Für die richtige Customer Experience

Schlanke Prozesse im Management von Kundenstammdaten

20.06.2014 von Wolfgang Martin
Viele Unternehmen arbeiten momentan mit Hochdruck daran, die Beziehung zu ihren Kunden zu verbessern. Wichtige Grundlage dafür bilden schlanke Prozesse im Management von Kundenstammdaten.

Der Kunde hat die Macht. Er kann heute einfach, schnell, jederzeit und überall auf Preise und Information zu Produkten und Dienstleistungen aller Marktspieler zugreifen. Das Wissen der Kunden breitet sich in sozialen Netzen und verwandten Kanälen mit der Geschwindigkeit des Lichts aus. Marken und Image von Unternehmen sind nicht mehr in der Hand der Unternehmen, sondern Spielball von Meinungen im weltweiten Netz.

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Unternehmen brauchen jetzt mehr denn je eine tiefe und umfassende Kenntnis über den Kunden und über die Vernetzung der Kunden: ein umfassendes und ganzheitliches Bild, eine 360-Grad-Kundensicht eben. Diese profunde Kenntnis muss dann gezielt eingesetzt werden, um Kunden möglichst positive Erfahrungen ("Customer Experience") und einen so hohen Mehrwert zu bieten, so dass sie begeistert und an Marke und Anbieter gebunden werden. Das ist Kundenzentrierung.

Auf die Kundenstammdaten kommt es an

Kundenzentrierung erfordert, Kundenkontakte über alle Kanäle und alle Märkte global und lokal zu pflegen und zu nutzen. Dabei stellen sich viele Fragen: Wie lassen sich Produkte und Services kundenindividuell und gezielt anbieten, wie Kommunikations- und Marketing-Kosten minimieren? Wie können Up- und Cross-Selling optimiert, wie Kündigungen verhindert werden? Wie lassen sich Kunden im Web Shop oder einem anderen Point of Sale schnell, sicher und zuverlässig erkennen und bedienen?

Antworten darauf sind für viele Unternehmen immer noch eine große Herausforderung. Die benötigten Kundendaten in Form von Personen-, Verhaltens-, Lokalisierungs-, Interaktions- und Transaktionsdaten sowie Kundencharakteristiken sind zwar vorhanden, aber nur bedingt brauchbar, da die Qualität und die Konsistenz nicht stimmt. Vielfach sind sie auch einfach nicht verfügbar: Sie sind über das gesamte Unternehmen verteilt, an unterschiedlichen Orten und in unterschiedlichen Applikationen. Kundendaten befinden sich in Datensilos: Eine 360-Grad-Kundensicht ist nicht machbar, und Prozesse gehen am Kunden vorbei, da wir ihn nicht kennen. Die Konsequenzen: Ein mangelhafter Kundenservice, der die Kunden verärgert, Cross- und Up-Selling-Gelegenheiten, die nicht wahrgenommen werden können, und Top-Kunden, die man als solche nicht erkennt und so sehr schnell verliert. Compliance-Anforderungen wie Datenschutz können nicht eingehalten werden, da man auch nicht immer weiß, wo Kundendaten überall gehalten werden und wer verantwortlich ist.

Managen von Kundenstammdaten

Da gibt es nur eine Lösung: ein konsequentes Management der Kundenstammdaten. Das beginnt mit einem zentralen Register, in dem alle Kundenstammdaten über alle Kanäle, Organisationsbereiche und Applikationen hinweg gespeichert und kombiniert werden. Dieses zentrale Register dient als "Geschäfts-Terminologie" und soll erstens den sogenannten "Golden Record" liefern, also zuverlässige, korrekte, qualitätsgesicherte und verfügbare Kundenstammdaten, und zweitens die 360-Grad-Sicht auf den Kunden.

