Stellenabbau - Folgen für die Arbeitnehmer

Schreckgespenst betriebsbedingte Kündigung

29.06.2012 von Renate Oettinger
Kommt es zu Entlassungen im großen Stil, muss auf Arbeitsgeberseite vor allem auf Sozialverträglichkeit geachtet werden.
Häufig drohen Unternehmen mit dem Schreckgespenst Entlassung: Gar nicht lustig...
Foto: jokatoons - Fotolia.com

In den Nachrichten haben sich jüngst die Meldungen gehäuft, wonach große namhafte Unternehmen Stellen abbauen wollen. Hierzu wird meist mitgeteilt, der Stellenabbau solle "sozialverträglich" erfolgen und "betriebsbedingte Kündigungen" sollten tunlichst vermieden werden.

Was das bedeutet und welche Konsequenzen für Arbeitnehmer entstehen, erläutert der Düsseldorfer Fachanwalt für Arbeitsrecht Stefan Haas, Mitglied im VDAA - Verband deutscher ArbeitsrechtsAnwälte e. V. mit Sitz in Stuttgart, in groben Zügen.

Unter einem sozialverträglichen Stellenabbau verstehen die Arbeitgeber meist, dass auf betriebsbedingte Kündigungen verzichtet werden soll. Der Arbeitsplatzabbau soll durch das Auslaufen-Lassen befristeter Arbeitsverhältnisse, Eigenkündigungen von Arbeitnehmern oder den Abschluss von Aufhebungsvereinbarungen mit hierzu bereiten Arbeitnehmern gegen Zahlung einer Abfindung bewerkstelligt werden. Kommt allerdings auf diese Weise die vom Arbeitgeber gewünschte Quote nicht zustande, greift er notgedrungen doch zu betriebsbedingten Kündigungen, so Fachanwalt Haas.

Tipps für Kündigung und Trennung
Tipps für Kündigung und Trennung
Wenn Mitarbeiter entlassen werden müssen, sollte dies möglichst schmerzfrei erfolgen. Frank Adensam sagt, wie Sie dabei vorgehen sollten.
Sorgfältig vorbereiten
Das setzt eine sorgfältige Vorbereitung voraus. Diese gelingt Unternehmen am besten, wenn sie, sobald feststeht, dass Mitarbeiter entlassen werden müssen, ein Drehbuch für den Kündigungs- und Trennungsprozess schreiben.
Ruhig und sachlich bleiben
In der Regel sollte der unmittelbare Vorgesetzte die betroffenen Mitarbeiter über ihre Kündigung informieren - selbst wenn diese von der Personalabteilung versandt wird. Auf dieses Gespräch muss er sich vorbereiten. Unter anderem, indem er sich im Vorfeld fragt: Teile ich in dem Gespräch dem Mitarbeiter nur die Kündigung mit und setze ich mich mit ihm anschließend nochmals zusammen, um zu vereinbaren, wie die Trennung gestaltet wird?
Nicht um den heißen Brei reden
Oft wollen Führungskräfte das Kündigungsgespräch möglichst schnell hinter sich bringen. Die Folge: Sie stoßen den Mitarbeiter vor den Kopf, indem sie ihm unvermittelt die Nachricht "Sie sind entlassen" entgegenschleudern. Zuweilen scheuen sie sich aber auch, die unangenehme Botschaft auszusprechen und reden um den heißen Brei herum. Beides ist unangebracht.
Emotionen akzeptieren
Auf diese Nachricht reagieren Mitarbeiter unterschiedlich - manche geschockt, manche gelassen, manche wütend. Lassen Sie zu, dass Ihr Mitarbeiter Emotionen zeigt. Äußern Sie hierfür Verständnis. Und geben Sie ihm ausreichend Zeit, die Fassung wiederzugewinnen. Gelingt ihm dies nicht, sollten Sie das Regeln der Trennungsmodalitäten vertagen - zum Beispiel, indem Sie vorschlagen: "Herr/Frau Müller, sicher müssen Sie den Schock erst verdauen. Was halten Sie davon, wenn wir uns übermorgen nochmals zusammensetzen und darüber reden ..."
"Sie haben doch gesagt, ..."
Ein Vorwurf, mit dem Führungskräfte bei Kündigungen oft konfrontiert werden, ist: "Aber vor einem Monat planten Sie mit mir doch noch ..." Oder: "Bei der Weihnachtsfeier sagten Sie, unsere Arbeitsplätze seien sicher." Dann sollten Sie zu Ihren Worten und Taten stehen. Bedauern Sie Ihren Irrtum. Sagen Sie, dass Sie zum damaligen Zeitpunkt die Situation anders einschätzten, diese sich aber in der Zwischenzeit aufgrund der Faktoren A, B, C geändert hat.
"Warum gerade ich?"
Dessen ungeachtet werden die zu kündigenden Mitarbeiter stets fragen: Warum gerade ich? Geben Sie dem Mitarbeiter eine inhaltlich verständliche Erklärung. Auf keinen Fall sollten Sie sich aber auf eine Diskussion über die Auswahlkriterien einlassen. Denn wer die Gründe für die Kündigung diskutiert, diskutiert die Kündigung selbst.
Kündigung begründen, ohne zu kränken
Entlässt ein Unternehmen mit mehr als 20 Mitarbeitern betriebsbedingt eine größere Zahl von Mitarbeitern, dann muss deren Auswahl meist gemäß den gesetzlichen Vorgaben anhand von Kriterien wie Alter, Familienstand und Dauer der Betriebszugehörigkeit erfolgen. Auch dann ist das Begründen vergleichsweise einfach, denn die Auswahl basiert auf objektiven Kriterien. Deshalb kann der Mitarbeiter eine solche Auswahl leichter akzeptieren als eine personenbezogene.
Die Zeit bis zum Ausscheiden regeln
Ist die Kündigung ausgesprochen und begründet, geht es darum, die Zeit zwischen der Kündigung und dem Austritt aus dem Unternehmen zu regeln. Hierfür können Sie einen separaten Termin vereinbaren. Im Trennungsgespräch selbst sollten Sie Ihrem Mitarbeiter einen Weg aufzeigen, wie der Trennungsprozess gestaltet werden kann. Außerdem sollten Sie ihm Hilfe beim Suchen einer neuen Stelle anbieten.
Den Blick wieder in Richtung Zukunft wenden
Oft ist eine bezahlte Freistellung bis zum Ausscheidetermin für beide Parteien die sinnvollste Lösung. Für die Gekündigten hat dies den Vorteil: Sie können sich voll auf das Entwickeln einer neuen Perspektive konzentrieren.

