In-Memory-Datenbank

SAPs Business Suite läuft auf HANA

11.01.2013 von Martin Bayer
SAPs Business Suite soll künftig auch auf der eigenen Datenbank HANA laufen. Damit will der Softwarekonzern seine transaktionalen Softwaresysteme fit für In-Memory-Computing machen und so neue Märkte erschließen.

Für die SAP-Verantwortlichen tickt die Uhr. Die Co-Vorstandssprecher Jim Hagemann Snabe und Bill McDermott wollen bis 2015 einen Jahresumsatz von 20 Milliarden Euro einfahren - 2011 waren es gut 14 Milliarden Euro. Einen erheblichen Anteil daran sollen neue Geschäftsfelder wie Cloud Computing und die In-Memory-Datenbank-Appliance "HANA" haben.

Die Entwicklung der Mitte 2011 offiziell gestarteten HANA geht 2013 in eine neue Runde. Gleich zu Jahresanfang hat SAP die Verfügbarkeit der Business Suite für das In-Memory-System angekündigt. Damit wird künftig das wichtigste Softwareprodukt der Walldorfer Softwareschmiede auf dem eigenen Hoffnungsträger laufen. Aktuell befindet sich die "Business Suite powered by SAP HANA" im Betastadium "Release to Customer" (RTC). Mit der allgemeinen Marktverfügbarkeit sei etwa Mitte des Jahres zu rechnen, ließ SAPs Technikchef Vishal Sikka durchblicken.

"SAP hat die Software, die den Kern von tausenden Unternehmen weltweit bildet, neu definiert", warb Sikka. Diese arbeite nun so schnell wie die Kunden selbst denken und arbeiten könnten. SAP verspricht seinen Kunden mit dem neuen Produkt sehr viel. Transaktionsdaten könnten mit HANA auf einer einzelnen In-Memory-Plattform in Echtzeit erfasst und analysiert werden. Damit lasse sich die Komplexität bisheriger Infrastrukturen, verursacht durch redundante Systeme und Daten, deutlich reduzieren. HANA ermögliche Unternehmensführung in Echtzeit. Das Management werde in die Lage versetzt, sofort Daten zu analysieren, Vorhersagen zu treffen und auf dieser Basis Geschäfte abzuwickeln. Das System werde die Art, wie Unternehmen agieren und zusammenarbeiten, grundlegend verändern, heißt es in einer Mitteilung des Konzerns. SAP-Chef Snabe verglich den jüngsten Schritt in der Suite-Entwicklung mit dem Generationswechsel von R/2 auf R/3.

SAP verspricht einfachen Umstieg

Der Umstieg auf die neue Generation der Business Suite soll SAP zufolge allerdings deutlich einfacher funktionieren als die großen Release-Wechsel der Vergangenheit. Noch im ersten Quartal will der Hersteller mit einer speziellen Rapid-Deployment-Solution ein Implementierungspaket zum Fixpreis herausbringen. Damit sollen Anwender in die Lage versetzt werden, die neue Business Suite innerhalb von sechs Monaten einführen und nutzen zu können. Bestandskunden könnten ihre existierenden Systeme im Rahmen der laufenden Wartung mit Hilfe eines der regelmäßig ausgelieferten Enhancement Packages für die HANA-Welt anpassen.

Mit dem Schritt, HANA als komplette Datenbanklösung zu positionieren, verschärft SAP den Wettbewerb mit den klassischen Datenbankanbietern - vor allem gegen den Erzrivalen Oracle. Rund drei Viertel aller SAP-Installationen basieren Schätzungen zufolge auf Oracle-Datenbanken. Die Wettbewerber hätten in der Vergangenheit immer versucht, HANA als rein analytische Spezialdatenbank in eine Ecke zu drängen, sagte Technikchef Sikka. Mit der jetzigen Ankündigung habe SAP dies eindrucksvoll widerlegen können.

Allerdings ist den Walldorfern offenbar auch klar, dass sich die Datenbankverhältnisse nicht von heute auf morgen umkehren lassen. Auch in Zukunft würden sämtliche Datenbanken, die heute unter der Business Suite liefen, weiter unterstützt, versicherte das Management. Die Kunden hätten auch künftig die freie Wahl, welches Datenbanksystem sie nutzen wollen.

