Sapphire 2011

SAP will so innovativ sein wie Apple

19.05.2011 von Martin Bayer
SAP will seine Kunden für mehr Innovation begeistern. Zur Sapphire präsentierte der Konzern einen bunten Strauss neuer Lösungen rund um In-Memory, mobile Plattformen und aus seinem On-Demand-Business.

"Wir wollen so innovativ sein wie Apple", sagte SAPs Co-CEO Jim Hageman Snabe zum Auftakt der Kundenveranstaltung Sapphire in Orlando und legte damit einen hohen Maßstab an sein Unternehmen an. Ziel sei es, die Innovationszyklen auf wenige Monate zu verkürzen. Auch sonst bleiben die Ziele SAPs ambitioniert. Die Führung bekräftigte ihre "Vision 2015". Demnach will der Softwarehersteller in vier Jahren einen Jahresumsatz von 20 Milliarden Euro erwirtschaften. Im vergangenen Geschäftsjahr waren es knapp 12,5 Milliarden Euro.

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"Jetzt ist die Zeit für Innovation, nicht für Konsolidierung", forderte Snabe seine Kunden auf, ihre Infrastrukturen zu hinterfragen auf den neuesten Stand zu bringen. Nachdem der deutsche Softwarekonzern sein Portfolio im vergangenen Jahr rund um die drei Säulen On-Premise, On-Demand und On-Device geordnet habe, gehe es nun darum, den SAP-Kosmos um weitere innovative Komponenten zu erweitern.

Neues Level für Real-Time-Business

Jim Hagemann Snabe will so innovativ wie Apple sein.
Foto: SAP

Dazu zählt der dänische SAP-Lenker beispielsweise In-Memory-Datenbanklösungen. Diese seien in der Lage, das Thema Real-time-Business auf ein neues Level zu heben. Seinen Kunden verspricht Snabe ein um den Faktor 200 besseres Preis-Leistungsverhältnis. Die Lösungen seien 20-mal schneller als die der Konkurrenz und liefen auf Hardware, die nur 10 Prozent dessen koste, was Datenbankmaschinen dieses Kalibers sonst kosteten.

Rund um die In-Memory-Technik gehe es jedoch nicht allein um die Kosten, führte Snabe in seiner Keynote weiter aus. Vielmehr seien damit auch komplett neue Geschäftsprozesse möglich, beispielsweise ein Real-Time-Risk-Management im Finanzsektor. Künftig werde In-Memory integraler Bestandteil des gesamten Portfolios von SAP sein, kündigte der SAP-Chef an.

Über die In-Memory-Lösungen hinaus will SAP noch in anderer Hinsicht vom mit Sybase zugekauften Datenbankgeschäft profitieren. Der Konzern kündigte an, das künftig SAP ERP als erste Anwendung aus der Business Suite auch auf dem "Sybase Adaptive Server Enterprise" (ASE) laufen soll. SAP-Kunden erhielten damit eine zusätzliche Datenbankoption, hieß es. Im Vergleich zu den großen Datenbankanbietern wie Oracle, IBM und Microsoft hält Sybase allerdings nur einen kleinen Teil vom weltweiten Markt. Das könnte sich jedoch mit der stärkeren Integration in das SAP-Portfolio jedoch ändern. In Zukunft sollen weitere Anwendungen für die Verwendung mit ASE zertifiziert werden. Außerdem plant SAP vorkonfigurierte Pakete aus Applikationen und Datenbank herauszubringen und sich so als One-Stop-Shop bei seinen Kunden zu etablieren - ein ähnlicher Ansatz wie ihn bereits der Konkurrent Oracle seit längerem verfolgt.

Mobile ist der neue Desktop

Tom Stewart , Dr. Michio Kaku , Michael Schrage und Isabel Aguilera und Dr. Peter Diamandis (von links nach rechts) machen sich Gedanken über die Zukunft von Business-Software.
Foto: SAP

Ein anderer Treiber für Innovation sind aus Sicht Snabes die mobilen Lösungen. Zur Sapphire stellte SAP Version 2.0 seiner mit der Sybase-Akquisition im vergangenen Jahr zugekauften "Sybase Unwired Platform" vor. Unternehmenskunden sollen damit in die Lage versetzt werden, alle relevanten Geschäftsdaten und -Anwendungen auf mobilen Endgeräten abzurufen. "Mobile ist der neue Desktop", sagte SAPs Co-CEO Bill McDermott und betonte, dass sich die damit verbundenen Techniken rasend schnell entwickelten. "Das ist nicht zu stoppen."