Unter einer betriebsbedingten Kündigung versteht man dabei eine solche, die durch "dringende betriebliche Erfordernisse" bedingt ist. Der Arbeitgeber strukturiert sein Unternehmen um. Das kann er etwa dadurch tun, dass er bestimmte Arbeitsbereiche komplett einstellt. Ein solcher Fall liegt aber schon nicht vor, wenn der Arbeitgeber überhaupt keine (Teil-)Stilllegung beabsichtigt, sondern etwa einen Teil des Betriebs auf einen Erwerber übertragen will. In diesen Fällen ist die Kündigung ausgeschlossen, die Arbeitsverhältnisse der betroffenen Arbeitnehmer gehen stattdessen aufgrund gesetzlicher Regelung des § 613a BGB auf den Erwerber über.

Im Fall tatsächlich beabsichtigter Betriebseinschränkung entsteht hingegen ein sogenannter Arbeitskräfteüberhang. Den "überschüssigen" Arbeitnehmern kann dann betriebsbedingt gekündigt werden. Der Arbeitgeber muss zuvor prüfen, ob er die Möglichkeit anderweitiger Beschäftigung für die an sich überschüssigen Arbeitnehmer hat. Ist das nicht der Fall, muss er eine "Sozialauswahl" treffen, also entscheiden, welche Mitarbeiter von mehreren in Betracht kommenden er überhaupt kündigen kann.

Kriterien der "Vergleichbarkeit"

Das hängt nicht zuletzt zunächst davon ab, welche Mitarbeiter "vergleichbar" sind, was sich wiederum nach arbeitsvertraglichen Regelungen und nach den tatsächlichen Einsatzgebieten richtet. Unter den danach vergleichbaren Arbeitnehmern ist dann die Sozialauswahl vorzunehmen. Die im Gesetz genannten Kriterien "Dauer der Betriebszugehörigkeit", "Lebensalter", "Unterhaltspflichten" und "Schwerbehinderung" sind ausreichend zu berücksichtigen. Selbstverständlich muss der Arbeitgeber die jeweiligen Kündigungsfristen beachten. Überdies genießen manche Arbeitnehmer einen noch weitergehenden Kündigungsschutz, zum Beispiel, weil sie schwerbehindert, schwanger, in Elternzeit, Betriebsratsmitglied oder etwa vertraglich unkündbar sind.

Kein genereller Anspruch auf Abfindung

Entgegen weit verbreiteter Auffassung haben Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis wirksam gekündigt wurde, grundsätzlich keinen Anspruch auf eine Abfindung, betont Haas. Wenn eine solche gezahlt wird, ist das in der Regel das Resultat von Verhandlungen zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber, die anlässlich beabsichtigter, bereits ausgesprochener oder im Zusammenhang mit Aufhebungsverträgen geführt werden.

Vorsicht ist bei dem Abschluss solcher Aufhebungsverträge geboten, so Fachanwalt Haas. Diese berücksichtigen die Interessen der Arbeitnehmer oft nicht hinreichend. Vor allem können sie aber sozialversicherungsrechtliche Nachteile nach sich ziehen. So kann die Arbeitsagentur gegenüber dem Arbeitnehmer eine Sperre des Arbeitslosengeldes bis zu zwölf Wochen verhängen, wenn dieser ohne wichtigen Grund sein Arbeitsverhältnis gelöst hat, was bei dem Abschluss eines Auflösungsvertrags nicht fern liegt. Weitere Sanktionen sind möglich. Insbesondere sollen sich Arbeitnehmer in ihnen angebotenen Aufhebungsverträgen auch nicht von dort angebotenen, teilweise sogar recht hohen Abfindungszahlungen blenden lassen. Diese Abfindungszahlungen sind nämlich nach dem sogenannten Fünftelungsprinzip zu versteuern und erfahrungsgemäß im Fall längerer Arbeitslosigkeit schnell aufgezehrt.