Dazu werden Kundenstammdaten aus den unterschiedlichen, vorhandenen Datenquellen mittels Methoden der Datenintegration extrahiert und konsolidiert. Data Profiling gibt eine Analyse der Daten und deckt Probleme und Inkonsistenz auf. Data Cleansing und Matching stellen die Datenqualität sicher. Mittels Customer Identity Management werden Dubletten vermieden, und Kunden auch über unterschiedliche Kanäle erkannt. Der Golden Record weiß auch, in welchen Stammdatensätzen in den verschiedenen Datenquellen Attribute aus dem Golden Record verwendet werden. So wird die Konsistenz der Kundenstammdaten sichergestellt: Bei einer Änderung eines Attributs in einer beliebigen Datenquelle wird diese Änderung mit allen anderen betroffenen Quellen synchronisiert. Datensilos für Kundendaten gehören somit der Vergangenheit an.

Kundenstammdatenmanagement wird "schlank", wenn man auf die Prozesse des Kundenstammdatenmanagements ein professionelles Prozess-Management anwendet. Ein solches besteht aus fünf Typen von Prozessen, und zwar den Prozessen der Strategie, des Designs, der Implementierung und des Betriebs der Prozesse des Kundenstammdatenmanagements. Dazu kommt noch der Prozess der kontinuierlichen Prozess-Verbesserung der Prozesse des Kundenstammdatenmanagements. Dieses Modell leitet sich aus dem eTOM-Standard des Telemanagement-Forums ab. Es ist in diesem Sinne ein prozessorientiertes Modell von "Management" im allgemeinen Sinne und damit auch das Modell für "schlankes Management".
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Prinzipien für schlanke Prozesse

Schlanke Prozesse verfolgen die Ziele "Reduktion von Kosten und Zeitbedarf" sowie "Verbesserung der Qualität". Sie sind pragmatisch, geradlinig und agil. Sie folgen vorgegebenen Einzelschritten, verzweigen nach definierten Regelwerken (Business Rules), werden parallelisiert und wieder zusammengeführt, vernetzt mit anderen Schrittfolgen und gegebenenfalls auch rückgekoppelt, um einen Fehlerfall zu bearbeiten. Die Agilität ermöglicht darüber hinaus ein schnelles Ändern und Anpassen der Prozesse, am besten dynamisch während der Laufzeit. Ganz besonders wichtig ist dabei, dass jeder Einzelschritt (Aktivität im Prozess) ein wohl definiertes Ergebnis produziert, also sein vorgegebenes Ziel erreicht. Das muss auch messbar sein. Dazu dient vordefinierte Metrik, die die Zielerreichung misst. So werden die Qualität und die Leistung eines jeden Prozessschrittes und des Gesamtprozesses bewertet. Mit anderen Worten: Schlanke Prozesse sind das Ergebnis eines professionellen Prozess-Managements.

Schlanke Prozesse im Kundenstammdatenmanagement sind also Prozesse, die genauso wie Geschäftsprozesse in Vertrieb, Marketing, Service etc. mittels Prozess-Management gemanagt werden. Dazu braucht man eine service-orientierte Technologie-Plattform, die auf die Prozesse von Datenintegration, Daten-Profiling und Datenqualitätsmanagement die gleichen Prinzipien und Regeln anwendet wie auf Geschäftsprozesse. Die Service-Orientierung macht agil und ermöglicht Automatisierung und Wiederverwendung. So lassen sich die Prozesse des Kundenstammdaten-Management völlig neu gestalten, erheblich beschleunigen und flexibel ändern und anpassen. Dadurch gewinnt das Kundenstammdaten-Management Agilität und Compliance. Das erlaubt beispielsweise ein schnelles und sicheres An- und Abschließen von Datenquellen sowie schnelle und sichere Konsolidierung von Kundendatenbeständen bei Firmenübernahmen oder entsprechend ein Herauslösen von Kundendaten beim Verkauf von Unternehmensteilen.

Solche Technologie-Plattformen, die ein schlankes Kundenstammdaten-Management unterstützen, sollten von der Architektur her service-orientiert sein, um durchgängig Agilität zu unterstützen. Sie kommen seit kurzem auf den Markt. Als Beispiel wäre der "Customer Data Hub (CDH)" der badischen Uniserv zu nennen. Der CDH ist eine Plattform zum Managen von Kundenstammdaten für alle Szenarien, in denen Kundendaten im Mittelpunkt stehen. Als "Hosted Solution" läuft der Betrieb über ein Internet-Rechenzentrum mit Zugriff über gesicherte und standardisierte Schnittstellen. Der CDH arbeitet aber auch in Private-Cloud-Umgebungen.

