Final Cut Studio, QuickTime und Standard-Hardware

Sat.1 Bayern produziert Regionalprogramm "Mac only"

14.06.2010 von Thomas Cloer
Die Privatfernsehen in Bayern GmbH und Co. KG produziert das bayerische Regionalprogramm von Sat.1 seit Anfang des Jahres in einer quasi reinen Apple-Umgebung. Konzipiert hat diese der technische Dienstleister Studio 2010 GmbH.

Ungewöhnlich an der neuen Produktionsumgebung ist vor allem, dass dabei vornehmlich Standard-Hardware (Xserve, Mac Pro, iMac) und -Software (Final Cut Studio, Xsan) zum Einsatz kommt statt des branchenüblichen speziellen Broadcast-Equipments. Diese Entscheidung haben Redaktion und Dienstleister ganz bewusst getroffen.

Sat.1 Bayern sendet von Montag bis Freitag täglich 24 Minuten und am Samstag eine Stunde Regionalprogramm - eine medienpolitische Verpflichtung für die ProSiebenSat.1 (P7S1) Media AG - aus Bayern. Daran arbeitet ein Team aus rund 50 Mitarbeitern. Darunter sind eine ganze Reihe von Video-Journalisten ("VJs"), die ihre Beiträge mit Panasonic-Kameras auf P2-Speicherkarten filmen und dann am MacBook Pro mit der Apple-Software "Final Cut Studio" selbst schneiden, bevor sie in die Zentrale in der Hollerithstraße 3 in München-Trudering überspielt werden.

Klassische EB-Teams zur Ergänzung der VJs gibt es natürlich auch noch; Sat.1 Bayern beliefert auch N24 als zentralen Nachrichtenbereich von P7S1 mit Rohmaterial aus Süddeutschland und Österreich. Die externen Korrespondenten in den Regionalbüros sind über ein Firmennetz von Vodafone mit SDSL-Anschlüssen (4 bis 10 Mbps Bandbreite, größere Standorte auch breitbandiger) angebunden; der gesamte Workflow läuft bereits in HD (1080i, DVCpro-HD-Codec). Das frühere Produktionssystem (Liquid, Vortex) war noch Windows-basierend und ließ die Videojournalisten eher außen vor.

QuickTime als tragende Säule

Studio 2010 hat die neue technische Infrastruktur von Sat.1 Bayern konzipiert und realisiert und ist auch für Betrieb und Support zuständig. Geschäftsführer Olaf Warneke ist von Haus aus Kameramann und sagt von sich selbst: "Ich bin eigentlich überhaupt kein Techniker". Zum Mac kam er persönlich schon vor etlichen Jahren - auf seinem ersten PowerBook 120 mit System 7.6 lief damals Schnittsoftware von Avid.

Die Entstehung von Studio 2010 mit seinem technischen Aspekt habe sich irgendwann "einfach so ergeben" aus Schulungen für die Videojournalisten aus der Kamerasicht. Vor zwei bis drei Jahren sei die feste Entscheidung gefallen, sich vom bisherigen technischen Dienstleister aus der "großen" Fernsehwelt von P7S1 zu trennen und einen eigenen Workflow zu realisieren, der möglichst ideal auf die Bedürfnisse der überschaubaren Redaktion zugeschnitten sein sollte. Studio 2010, in der Planungsphase noch eine Zwei-Mann-Firma, beschäftigt mittlerweile acht feste und mehrere freie Mitarbeiter.

Studio
Das Studio mit Kameraroboter und LED-Scheinwerfern.

Die Entscheidung für die aktuelle Apple-Infrastruktur fiel nicht zuletzt aufgrund des Multimedia-Frameworks "QuickTime", das als zentrale Säule in die Architektur des Mac-Betriebssytems direkt integriert ist. "Mit Final Cut hat Apple eine Lösung gebracht, die eben nicht geschlossen ist", betont Warneke. Hinzu komme, dass die Software von Apple über den spezialisierten Broadcaster-Markt hinaus auch im Massenmarkt relativ breit gestreut und entsprechend erprobt und fehlerfrei sei.

Möglichst wenige Black Boxen

"Vom Ansatz her habe ich hier vor allem konsequent in die Richtung überlegt, hier nicht irgendwelche Black Boxen zu installieren - sei es Hard- oder Software", erläutert Warneke. Die Verwendung von Off-the-shelf-Hardware wie Mac Pro, iMac und Xserve verhindere die lästige Abhängigkeit von Spezialherstellern insbesondere beim Support. Sogar das sogenannte Playout, also das Abspielen der fertigen Sendung, erfolgt bei "17:30 Sat.1 Bayern" über einen ganz normalen Mac Pro - freilich mit einer besonderen Videokarte - und nicht einen spezialisierten und teuren Video-Server.

