SBS: Die Entscheidung steht bevor

25.04.2006
Auf der Aufsichtsratssitzung der Siemens AG Ende April soll die Entscheidung über SBS gefällt werden. Die COMPUTERWOCHE nennt die Optionen.

Erste Option: Sanierung

Was spricht dafür? Das wichtigste Argument für die weitere Zugehörigkeit von Siemens Business Services (SBS) zum Siemens-Verbund lautet: Die interne IT bliebe im Hause. Dem Vernehmen nach benötigen vor allem die Geschäftsbereiche Medical Solutions und Automation and Drives eigenes IT-Know-how, weil ihre Branchenlösungen eng mit der Backend-IT der Kunden verflochten sind. Sie fürchten ohne eigene IT-Kompetenz eine schwächere Wahrnehmung im Markt. Eine Sanierung würde zudem das Siemens-Profil als verlässlicher Geschäftspartner schärfen. Vor allem in den angelsächsischen Ländern hat SBS einen guten Ruf, wird dort aber immer als "Siemens" wahrgenommen. "Die Outsourcing-Abteilung hat zuletzt einige interessante Deals abgeschlossen. Außerdem hat die US-amerikanische Niederlassung ein sehr erfolgreiches Kundenbindungsprogramm entwickelt, das nun auch in Europa erste Erfolge zeigt", nährt Ovum-Analystin Katharina Grimme Hoffnung auf Besserung. Zudem kurbeln viele Outsourcing-Deals die Nachfrage bei anderen Siemens-Geschäftsbereichen an. Die kriselnden Kommunikationssparte liefert etwa Netz- und Übertragungstechnik für einen Outsourcing-Deal mit der britischen Rundfunkanstalt BBC. Für eine Sanierung spricht auch, dass mit dem Verkauf der produktnahen Dienste an Fujitsu-Siemens bereits ein großes Problem beiseite geschafft wurde.

Steht Siemens-CEO Klaus Kleinfeld zu seinem Ultimatum?

Was spricht dagegen? Steht Siemens-CEO Klaus Kleinfeld zu seinem Ultimatum, SBS müsse bis Ende des Geschäftsjahres 2007 eine Gewinnspanne von fünf bis sechs Prozent erreichen, ist eine interne Sanierung nicht möglich, die Zeit wäre zu knapp. "Es müssen enorme Ineffizienten und Überkapazitäten abgebaut werden, das geht nur über einen längeren Zeitraum", warnt Grimme. Möglicherweise ist die seit fast fünf Jahren kriselnde IT-Dienstleistungstochter auch nicht sanierbar, immerhin sind mit Paul Stodden und Adrian von Hammerstein zwei gestandene Geschäftsführer an dieser Aufgabe gescheitert. Der jetzige SBS-Chef Christoph Kollatz hat sich bislang weder gegenüber Mitarbeitern, Presse noch Analysten erklärt und sich in das Studium der internen Zahlen verkrochen. Ihm obliegt die Aufgabe, herauszufinden, welche Kundenaufträge und Services überhaupt profitabel sind. Gegen eine Sanierung spricht auch die neue Besetzung des Zentralvorstands. Der neue Finanzchef und Kleinfeld-Vertraute Joe Kaeser soll sich dahingehend geäußert haben, SBS passe nicht zum übrigen Siemens-Geschäft. "Dem Siemens-Vorstand fehlt das Verständnis für das Outsourcing-Geschäft und das Vertrauen in das SBS-Management", fasst Frank Rothauge, Analyst und Siemens-Kenner beim Bankhaus Sal. Oppenheim, die Lage zusammen.

Zweite Option: Verkauf

Der jetzige SBS-Chef SBS-Chef Christoph Kollatz hat sich bislang gegenüber Mitarbeitern, Presse und Analysten nicht erklärt.

Was spricht dafür? Die komplette Veräußerung wäre ein Befreiungsschlag. SBS ist nach der Trennung von den produktnahen Diensten mit einem Jahresumsatz von künftig etwa vier Milliarden Euro der zweitkleinste von insgesamt zwölf Geschäftsbereichen im Konzern und bindet gemessen an dieser Größe zu viel Aufmerksamkeit des Topmanagements. Auch das Geld könnte für das Management ein Anreiz sein: "Inklusive der internen Outsourcing-Verträge könnte Siemens mit einer Veräußerung trotz der derzeit schwierigen Situation von SBS etwa 2,5 bis drei Milliarden Euro erlösen", vermutet Rothauge. Vom Margenziel wäre plötzlich keine Rede mehr, die Investoren könnten sich stattdessen über die prall gefüllte Schatulle freuen. Außerdem hätten die Mitarbeiter nach einer langen Phase der Verunsicherung endlich wieder eine Perspektive unter dem Dach eines Unternehmens, das IT-Services als Kerngeschäft versteht.