HANA zündet dritte Stufe

Für Co-CEO Jim Hagemann Snabe ist die Business Suite auf HANA ein echter Generationswechsel.
Foto: Wolfram Scheible / SAP AG

Mit der aktuellen Ankündigung läutet SAP die dritte Ausbaustufe von HANA ein, die Snabe bereits im vergangenen November angekündigt hatte. Nachdem es 2011 hauptsächlich um Grundlagentechnik und die Beschleunigung des Daten-Handlings sowie im vergangenen Jahr um die Integration in bestehende Infrastrukturen gegangen sei, soll künftig das System auch als Basis für transaktionale Systeme etabliert werden.

Bereits auf der Sapphire 2012 hatten die SAP-Chefs mit "SAP 360 Customer" eine für HANA zertifizierte Lösung für das Kunden-Management (CRM) angekündigt. Die Anwendung soll verschiedene Techniken aus den Bereichen Collaboration, Mobile, Cloud und eben auch In-Memory bündeln. Das erste transaktionale System auf HANA bringe CRM auf ein komplett neues Level, warb Snabe schon damals. Inwieweit das auch für die Business Suite gelten wird, bleibt abzuwarten. Zumindest erfüllt das SAP-Management damit frühzeitig seine Ankündigung, 2013 auch sein großes Anwendungspaket für die In-Memory-Appliance zur Verfügung zu stellen.

So kam für die meisten Analysten die Ankündigung nicht unerwartet. Überraschend sei jedoch der Umfang der Ankündigung gewesen, stellten Wolfgang Schwab, Jürgen Weiß und Andreas Zilch von der Experton Group fest. Diese Ankündigung sei "extrem wichtig für die SAP, den gesamten ERP-Markt, das Wettbewerbsumfeld und insbesondere auch die SAP-Anwender". Strategisch bedeute dies nichts anderes als den zweiten revolutionären Architektur-Wechsel in der Geschichte von SAP, konstatieren die Experten - vergleichbar mit dem Schritt von R/2 nach R/3. Die neue Architektur-Plattform werde auch eher Informations-/Datenbankzentriert sein, als Applikationszentriert, obwohl Applikationen natürlich auch weiterhin eine wichtige Rolle spielen würden.

HANA-Entwicklung noch nicht abgeschlossen

Das Potenzial bezeichneten die Experten angesichts der riesigen installierten Kundenbasis indes als "gigantisch". Allerdings, so warnen sie, sei die Entwicklung noch nicht komplett abgeschlossen. SAP habe in den zurückliegenden 30 Monaten zwar erhebliche Anstrengungen unternommen, um die Entwicklung von HANA zu einer Enterprise Datenbank voranzutreiben. Lösungen wie Oracle, IBM DB/2 und Microsoft SQL Server hätten jedoch einen mehrjährigen Vorsprung. SAP habe die HANA-Architektur schon in der Entwicklungsphase für OLAP und OLTP ausgelegt. Das dürfte allerdings nicht darüber hinweg täuschen, dass die Leistungsfähigkeit einer Datenbank nicht nur von dieser selbst, sondern auch von deren Umfeld abhänge. Gerade dieses sei bei HANA noch längst nicht voll entwickelt.

Dafür muss es SAP noch gelingen, ein Ökosystem um HANA aufzubauen. Die ersten Schritte in diese Richtung scheinen getan. Zur Sapphire zählte der Konzern über 150 Partner in einem speziellen HANA-Förderungsprogramm. Darin sponsert SAP mit einem dreistelligen Millionenbetrag die Entwicklung von Anwendungsszenarien. Außerdem arbeiteten SAP zufolge rund 20 Startups an Applikationen, die auf der Amazon-Cloud-Variante "HANA One" aufbauen. Zuletzt hatte Snabe zudem eine Initiative angekündigt, um mehr Entwickler für SAP-Plattformen zu begeistern. Ziel sei es, sich stärker zu öffnen.