Als einziges mögliches Problem der "Kaufhausrechner" von Apple sieht der Studio-2010-Mann die Zuverlässigkeit der Hardware. Hier habe er durchaus auch ein Risiko auf sich genommen, gesteht Warneke - technische Fehler würde der große Mutterkonzern P7S1, der schließlich auch das Budget für das Regionalprogramm bereitstelle, in keinem Fall verzeihen. Sat.1 Bayern und ganz besonders Studio 2010 würden aufgrund der eingesetzten Technologie aus der Zentrale "sehr kritisch beäugt", bislang habe es aber noch keinerlei technische Pannen gegeben.

Viele kritische Komponenten seien selbstredend redundant ausgelegt. Die Lösung sei für eine überschaubare Produktion wie die tägliche halbe Stunde Sendezeit ("da sollten wir ruhig mal die Kirche im Dorf lassen") prima geeignet - und sie lasse sich von einem Administrator verwalten, der sich schlicht gut mit vernetzten Macs auskenne. Das ganze System sei eigentlich gar nicht so furchtbar TV-spezifisch, sondern eigne sich ebensogut für andere Mediengattungen mit vernetzten Arbeitsabläufen.

Nur zwei Sorten Clients - iMac und Mac Pro

In der Produktionszentrale in Trudering stehen nur zwei Sorten Clients - iMacs für einfachere und Büroaufgaben, die über Ethernet angebunden sind, und leistungsfähigere Mac-Pro-Workstations mit optischer Verkabelung. Software wie das Redaktionssystem (von Step2e) und E-Mail laufen auf Xserve-Rackmount-Servern, die Mediendaten lagern auf einem Xsan-Storage-System. Zwei studierte und professionelle Archivare sind als Content Manager dafür zuständig, die Beiträge zu katalogisieren und zu archivieren.

Sollte ein Client oder Server einmal technische Probleme machen, wird er kurz und schmerzlos durch neue Hardware ersetzt. Bei nur zwei System-Images für die Clients ist das schnell und unkompliziert erledigt. Anschließend kann das defekte System in aller Ruhe repariert werden, ohne dass man unter Stress und Zeitdruck teure Service Level Agreements bemühen müsste, wie sie bei spezialisierter Black-Box-Hardware gang und gebe sind.

Seine neue Apple-Infrastruktur sieht Sat.1 Bayern dabei keinesfalls religiös. "Apple ist letztlich nur der Bleistift", sagt Redaktionsleiter Harry Klein. "Entscheidend für das, was hinten rauskommt, ist immer noch der kreative Input des Videojournalisten und des Redakteurs, der das macht." Man habe in der Vergangenheit auch schon jahrelang ohne Apple gearbeitet und trotzdem schöne Beiträge produziert.

Mac macht mehr Spaß

Aufgefallen ist Klein aber schon, dass die Apple-Geräte speziell auch älteren und weniger technikaffinen Mitarbeitern den Umgang mit der komplizierten Technik erleichtern und angenehmer machen: "Die Leute haben alle wahnsinnig viele Aufgaben on top dazubekommen. Also muss das Handwerkszeug um sie herum simpel sein." Und ein bisschen mehr "Sexyness" ist auch nicht verkehrt, findet Warneke: "Mit einem bunten Schraubenzieher arbeiten sie halt lieber als mit einem grauen." Auch bei Sat.1 Bayern stehen natürlich noch ein paar PCs - primär in der Regie und dort hauptsächlich der Tatsache geschuldet, dass bestimmte Software etwa für die Teleprompter eben doch nur für Windows zu haben ist.

Bei der Bürosoftware setzt Sat.1 Bayern übrigens ebenfalls auf Apple - sprich iWork statt Microsoft Office (zugegeben mit Ausnahme des Sekretariats, wo regelmäßg auch mit großen Excel-Tabellen hantiert werden muss). Die Apple-Software sei preiswerter als die aus Redmond, reiche vom Funktionsumfang her vollkommen aus und spiele mit der Mac-Hardware optimal zusammen. Und telefoniert wird mit iPhones.

"Wenn man sich auf einen Hersteller einlässt - und das ist nicht nur bei Apple so -, dann muss man das wirklich konsequent machen", findet Warneke. "Je mehr Sidesteps Sie machen, desto schwieriger wird das Ganze." Übrigens: Die Investition für die gesamte neue Produktionslösung beläuft sich nach Angaben von Warneke und Klein auf zwischen eine und zwei Millionen Euro.

Echte Kaufhaus-Hardware

Anekdote am Rande: Um die Übertragung der geschnittenen Beiträge aus den Außenstellen, die unter Zeitdruck auch schon mal über UMTS erfolgen kann, so effizient wie möglich zu zu gestalten, verwenden die Video-Journalisten an ihren MacBooks auch die Zusatz-Hardware "Turbo.264 HD" von Elgato. Dabei handelt es sich um einen speziellen Koprozessor, der über USB angeschlossen wird und die Kodierung von H.264-Videos per Hardware beschleunigt. Die zugehörige Software wird ganz einfach per Drag and Drop bedient. "Auch ein Kaufhaus-Produkt, funktioniert aber bestens", bestätigt Warneke.

Hinweis: Mehr Fotos aus Redaktion und Studio von Sat.1 Bayern finden Sie bei Interesse in einem Flickr-Album.