Was spricht dagegen? Siemens tut sich schwer damit, als Technologie- und Infrastrukturkonzern die eigene IT einem externen Betreiber zu überlassen. Viele SBS-Mitarbeiter verfügen über Know-how, das für andere Geschäftsbereiche sehr wichtig ist. Ein Käufer würde es kaum akzeptieren, wenn Siemens etwa für erforderliche Integrationsarbeiten des Medizin- oder Automatisierungs- und Antriebsbereichs wieder eigenes IT-Know-how aufbauen würde, nachdem zuvor SBS veräußert wurde. Zudem kurbeln die Outsourcing- und Integrationsdienste von SBS den Umsatz und Absatz in anderen Geschäftsbereichen insbesondere in der Kommunikationssparte an.

Verkauft Siemens die Keimzelle des Konzerns?

Der US-amerikanische TK-Ausrüster Motorola steht laut einem Bericht der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" in Verhandlungen mit dem Siemens-Konzern. Danach ist der komplette Verkauf der Communications Group mit rund 55 000 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von etwa 13 Milliarden Euro denkbar. Die Unternehmen kommentierten die Meldung nicht. Motorola soll vornehmlich Interesse am profitablen und wachstumsträchtigen Mobilfunkgeschäft zeigen, doch Siemens-CEO Klaus Kleinfeld möchte diese angeblich nur im Paket mit der problematischen Festnetzsparte veräußern. Letztere scheint der derzeit schnellen technischen Entwicklung zu softwarebasierenden Vermittlungsanlagen und VoIP (Voice over IP) nicht gewachsen zu sein. Insgesamt ist die Com-Sparte, die die Keimzelle des gesamten Siemens-Konzerns bildet, weit entfernt von dem von Kleinfeld gesteckten Margenziel von acht bis elf Prozent. Im vergangenen Geschäftsjahr belief sich die Gewinnspanne auf 3,5 Prozent, Finanzinvestoren fordern seit langem die Zerschlagung.

Dritte Option: Zerschlagung

Was spricht dafür? Die Zerschlagung scheint auf den ersten Blick der Königsweg für SBS. Der problematische IT-Dienstleistungsbereich wäre aufgelöst, das Margenziel obsolet und die interne IT könnte im Hause bleiben. Das Projektgeschäft ließe sich in die Geschäftsfelder Medizintechnik sowie Automatisierungs- und Antriebstechnik integrieren, die internen Betriebsdienstleistungen als Shared Service Center einrichten. Unter den Hammer käme hingegen nur das externe Outsourcing-Geschäft, das in den vergangenen Jahren viele Deals in Deutschland, Großbritannien und den USA gewinnen konnte. Ein Käufer erhielte Zugang zu Großkunden wie RAG, Gerling, BBC und vermutlich auch der Deutschen Bundeswehr, denn das Verteidigungsministerium verhandelt exklusiv mit SBS und IBM über die Vergabe des Herkules-Projektes. Den Verkaufpreis für das externe SBS-Geschäft beziffert Sal.-Oppenheim-Analyst Rothauge auf weniger als eine Milliarde Euro.

Was spricht dagegen? Die Problembereiche würden nicht saniert, sondern nur kaschiert. SBS steht in der Pflicht, bis Ende 2007 rund 1,5 Milliarden Euro einzusparen, davon etwa die Hälfte durch Stellenstreichungen. Diese Sanierungsaufgabe entfiele auf die neuen Eigentümer: Aufgrund der starken Mitarbeitervertretung bei Siemens sind Entlassungen teuer, sie würden die Ergebnisse der derzeit gesunden Geschäftsbereiche belasten. "Ein Käufer allein für das externe IT-Geschäft der SBS wird schwer zu finden sein", taxiert Grimme die Erfolgsaussichten dieses Weges skeptisch. Zudem sind externe und interne Betriebsprojekte eng miteinander verzahnt, ihre Trennung wäre aufwändig. Für einige Aufträge herrscht keine Klarheit darüber, ob sie profitabel sind, so gelten etwa die Deals mit BBC und Gerling in der Branche als schwierig. "Bei einem zu geringen Verkaufspreis oder einem Mobile-Business-ähnlichen Szenario, in dem Siemens erheblich zuzahlen müsste, wäre die Trennung keine gute Alternative" schränkt auch Rothauge ein. "Die Anlieger würden vermutlich eine Sanierung mit anschließender Verkaufsoption bevorzugen." Doch eine Sanierung würde ein bis eineinhalb Jahre dauern, Kleinfeld würde damit die selbst gesteckten Margenziele verfehlen. Eine solche Schlappe, da ist sich der Analyst sicher, würden die Investoren verzeihen, wenn der CEO ihnen zumindest einen klaren Weg aufzeichnet.