SAP-XI verdrängt Batchjobs

04.05.2005 von Frank Niemann
Die Firma Weidmüller aus Detmold löst ihre Integrationstechnik durch SAPs "Exchange Infrastructure 3.0" ab. Datenbanken und Drittsysteme werden über die zentrale Plattform angebunden.

Hier lesen Sie…

  • wie Weidmüller die Integrationslösung Exchange Infrastructure eingeführt hat;

  • wie SAP- und Nicht-SAP- Systeme über die Plattform gekoppelt werden können;

  • wo XI 3.0 noch Defizite aufweist;

  • welche Einsparungen der Anwender mit XI zu erzielen gedenkt.

Mit XI löst Weidmüller eine Reihe von Dateischnittstellen und Batchabläufen ab.

SAPs Integrationslösung "Exchange Infrastructure" (XI) erhebt den Anspruch, sowohl Software vom Hersteller als auch Drittsysteme anbinden zu können. Zu den Nutzern, die erste Erfahrungen mit XI 3.0 sammeln konnten, zählt die Weidmüller GmbH, die im westfälischen Detmold Komponenten für die elektrische Verbindungstechnik fertigt. Das Unternehmen qualifizierte sich als Anwender für den "Ramp-Up" von XI 3.0, nachdem dort bereits mit dem Vorgänger XI 2.0 gearbeitet wurde.

Weidmüller nutzt eine von SAP-Software geprägte Systemlandschaft, dazu zählt "SAP R/3 4.6C", "Business Information Warehouse 3.5" (BW), "Enterprise Buyer Professional" (EBP), "Enterprise Portal 6.0" sowie "SAP HR", welches auf einer separaten R/3-Instanz läuft. Von zentraler Bedeutung ist ferner ein individuell entwickeltes Logistiksystem, das auf dem IBM-Midrange-Rechner "I-Series" läuft. Das Unternehmen betreibt diese gesamte Umgebung nicht selbst, sondern hat sie an den IT-Dienstleister Atos Origin ausgelagert.

Mit XI wollte Weidmüller die bisherige, sehr fragmentierte Integrationstechnik modernisieren und effizienter gestalten. Alle Integrationsszenarien sollen künftig über die SAP-Plattform abgewickelt werden. Unter anderem galt es, das bestehende Integrationswerkzeug abzulösen. Es bindet das hauseigene Logistiksystem und verschiedene andere Systeme an.

Bislang bestand die Integration darin, über recht umständliche Mechanismen Datenformate einer Applikation wie R/3 durch Mapping von Feldern in das Zielformat umzuwandeln. Eine direkte Applikationskopplung fand nicht statt, sondern lediglich ein Austausch über Dateien, in die das eine Programm Informationen ablegt und das andere diese ausliest. Gesteuert wurden diese Abläufe im nächtlichen Batch-Betrieb. Das bereits 1998 eingeführte System stößt jedoch inzwischen an seine Grenzen und wird nicht weiterentwickelt.

Mit XI möchte Weidmüller einerseits die alte Plattform ersetzen, andererseits aber auch zahlreiche auf File-Schnittstellen aufsetzende Integrationsszenarien ablösen beziehungsweise in die zentrale Integrationsplattform einbinden. Im Endausbau sollen sowohl alle Schnittstellen zwischen SAP-Systemen sowie die 39 Interfaces zu Nicht-SAP-Software (unter anderem Oracle-Datenbanken, ein CAD-System sowie die CNC-Maschinensteuerung), durch entsprechende Kopplungselemente in XI ersetzt werden.

Nach den Berechnungen des Anwenders lohnt sich die SAP-Lösung vor allem dann, wenn viele Schnittstellen durch die zentrale Integrationsplattform abgelöst werden.

Anfang 2004 entschloss sich Weidmüller, die SAP-Lösung XI 2.0 einzuführen. Auch konkurrierende Produkte, zum Beispiel von IBM ("Websphere") sowie von Mercator wurden begutachtet. Da der Anwender jedoch vorwiegend SAP-Produkte nutzt, war es naheliegend, auch die Integrationskomponenten aus Walldorf zu beziehen. Allerdings bot die Version 2.0 nur einen begrenzten Funktionsumfang, wie von zahlreichen Anwendern kritisiert wurde.