Insgesamt bescheinigten Experten HANA für den derzeitigen Release-Status zuletzt aber eine gute Reife. Das Problem sei jedoch, dass bis dato erst die wenigsten Kunden Nutzen daraus ziehen könnten. Das liege allerdings nicht an mangelhafter Technik, sondern vielmehr daran, dass den meisten Firmen die notwendige Manpower und das Bugdet fehlten.

Überzeugungsarbeit gefragt

Für die SAP-Verantwortlichen dürfte es daher in den kommenden Monaten vor allem darum gehen, ihre Kunden von Business-Vorteilen rund um den HANA-Einsatz zu überzeugen. Im Mittelpunkt müssen dabei konkrete Einsatzszenarien stehen. Derzeit dürften die meisten HANA-Installationen einen eher experimentellen Charakter haben. Es gilt, HANA als belastbares Produktivsystem im Markt zu etablieren. Nur dann werden die Anwender Budgets für HANA freigeben. Die letzten Investitionsumfragen beispielsweise der Deutschsprachigen SAP Anwendergruppe (DSAG) hatten ergeben, dass kaum ein Unternehmen konkrete Ausgaben für SAPs In-Memory-Lösung in seinen Budgets eingeplant hat.

Holger Kisker, Principal Analyst, Forrester Research
Ich wünsche SAP, dass das, was an Offenheit in Kundendialog und -beziehung begonnen beziehungsweise wieder aufgebaut wurde, weiter fortgesetzt wird. SAP ist auf dem richtigen Weg und sollte diesen konsequent fortsetzen.
Wolfgang Martin, Wolfgang Martin Team
Ich wünsche SAP, dass sie nicht ihre deutschen Wurzeln und Tugenden im Zuge fortschreitender Globalisierung über Bord wirft.
Rüdiger Spies, Analyst, IDC
Ich wünsche SAP, dass sie ihre Co-CEOTradition beibehält – das kann nur SAP. Und dass sie weiterhin auf die Innovationskarte setzt, ohne dabei die Kunden abzuhängen.
Andreas Klein, Managing Director, Techconsult
Ich wünsche SAP schnelleres Wachstum hinsichtlich Partnern und Kunden für ByD. Wichtig wäre es, die Nähe zum Mittelstand und dessen Partnerlandschaft auszubauen.
Carlo Velten, Senior Advisor, Experton Group
Ich wünsche SAP Larry Ellison als Kellner auf der Jubiläumsfeier!
Frank P. Sempert, Senior Program Executive, Europe von Saugatuck Technology
Meine besten Wünsche dem wahren Marktführer, zur Fortsetzung einer Führungsrolle in der Business Technology für weitere 40 Jahre!
Frank Niemann, Principal Consultant - Software Markets von Pierre Audoin Consultants (PAC) GmbH
Ich wünsche der SAP, dass sie: weiterhin Erfolg in bestehenden und neuen Marktsegmenten hat; immer ein offenes Ohr für die Belange der Kunden hat; sich bei der Verbreiterung des Lösungs- und Technikportfolios nicht verzettelt; die Komplexität des Kernsystems in den Griff bekommt; beim Ausbau des Partner-Ecosystems erfolgreich ist; die Finger vom Geschäft mit Hardware lässt; es schafft, die Frontends ihrer Applikationen zu verschönen; ihren Geburtstag mit den Mitarbeitern gebührend feiern kann.
Karl Liebstückel, Vorstandsvorsitzender der Deutschsprachigen SAP-Anwendergruppe (DSAG)
Ich wünsche der SAP, dass sie an Ihre Stärken glaubt und ihren Weg weiter so erfolgreich geht wie bisher. Wir als Kunden wünschen uns und der SAP, dass SAP auch zukünftig ein selbstständiges Unternehmen bleibt und nicht in einen übergeordneten Konzern integriert wird. Dadurch würde SAP viel von ihrer Schlagkraft verlieren. Aber auch dass SAP den vertrauensvollen, konstruktiv-kritischen Dialog mit der DSAG als zukunftsweisend beibehält und weiterhin fest in ihrer Unternehmensphilosophie verankert. Eines der bestmöglichen Geschenke hat sich SAP selbst und auch ihren Kunden vor gut zwei Jahren bereits gemacht: das Führungsduo Jim Hagemann-Snabe und Bill McDermott, deren Berufung wir damals sehr begrüßt haben.

