzen. Da der Rollout noch im Gange ist, kommt für den IT-Manager die Version 7 noch nicht in Frage, wohl aber das nächste Release 8.

Sowohl Sperka als auch Fath schätzen den direkten Kontakt zum ERP-Lieferanten, und zwar sowohl zur deutschen Niederlassung als auch zu den Entwicklern in Schweden. (fn)