Handelt es sich um eine größere Personalabbaumaßnahme, ist in der Regel auch der Betriebsrat im Rahmen eines sogenannten Interessenausgleichs-/Sozialplanverfahrens einzubeziehen. Der Betriebsrat hat die vorgesehenen Maßnahmen nur aus betriebsverfassungsrechtlicher Sicht zu prüfen. Er nimmt die Interessen des individuellen Arbeitnehmers gerade nicht wahr. Vielmehr werden bei Beteiligung des Betriebsrats zwischen diesem und dem Arbeitgeber oftmals sogenannte Namenslisten vereinbart, in denen die zu kündigenden Arbeitnehmer genannt sind. Wer auf einer solchen Namensliste steht, hat es erfahrungsgemäß schwerer, gegen die Kündigung vorzugehen.

Die fünf größten Irrtümer beim
Die fünf größten Irrtümer beim Thema Kündigung
Wann ist eine Kündigung rechtens und wann nicht. Wir klären über die fünf häufigsten Mythen zum Thema Kündigung auf.
Irrtum 1: Ein krankgeschriebener Arbeitnehmer kann nicht gekündigt werden.
Eine Krankheit kann den Ausspruch einer Kündigung nicht verhindern. Ein Arbeitgeber kann grundsätzlich auch während einer Krankschreibung eine Kündigung aussprechen; dies macht die Kündigung nicht "per se" unwirksam.
Irrtum 2: Jede Kündigung muss eine Begründung enthalten.
Eine Kündigung muss nicht begründet werden. Aus Arbeitgebersicht ist es sogar eher unklug, eine Begründung in die Kündigung aufzunehmen, da dies in der Regel "Angriffsfläche" in einem nachfolgenden Kündigungsschutzprozess ergibt. Gekündigte Arbeitnehmer hingegen sollen unverzüglich um Rechtsrat nachsuchen, ob die ausgesprochene Kündigung auch wirksam ist.
Irrtum 3: Eine Kündigung kann auch mündlich ausgesprochen werden.
Arbeitsverträge kann man zwar mündlich abschließen, aber nicht beenden. Es bedarf nach dem Gesetz immer einer schriftlichen Kündigung. Vorsicht ist auf Arbeitgeberseite im Übrigen auch geboten bei Kündigungen per Mail oder per SMS, während Arbeitnehmer, die eine Kündigung in dieser Form erhalten, ebenfalls sofort um Rechtsrat nachsuchen sollten. Dies sollte unverzüglich erfolgen.
Irrtum 4: Vor der Kündigung muss immer drei Mal abgemahnt werden.
Eine sog. verhaltensbedingte Kündigung setzt nur eine Abmahnung voraus. Dabei gilt des Weiteren, was häufig verkannt wird: Ist in dem Betrieb ein Betriebsrat installiert, muss dieser einer Kündigung nicht etwa zustimmen; er muss nur angehört werden. Dieser kann der Kündigung zwar widersprechen. Dies führt aber nicht zu einer Unwirksamkeit der Kündigung.
Irrtum 5: Gekündigte Mitarbeiter haben stets einen Anspruch auf eine Abfindung.
Das Kündigungsschutzgesetz ist in erster Linie ein "Bestandsgesetz". Damit richtet sich der Schutz zunächst auf den Erhalt des Arbeitsplatzes. Zwar enden in der Tat tatsächlich viele Kündigungsschutzverfahren letztendlich mit dem Abschluss eines Abfindungsvergleichs. Bestehen allerdings Gründe für die Kündigung. greift diese rechtlich auch durch, und der Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, eine Abfindung zu zahlen.

Fristen wahren

"Von entscheidender Bedeutung ist es, die Fristen zu wahren. Eine Kündigung ist innerhalb von drei Wochen mit einer Kündigungsschutzklage bei dem Arbeitsgericht anzugreifen", so der Anwalt. "Anderenfalls gilt sie, egal wie unwirksam sie möglicherweise war, als wirksam."

Betroffene Arbeitnehmer sollten sich deshalb rechtzeitig kompetenten Rat einholen. In Personalabbaumaßnahmen lauern zahlreiche Fallstricke, die es aufzudecken und zu nutzen gilt.
Haas empfiehlt, diese Grundsätze zu beachten und in Zweifelsfällen rechtlichen Rat einzuholen, wobei er u. a. dazu auch auf den VDAA Verband deutscher ArbeitsrechtsAnwälte e. V. (www.vdaa.de) verweist.

Weitere Informationen und Kontakt:

Stefan Haas, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht, c/o Haas & Partner Rechtsanwälte, Sternstraße 65, 40479 Düsseldorf, Tel.: 0211 49140230, E-Mail: s.haas@haas-law.de, Internet: www.haas-law.de