Mit der Sybase Unwired Platform 2.0 will SAP künftig auch ein Software Developer Kit (SDK) ausliefern, mit dem Partner und Kunden eigene Apps für die mobile Plattform entwickeln könnten. Auf der Endgeräteseite werden derzeit die Plattformen iOS, Blackberry, Windows Mobile und in Kürze auch Android unterstützt. Die Integration ins Backend funktioniert SAP zufolge über zertifizierte Konnektoren, die auf offenen Standards basierten. Für die Sicherheit sollen Single-Sign-on-Funktionen sowie Verschlüsselungsmechanismen für den Transport und die Ablage der Daten sorgen. Darüber hinaus bietet SAP seinen Kunden mit "Sybase Afaria" ein Management-Tool an, mit dessen Hilfe sich der gesamte Lebenszyklus mobiler Endgeräte verwalten lassen soll.

Um sein mobiles Business zu puschen, arbeitet SAP zusätzlich an mobilen Anwendungen. Aktuell umfasst das Angebot SAP zufolge etwa 50 Apps. Davon kommen etwa 15 von SAP selbst, weitere 15 von Partnern und die restlichen 20 von System-Integratoren. Künftig soll der Großteil der Apps jedoch von Partnerseite kommen, sagen die SAP-Verantwortlichen. Deren Anteil am SAP-App-Store soll bei etwa 90 Prozent liegen.

SAP stellt Anwender in den Fokus

Bridgette Chambers, Vorstand von Americas SAP Users Group (ASUG), feierte das zwanzigjährige Jubiläum ihres Vereins.
Foto: SAP

Zu guter letzt arbeitet SAP Snabe zufolge an einer neuen Kategorie von Applikationen, so genannten "People Centric Applications". Dreh- und Angelpunkt seien nicht wie in den vergangenen 40 Jahren Prozesse und Daten in den Unternehmen, sondern die Mitarbeiter und deren Rollen, also die Art und Weise, wie diese arbeiteten und miteinander kommunizierten. Mit dem Vertriebs-Tool "Sales-on-Demand" ist bereits das erste Mitglied dieser neuen Anwendungsgeneration zu haben. Weitere Werkzeuge sollen folgen. Konkret geplant sind Werkzeuge für das Travel-Expense- und Talent-Management.

Inwieweit sich hier eine Generationswechsel in der Release-Politik von SAP andeutet, ist noch nicht abzusehen. Peter Lorenz, verantwortlich für SAPs On-Demand-Geschäft will zwar nicht von einer Wachablösung á la R/2 auf R/3 oder R/3 auf SAP ERP sprechen, ließ jedoch durchblicken, dass das zarte Pflänzchen der On-Demand-Lösungen weiter wachsen wird. "Wir stehen hier am Anfang", sagte Lorenz. "Das wird aber noch großen Einfluss haben." Gleichzeitig betonten die SAP-Verantwortlichen, wie wichtig es sei, die bestehenden Lösungen weiter zu entwickeln. "Konsistenz im Kern ist die Basis aller Innovation", beteuerte Snabe. An dieser Stelle werde weiter investiert, wie auch die jüngsten Enhancement Packages (EHPs) bestätigten.

Grundsätzlich scheint aber die Bedeutung des On-Demand-Geschäfts innerhalb des SAP-Portfolios zu wachsen. Nach dem überraschenden Weggang von John Wookey wenige Wochen vor der Sapphire will der Konzern seinen Geschäftsbereich On-Demand, der bis dato in das Mittelstandsgeschäft mit Business ByDesign (BBD) und On-Demand-Lösungen für Enterprise-Kunden unter Wookey geteilt war, unter einem organisatorischen Dach zusammenführen. Die technische Basis für alle On-Demand-Lösungen war mit "ByDesign" sowieso schon die Gleiche.

Lorenz, künftig wohl für den gesamten On-Demand-Bereich verantwortlich, verwies auf die bisherigen Erfolge. Mit 500 BBD-Kunden liege man gut im Rennen, das Ziel zu erreichen, Ende des Jahres 1000 Namen auf seiner Kundenliste zu zählen. Von den Verspätungen und technischen Probleme der vergangenen Jahre war keine Rede mehr. Im Gegenteil: SAP will seine Reichweite mit BBD massiv erhöhen. Dabei helfen soll unter anderem eine Kooperation mit Accenture. Gemeinsam mit dem Dienstleister will SAP Erweiterungen wie beispielsweise Industrie-Templates entwickeln, um die On-Demand-Lösung auch für Großunternehmen interessanter zu machen. SAP peilt damit vor allem Konzerntöchter an.

Darüber hinaus wollen die SAP-Verantwortlichen weitere Märkte angehen. Neben den sechs Startländern China, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Indien und USA sollen mit Version 3.0, die Mitte des Jahres herauskommt, Mexiko und Kanada dazukommen. Mit Release 3.5 will SAP Anfang 2012 zusätzlich in Brasilien an den Start gehen. Gerade in den BRIC-Staaten rechnet sich der Konzern gute Chancen aus. Im Reich der Mitte hat SAP eine strategische Partnerschaft mit China Telecom vereinbart. Der Mobilfunk- und Festnetzanbieter soll als Solution Partner und Reseller agieren. Aus SAP-Sicht eröffne sich damit ein Marktpotenzial von bis zu einer Million chinesischer Firmen, für die BBD interessant sein könnte.