Im Laufe des Jahres 2004 wurden bereits in der Vorversion entwickelte Integrationsszenarien auf XI 3.0 migriert, was laut Torsten Hopmeier, CIO bei Weidmüller, ohne Schwierigkeiten funktionierte. "Übernommen wurden dabei nur die im Integration Repository abgelegten Integrationsszenarien, die dann für die neue Ablaufumgebung konfiguriert wurden, ergänzt Jörg Blom vom SAP-Partner Lynx aus Bielefeld.

SAP-zu-SAP-Kopplung

In einem ersten Schritt stellte Weidmüller die bestehenden Schnittstellen zwischen SAP-Programmen auf XI um, was laut Hopmeier keine Probleme bereitete. Dies liegt unter anderem daran, dass es vom Hersteller für diesen Zweck vorgefertigte Schnittstellendefinitionen gibt. Der Anwender kann diese Definitionen in XI laden und von den anzubindenden SAP-Systemen einlesen lassen. So verfuhr Weidmüller zum Beispiel bei der Anbindung des Business-Intelligence-Systems (SAP BW).

Dateischnittstellen runderneuert

Als nächstes nahm sich das Team zwei unkritische Schnittstellen zwischen R/3 und dem Logistiksystem vor. Diese wurden dabei vollständig neu programmiert. Statt einer kom- pletten Datenübertragung im Batch-Mode zwischen SAP- und der Logistik-Lösung erfolgt nun nur noch ein Austausch der geänderten Daten tagsüber. Somit stehen aktuelle Informationen wesentlich rascher zur Verfügung.

Die Neuentwicklung der Integrationsszenarien erlaubte es ferner, File-zu-File-Kopplungen zwischen SAP- und Nicht-SAP-Software durch eine direkte Anbindung ohne Medienbruch zu ersetzen.

So wurden beispielsweise früher Teile der Materialstamm- daten aus R/3 in eine Datei geschrieben, im nächsten Schritt wieder über einen File-Adap- ter eingelesen, transformiert und auf das Dateisystem des Datenbank-Server geschrieben. Ein Skript bereitete danach die Daten auf, bevor eine Import-Routine sie in die Tabellen der Oracle-Datenbank eintrug. Dies erforderte mehrere Schritte, bei denen Fehler auftreten konnten.

Dieses Szenario funktioniert mit der XI-Plattform nun ohne Dateikopplung. Ein Remote-Function-Call-Baustein (kurz RFC) sendet die Daten aus R/3 an die Integrationsplattform. Dort lassen sich die Daten auf eine Ausgangsnachricht mappen und über einen JDBC-Adapter direkt in die Oracle-Datenbank überführen.

Verbindungen erfassen

Nach Angaben des Lynx-Spezialisten Blom bestand ein wesentlicher Teil des Projekts darin, die vorhandenen Kommunikationsbeziehungen zwischen den Systemen offen zu legen. Blom selbst war, neben einem Spezialisten der SAP, unter anderem auch damit beschäftigt, die Integrationsszenarien zu implementieren. Für gut gelungen hält er die grafische Dokumentation beim Gestalten von Integrationskomponenten in XI.

Adapter und XI


XI liefert eine Reihe von Mechanismen für die Anbindung von SAP-Systemen mit. Bei R/3-Releases älter als R/3 Enterprise sind dies RFCs und Idocs, bei moderneren Lösungen Web-Services-Schnittstellen. Über ebenfalls enthaltene FTP- und JDBC-Adapter können File- Server sowie Datenbanksysteme angebunden werden. Darüber hinaus bieten Partnerfirmen Adapter zu Drittsystemen an, die extra zu erwerben sind. Zudem besteht mit dem "Adapter Development Kit" die Möglichkeit, Schnittstellenbausteine für Anwendungen zu entwickeln, für die es keine vorgefertigten Integrationsmodule gibt. Das Werkzeug setzt auf der Java Connector Architecture auf. In dem Projekt bei Weidmüller wurden unter anderem Daten aus SAP R/3 über einen JDBC-Adapter an eine Datenbank übermittelt. Hierzu entwickelte der Anwender einen Remote-Function-Call-Baustein (kurz RFC) in Abap. Er enthält als Übergabeparameter eine Datenstruktur in Form einer Tabelle im Hauptspeicher. Ein Programm ruft das RFC-Modul auf und befüllt die Datentabelle mit Informationen. Über den RFC-Adapter gelangen die Daten an XI, von wo aus sie über den JDBC-Adapter in die Datenbank überführt werden. Solche vom Anwender definierten RFC-Bausteine lassen sich in XI einlesen, so dass die Metainformationen wie der Bausteinname und die Struktur der Übergabeparameter für weitere Aufgaben zur Verfügung stehen. Dies gestattet es dem Integrationsexperten zum Beispiel, Daten-Mappings auf eine vorher definierte Ausgangsdatenstruktur für das Zielsystem vorzunehmen.