Nur wenige Unternehmen planten derzeit einen Ersatz zentraler Enterprise-Systeme, bestätigten Analysten von Ovum. In Datenbanken und ERP-Umgebungen seien in den vergangenen Jahren hohe Investitionen geflossen. Diese würden nicht einfach so über Nacht ausgewechselt. Grundsätzlich biete HANAs In-Memory-Architektur den Business-Suite-Kunden zwar eine Reihe von Vorteilen wie die Vereinfachung und Beschleunigung im Daten-Handling. Außerdem verwiesen die Ovum-Analysten auf die Möglichkeit, Analysen direkt mit transaktionalen Prozessen verknüpfen zu können. Die Herausforderung für SAP liege jetzt jedoch darin, HANA richtig im Markt zu positionieren. In den vergangenen beiden Jahren sei das System in erster Linie als Analytics-Plattform angepriesen worden. Die SAP-Verantwortlichen müssten nun darauf achten, den Markt mit dem neuen HANA-Branding als komplette Datenbank auch für transaktionale Systeme nicht zu verwirren.

HANA erfordert hohe Anfangsinvestitionen

Migration und Umstellung würden alles andere als ein Selbstläufer, stellen auch die Analysten der Experton Group klar. Die Herausforderung für die Anwender liege dabei insbesondere in der langfristigen und ganzheitlichen Sichtweise. Für einzelne HANA-Projekte im Analytics Bereich lasse sich eine Wirtschaftlichkeitsrechnung relativ einfach aufstellen. Schwieriger sei es jedoch, den Business Case für die komplette Migration auf die HANA-Architektur für das ganze Unternehmen zu rechnen. Wie in der Vergangenheit die Erfahrungen mit SOA-Investments gezeigt hätten, sei ein hohes Erstinvestment notwendig.

Somit müssten Anwenderunternehmen der Experton Group zufolge eine langfristige und strategische Entscheidung treffen. Neben der Betrachtung des potenziellen Nutzens sollte dabei auch der Status der aktuellen SAP Installation im Unternehmen eine Rolle spielen. Vielfach wurden die Systeme in der Vergangenheit nur technisch weiterentwickelt. Bei Release-Wechseln hätten die Unternehmen oft darauf verzichtet, Geschäftsprozesse anzupassen, zu standardisieren und zu modernisieren. Die neuen Möglichkeiten der HANA-Architektur könnten hier einen Anstoß geben, das ERP System von Grund auf zu renovieren und fit für die nächsten Jahrzehnte zu machen.

SAP macht Zugeständnisse beim HANA-Pricing

Um HANA den Weg in den Markt zu ebnen, hat SAP Zugeständnisse beim Pricing gemacht. Man habe das Preismodell an das aktuelle Einkaufsverhalten im Bereich Datenbanken angepasst, hieß es von Seiten des Softwarekonzerns. Bislang galt die Größe des Hauptspeichers als Maß für die Preiskalkulation, was jedoch in Anwenderkreisen immer wieder massiv kritisiert wurde. Künftig orientiere sich das Preismodell prozentual am Anwendungswert, erklärten die SAP-Verantwortlichen. Damit gleicht SAP sein Preismodell an den Vertrieb herkömmlicher Datenbanken seiner Partner an. Anwender zahlen zurzeit über SAP für eine Oracle-Datenbank 15 Prozent Aufschlag auf den Preis der Business Suite.

Das Umschwenken schreiben sich die Anwendervertreter auf ihre Fahnen. "SAP hat unsere Vorschläge angenommen, das Preismodell am Vertragswert der SAP-Installation zu orientieren und nicht hauptspeicherbasiert", sagte Marco Lenck, Vorstandsvorsitzender der DSAG. Damit sei SAP auf eine Kernforderung der Anwendervertretung eingegangen. Außerdem haben die SAP-Kunden offenbar eine größere Flexibilität in der Lizenzierung durchgesetzt. SAP-Kunden müssen nur die Lizenzen upgraden, die wirklich auf die HANA-Datenbank zugreifen, und nicht pauschal den gesamten Lizenzvertrag", berichtete DSAG-Vorstand Andreas Oczko.