Lorenz kündigte darüber hinaus einen Store für Erweiterungen der On-Demand-Plattform an, auf der SAP, Partner und Kunden ihre Entwicklungen feilbieten könnten. Dem Manager schwebt dabei kein bloßer Softwarekatalog vor, sondern aktiver Content, der sich direkt in die produktiven Systeme einspielen lassen soll. Wie das Geschäftsmodell an dieser Stelle aussehen wird, steht indes noch nicht fest. Aktuell sammelt der Konzern Feedback aus der Partner-Community. Man werde Regeln für Intellectual Property (IP) und die Aufteilung des Portfolios finden müssen, kündigte der SAP-Manager an. Insgesamt soll die Handhabung aber offenbar lockerer werden. Zudem werde SAP Teile abgeben, sagte Lorenz. "Wir können nicht alles selbst bauen. Cloud bedeutet teilen."

Unter dem Strich muss SAP jedoch auch mit On-Demand Geld verdienen. Kritiker hatten in der Vergangenheit wiederholt daran erinnert, dass sich mit On-Demand längst nicht die Margen erreichen ließen wie im klassischen On-Premise-Geschäft mit Lizenz- und Wartungseinnahmen. Lorenz wollte zur Sapphire zwar keine Details über SAPs Marge mit BBD verraten. Man liege jedoch besser als der Wettbewerb, ließ der SAP-Manager durchblicken. Insgesamt müsse aber auch das On-Demand-Geschäft die Konzernziele in Sachen Marge, die bei 35 Prozent liegen, mit unterstützen. Man sei aber auf einem guten Weg, so Lorenz. Beispielsweise habe SAP im Laufe der Zeit gelernt, die Lösung effizienter und damit kostengünstiger zu betreiben.

Versata verdirbt SAP-Show

Getrübt wurde die SAP-Show im sonnigen Florida jedoch durch den Fall Versata Software. Ein US-amerikanisches Bezirksgericht in Texas hat SAP wegen Patentrechtsverletzung zu einer Strafe von 345 Millionen Dollar verurteilt, sickerte zu Beginn der Kundenkonferenz durch. In dem Streit, der sich seit 2007 hinzieht, geht es um eine Preisfindungstechnik, die SAP angeblich irregulär in seinen Produkten nutzt, so der Vorwurf der Versata-Verantwortlichen. Bereits 2009 hatte ein Richter den deutschen Softwarekonzern zu einer Strafzahlung von 139 Millionen Dollar verdonnert. Dann wurde das Verfahren allerdings neu aufgerollt - mit dem jetzt bekannt gewordenen Ausgang. Snabes Amtskollege McDermott wollte das Verfahren nicht kommentieren. Schließlich laufe der Prozess noch. SAP werde jedoch alle Optionen prüfen.

Das Urteil ist bereits die zweite Strafe, die US-Richter dem deutschen Softwarehersteller binnen kurzer Zeit aufbrummten. Im Streit um Datenklau und Spionage durch die inzwischen geschlossene SAP-Tochter TomorrowNow hatte der Konkurrent Oracle eine Entschädigung von 1,3 Milliarden Dollar zugesprochen bekommen. SAP will lediglich gut 400 Millionen Dollar zahlen. Das Verfahren dürfte sich wohl noch eine Weile hinziehen.

Und den SAP-Chefs noch einige Unannehmlichkeiten bereiten. Wenn sich Ende Mai die Anteilseigner in der vom SAP-Gründer Dietmar Hopp finanzierten SAP-Arena in Walldorf zur Hauptversammlung treffen, will die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) Aktionärsschützer den beiden Firmenlenkern einige unangenehme Fragen zu dem Verfahren stellen, das den Konzern teuer zu stehen kommen könnte. Die Manager hätten die Aktionäre nur unzureichend über den Fall informiert und die Folgen falsch eingeschätzt, lautet ihr Vorwurf. Vorstand und Aufsichtsrat sollen deshalb nicht entlastet werden. Die Entscheidung darüber soll vielmehr vertagt werden. Nach Ansicht der DSW soll zunächst festgestellt werden, ob der Vorstand durch die Fehleinschätzung Sorgfaltspflichten verletzt hat. Zugleich soll geklärt werden, ob der Aufsichtsrat die Schadensersatzpflicht des Vorstands geprüft habe. Ob es dann am 25. Mai wirklich zu der befürchteten Konfrontation kommt, bleibt abzuwarten.