ERP und die Kosten

SAP verteuert die Wartung auch für den Mittelstand

30.06.2008 von Frank Niemann
Der "Enterprise Support" gilt demnächst auch für Neukunden des für den gehobenen Mittelstand gedachten SAP-Produkts "Business All-in-One". Da die ERP-Umgebungen der Kunden immer komplexer werden, müssten Leistungen und Kosten zueinander passen, argumentiert der Konzern.

Vor einigen Wochen hatte SAP neue Wartungskonditionen angekündigt. Für Neukunden gilt nun der "Enterprise Support". Neue Kunden sind solche, die bisher in ihrer Organisation keine SAP-Software genutzt haben. Verglichen mit der bisherigen Standardwartung handelt es sich um ein umfangreicheres Wartungsangebot, das allerdings mit 22 Prozent statt der heute üblichen 17 Prozent vom Lizenzpreis auch teurer ist.

ERP-Wartung in komplexen Umgebungen

Enterprise Support ist laut SAP eingeführt worden, da Softwareanwender immer komplexere Applikationsumgebungen betreiben, was den vom Hersteller zu leistenden Softwarepflegeaufwand verteuert. Zur steigenden Komplexität gehört laut SAP, dass Kunden neben ERP-Kernfunktionen vermehrt SAP-Software für die Geschäftsdatenanalyse sowie Customer-Relationship-Management verwenden und darüber hinaus Produkte von Partnern beziehungsweise Drittsysteme in ihre Umgebung einbinden. Zudem erstreckt sich der Softwareeinsatz der Anwender mittlerweile über Firmengrenzen hinweg. Auch Neukunden der Produkte des von SAP gekauften Business-Intelligence-Herstellers Business Objects fallen unter die neue Regelung.

Da SAP mit dem Abschluss eines Wartungsvertrags eine Verfügbarkeitszusage für die Kundensysteme macht, müssen Leistungen und Kosten vor dem Hintergrund steigender Komplexität zusammenpassen, begründet der Softwarekonzern die teureren Konditionen. Zudem weist der Konzern darauf hin, im Gegensatz zu Konkurrenten den Wartungssatz über einen langen Zeitraum nicht erhöht zu haben.

Was passiert mit bestehenden Verträgen?

Eine Anpassung der bestehenden Wartungsverträge steht derzeit nicht an, für die Zukunft ausgeschlossen sind sie aber nicht. Hier muss SAP jedoch sehr vorsichtig agieren: Würde sich für ERP-Nutzer die Wartung kurzfristig verteuern, wäre dies ein böses Erwachen für all jene, die unlängst von R/3 auf ERP 6.0 umgestiegen sind, um den höheren Wartungsgebühren für Alt-Releases zu entfliehen. "Die nächsten fünf Jahre dürften der Durchsetzung der 22 Prozent Enterprise-Wartung bei den Altkunden gewidmet sein", ist sich Helmuth Gümbel, Analyst bei Strategy Partners, sicher.

Aktuell gilt für Bestandskunden der Standardsupport und damit 17 Prozent an Wartungskosten, und zwar auch für solche, die bereits von R/3 auf ERP 6.0 migriert haben. "Uns liegen keine Informationen vor, dass sich daran etwas ändert", so Andreas Oczko, Vorstandsmitglied der Deutschsprachigen SAP-Anwendergruppe (DSAG).

Optionales Wartungs-Upgrade für Bestandskunden

Wer über die Standardwartung hinaus auch die Leistungen des Enterprise Support beziehen will, kann diese optional bestellen. Allzu hoch dürfte die Nachfrage hier jedoch nicht sein. "Anwender müssen sich fragen, ob ihre Umgebungen bereits so komplex sind, wie es SAP skizziert. Vor allem im Mittelstand dürfte das nicht immer der Fall sein", meint DSAG-Vorstandsmitglied Oczko.

Das Beratungshaus Gartner steht den neuen Wartungsleistungen eher kritisch gegenüber. "Den Nachweis dafür, dass sich die Leistungen des Enterprise Support für den Kunden lohnen, muss SAP noch erbringen", bringt es Christian Hestermann, Research Director ERP bei Gartner, auf den Punkt. Gartners Einschätzung beruht darauf, dass Leistungen der heute als Enterprise Support bezeichneten Wartungsofferte bereits seit einiger Zeit für SAP-Kunden optional waren.

Enterprise Support für SAP Business All-in-one

Auch der Mittelstand bleibt nicht von den neuen Wartungskonditionen verschont. Nach SAP-Angaben soll der Enterprise Support demnächst auch für Neukunden der Software "Business All-in-one" gelten. Bei dem Produkt handelt es sich im Kern um SAP ERP 6.0, das branchenspezifisch vorkonfiguriert wird. Durch die höherwertigen Wartungsdienste wird die IT-Abteilung des Anwenderunternehmens beim Betrieb von SAP-Software entlastet, lautet ein Argument des Softwarehauses, den Enterprise Support und damit die höheren Leistungen und Gebühren auch für das Mittelstandsprodukt festzusetzen.

Ein Element des Enterprise Support ist die Systemverwaltungssoftware "Solution Manager", die der Anwender in seiner Umgebung betreibt. Das Produkt erhält Erweiterungen, die für die neuen Wartungsfunktionen erforderlich sind.

Mit ERP 6.0 vollzieht SAP nicht nur eine Änderung in der Release- sondern auch in der Wartungsstrategie. Bisher galt das Wartungsschema 5-1-2, das besagt, ein Softwarerelease bleibt fünf Jahre in der Standardwartung und kann danach gegen höhere Gebühren (19 beziehungsweise 21 Prozent) bis zu drei Jahre weiter betrieben werden. In diesem Konzept war auch vorgesehen, alle zwölf bis 18 Monate ein neues Produkt-Release auf den Markt zu bringen. Nunmehr liefert der Konzern vorerst keine neuen Produktversionen, sondern Erweiterungspakete ("Enhancement Packages") aus, das ERP-Kernsystem bleibt jedoch stabil. Diese Pakete enthalten unter anderem funktionale Ergänzungen, die der Anwender nach Bedarf einspielt.

SAP Enterprise Support

  • Mission-critical Support: Systemchecks und Risikoanalysen auf der Grundlage von definierten Service-Level Agreements.

  • Solution Manager Enterprise Edition: Die System-Management-Plattform von SAP wird um Funktionen erweitert, um Enhancement Packs in SAP-ERP-Umgebungen einzuspielen.

  • Run SAP: Dies ist eine Methode, die in Ergänzung zum Enterprise Support Standards für den Applikationsbetrieb sowie Projekt-Management-Verfahren für Service-orientierte Architekturen festlegen.

Auch bei den Erweiterungspaketen gibt es nun eine Veränderung: Hatte SAP bisher geplant, bis 2010 Enhancement Packages an die Kunden auszuliefern, wurde diese Frist nun auf 2012 ausgedehnt. Auf diese Weise will der Softwareanbieter den Kunden offenbar mehr Zeit einräumen, um ihre R/3-Installationen auf ERP 6.0 umzustellen. Für eine erste Bilanz, ob und wie die Enhancement Packages bei den Kunden ankommen ist es noch zu früh.