Schlanke Prozesse

Der Begriff "schlanke Prozesse" leitet sich von "schlanker Produktion" oder "Lean Production" ab. Darunter versteht man ein Verfahren, das Verschwendung in Form von Überproduktion, zu langen Durchlaufzeiten oder fehlerhaften Produkten vermeiden soll, um ein Unternehmen effektiver und wettbewerbsfähiger zu machen. Der Begriff stammt ursprünglich aus der Automobilproduktion. Wir verwenden ihn hier im Sinne eines allgemeinen Gestaltungsprinzips für Geschäftsprozesse und wenden ihn auf die Prozesse des Kundenstammdatenmanagements an. Das bedeutet, dass diese Prozesse "schlank" gemacht werden sollen, um Effektivität und Wettbewerbsfähigkeit im Kundenstammdatenmanagement und damit auch im Unternehmen zu unterstützen. Mit anderen Worten: auch für die Prozesse des Kundenstammdatenmanagements gelten die Managementziele von Agilität und Compliance.

Nutzen von schlankem Kundenstammdaten-Management

Agilität und Compliance im Kundenstammdaten-Management sind die Grundlage und kritischer Erfolgsfaktor des Kundenprozess-Management. Auf dieser Grundlage bekommt man eine nachhaltige Lösung, die nicht nur zeit- und ressourcensparend eingeführt werden kann, sondern die es auch erlaubt, flexibel auf Änderungen in der Datenstruktur zu reagieren: Datenquellen entstehen und versiegen, Unternehmen schließen sich zusammen oder spalten sich auf. Ein schlankes Kundenstammdaten-Management bietet auf Basis seiner Agilität hier wesentliche Vorteile und Nutzen:

Fazit

Im Zeitalter des Kunden müssen sich Unternehmen kundenzentrisch aufstellen. Auf die Kundenstammdaten kommt es jetzt besonders an. Ziel von Kundenstammdaten-Management ist das Erstellen einer 360-Grad-Sicht auf den Kunden, um den Kunden ganzheitlich zu kennen und zu verstehen. Das ist in den heute vielfach fragmentierten IT-Landschaften mit der großen Datenflut eine ziemliche Herausforderung, denn Kundenstammdaten befinden sich in verschiedensten Daten-Silos, die aufgebrochen werden müssen, um eine zentrale Geschäfts-Terminologie abzuleiten. Die basiert auf qualitätsgesicherten, bereinigten, korrekten, sicheren, zuverlässigen und verfügbaren Kundenstammdaten und liefert die geforderte 360-Grad-Sicht.

Ein schlankes Kundenstammdaten-Management geht noch weiter. Es verfolgt die Ziele, Kundenstammdaten-Management agil und regeltreu ("compliant") zu machen, von Anfang an, also schon bei der Implementierung. Das erlaubt beispielsweise ein schnelles und sicheres Integrieren oder Separieren von Datenquellen sowie ein Konsolidieren von Kundendatenbeständen im Falle von Firmenübernahmen oder Verkäufen von Unternehmensteilbereichen. Schlanke Prozesse im Kundendaten-Management beruhen auf Prozessen, die mittels Prozess-Management professionell gemanagt werden.

Definition Prozess-Management

Prozess-Management besteht aus fünf Gruppen von Prozessen: Die erste Gruppe dieser Prozesse des Prozess-Managements beschreibt die Strategie und das Portfolio der in einem Unternehmen vorhandenen und notwendigen Prozesse. Es folgen dann die Prozesse des Prozess-Designs, der Prozess-Implementierung und des Prozess-Betriebs. Dazu kommt noch der kontinuierliche Verbesserungsprozess, der auf Basis eines Monitoring aller Prozesse beruht.