Auch die Integrations-Tools böten eine gute Unterstützung für das Anlegen von Objekten im Integration Repository und der Konfiguration der einzelnen Integrationsszenarien. So können Mappings zum Beispiel einfach per Maus vorgenommen und später in der Java-Laufzeitumgebung des "Web Application Server" zur Ausführung gebracht werden. Hier sollten Anwender bei großen Datenmengen jedoch auf eine ausreichende Rechnerperformance achten.

Bis zu 40 Prozent schneller

Insgesamt beurteilt Hopmeier XI 3.0 positiv. So habe sich gezeigt, dass sich Schnittstellen sehr viel schneller entwickeln lassen, als dies bislang möglich war. Ferner laufe das Integrationssystem stabil, sowohl beim Transport als auch beim Mapping. Nach Angaben des CIO lassen sich mit der SAP-Lösung bis zu 40 Prozent an Arbeitszeit beim Bau neuer Schnittstellen ein- sparen. Über einen Zeitraum von fünf Jahren betrachtet, ergeben sich auch dadurch erheb- liche Einsparungen. Geringer als beim Altsystem fallen auch die Betreuungs- und Supportkosten aus. Die Betriebskosten der Hard- und Software steigen jedoch. Werden proprietäre Fremdsysteme wie etwa die Logistiklösung an XI eingebunden, für die es keine Standardadapter gibt, verlangt SAP einen Betrag, der sich nach dem monatlich verarbeiteten Datenvolumen in Gigabyte richtet. Allerdings dürfte die tatsächlich zu entrichtende Gebühr von der Vertragssituation des jeweiligen Kunden abhängen.

Defizite beim Monitoring

Doch vollständig zufrieden ist Weidmüller mit der bestehenden Integrationslösung noch nicht. Ausbaufähig sind demnach beispielsweise die Monitoring-Funktionen. Was fehlt, sind automatische Alarme, die den Anwender über Fehler informieren, gerade dann, wenn die Applikationen beim Hosting-Partner laufen, der auch den Basis-Support leistet. "Wenn beim Dienstleister alle zehn Minuten einer schauen muss, ob die Schnittstellen noch laufen, kostet das viel Geld." Den weiteren Ausbau solcher Alert-Funktionen hat SAP für das Service Pack 10 und folgende in Aussicht gestellt.

Neuer Verantwortungsbereich

Auch wenn der Endausbau noch nicht erreicht ist, nutzt Weidmüller XI bereits produktiv. Das monatlich über die Schnittstellen der Integrationsplattform transferierte Datenvolumen beläuft sich zurzeit auf fünf Gigabyte.

Der XI-Einsatz zieht auch organisatorische Veränderungen nach sich, und zwar bei der Betreuung der Schnittstellen. Weidmüller wird daher einen internen Schnittstellenverantwortlichen benennen, der für die inhaltlichen Abstimmungen sowie das Prozessdesign zuständig sein soll. Den Betrieb der XI-Umgebung übernimmt der Outsourcing-Partner Atos Origin.

Als nächstes will Hopmeier auch die unternehmenskritischen Schnittstellen zwischen SAP-Software und Logistiksystem in Angriff nehmen. Später soll dann auch die "Business Process Engine", eine wesentliche Neuerung von XI 3.0, in Betrieb genommen werden. Sie gestattet es, über das Mapping von Daten hinaus, auch Prozesse zu steuern und zu integrieren.

SAPs Integrationslösung soll in Zukunft auch dafür verwendet werden, zehn kleinere Ver- triebsniederlassungen von Weidmüller anzubinden. Diese Weidmüller Gruppenunternehmen mit bis zu 40 Mitarbeitern erhalten demnächst die ERP-Software "Business One". Die Detmolder hatten sich für dieses Produkt entschieden, da ein R/3-Rollout zu aufwändig gewesen wäre.

Fazit

• Der SAP-Anwender Weidmüller konnte mit XI seine IT-Integration modernisieren;

• XI bietet Spezialisten gut dokumentierte Werkzeuge zur Schnittstellenentwicklung;

• die wirklich unternehmenskritischen Schnittstellen hat Weidmüller noch nicht auf XI umgestellt;

• die Integrationslösung hilft der Firma, Zeit und Kosten zu sparen.