SAP-Tochter Steeb: "Der Mittelstand macht wieder Geld für ERP-Projekte locker"

20.09.2007 von Frank Niemann
Nach Überzeugung von Alexander Arnold, Chef der SAP-Tochter Steeb, ist der Mittelstand willens und bereit, in neue ERP-Lösungen zu investieren. Weitere Festpreisofferten sollen Firmen überzeugen, die vor der kostspieligen Einführung von SAP-Programmen bisher zurückgeschreckt sind. Allerdings verwirrt die Vielfalt an Softwarelösungen und Komplettangeboten zunehmend.

Beklagen kann sich der SAP-Partner Steeb im Augenblick offenbar nicht. "Budgets stellen bei den Kunden derzeit kaum ein Problem dar, da die Projekte zum Erreichen der Geschäftsziele notwendig sind. Eher sind die personellen Engpässe auf Anwender- und IT-Seite ein limitierender Faktor", beschreibt Alexander Arnold auf der Kundenkonferenz "Steeb Mittelstandsforum" in Fulda die Situation. Arnold ist seit Februar Chef der zum Softwarekonzern SAP gehörenden Firma, die sich auf mittelständische Unternehmen spezialisiert hat. Anwenderunternehmen sind offenbar bereit, wieder Geld für Software auszugeben. Probleme bereitet ihnen hingegen der Mangel an qualifiziertem Personal beziehungsweise die Auslastung der Angestellten. Volle Auftragsbücher lassen den für das Projekt erforderlichen Experten aus den Fachbereichen wenig Zeit, sich an dem Vorhaben zu beteiligen. "Mitunter hat die SAP falsche Vorstellungen davon, über wie viel IT-Personal ein mittelständisches Unternehmen verfügt", meint ein SAP-Experte, nicht nicht namentlich genannt werden will.

Portal und Business-Intelligence zum Festpreis

Steeb vermarktet vorkonfigurierte Branchenlösungen, die auf SAP-Standardprodukten aufsetzen. Der Anbieter hat hierzu Festpreispakete geschnürt, bei denen der Kunde einen fixen Preis für das Aufsetzen eines Standard-ERP-Systems (75 000 Euro) sowie einer branchenspezifischen Erweiterung (50 000 Euro) zahlt. Nicht dabei sind die Softwarelizenzen, die sich nach der Anzahl der Anwender richten. Nach den Worten von Arnold entfielen 60 der 100 Softwareabschlüsse mit Neukunden im Jahr 2006 auf diese Fixpreisangebote. Aus Projekten wurden hierzu Erfahrungswerte zusammengetragen und in eine Schablone überführt, so dass nicht bei jedem Anwender das Rad neu erfunden werden muss. Auch zahlreiche andere ERP-Anbieter verfolgen dieses Konzept.

Umfassten Steebs Fix-Angebote bisher ERP-Lösungen, so legt die Firma nun auch Festpreispakete für Business-Intelligence-Software sowie für ein Unternehmensportal auf. Beide basieren auf der Integrations- und Ablaufumgebung "Netweaver" von SAP und wenden sich damit an Betriebe, die SAP-Installationen um solche Komponenten ergänzen wollen. Eine weitere Offerte ("Fix APO") soll die Fertigungsplanung in Betrieben steuern. Sie stützt sich auf das Modul "Advanced Planning & Optimization" (APO). Bisher hatten praktisch ausschließlich Großfirmen APO angeschafft, das auch als Teil der Lösung "SAP Supply Chain Management" vermarktet wird. Einige SAP-Nutzer verwenden für die Produktionsplanung und –steuerung Drittlösungen, da ihnen die SAP-eigenen Module nicht zusagten oder zu komplex waren.

Dem Steeb-Geschäftsführer zufolge überlegt man, ob es weitere Festpreisangebote geben soll. Denkbar wären solche für das Kundenbeziehungs-Management (Customer Relationship Management, kurz CRM) sowie Product Lifecycle Management (PLM).

Verwirrung um ERP-Festpreisangebote

Nach Arnolds Worten haben die 2004 erstmals vorgestellten Festpreisangebote von Steeb als Vorlage für die Ende Juli dieses Jahres von SAP vorgestellten "Branchenkomplettpakete" (siehe auch: SAP lockt Mittelständler mit ERP-Software zu festen Projektpreisen). Diese Lösungen werden von SAP-Partnern angeboten beziehungsweise bei den Kunden aufgesetzt, mittlerweile auch von Steeb. Auch hierbei handelt es sich um vorkonfigurierte Software. Die Vorarbeiten sollen die Zeit verkürzen, die SAP-Spezialisten brauchen, um das ERP-System aufzusetzen. Für zehn Named User sei ein Projekt ab 90 000 Euro zu haben. Worin nun der Unterschied zwischen den Fix-Produkten und den Branchenkomplettlösungen liegt, konnte Arnold ganz genau nicht erläutern. Für Arnold liegen beide Offerten nicht weit auseinander. "Die Branchenkomplettlösungen sind in Sachen Industriespezialisierung spitzer als unsere Fix-Angebote", so der Steeb-Chef. Beide Angebote richten sich an Kunden, die keine allzu spezifischen Abläufe im ERP-System abbilden möchten. Denn jedes Abweichen von dem voreingestellten Standardumfang kostet Geld. Der Steeb-Chef unterscheidet zwischen Firmen, für die Business-Software der Schlüssel zum Geschäftserfolg ist und die daher eine angepasste ERP-Umgebung wünschen. Daneben gebe es den "Basiskunden", der "normale" Geschäftsprozesse mit der Software realisieren will. Für letztere sei auch das neue SAP-Produkt "Business By Design" (vormals "A1S") gedacht.

Kleiner Maschinenbauer traut sich auf SAP R/3

Steeb-Kunde Steinkamp, ein Maschinenbauunternehmen aus dem ostwestfälischen Espelkamp ging einen eigenen Weg, um Kosten zu sparen. Seit 2005 nutzt der Betrieb R/3 4.7 mit 14 Anwendern. Solche Anwender lässt Steeb natürlich gern auf Kundenveranstaltungen vortragen. Damit will man zeigen, dass SAPs ERP-Software eben doch für die kleinen Firmen geeignet ist. Steinkamp beschäftigt 140 Mitarbeiter und ist eigenen Angaben zufolge das kleinste Maschinenbauunternehmen, das R/3 nutzt. Insgesamt investierte die Firma etwa 220.000 Euro in Softwarelizenzen, neue Hardware sowie Beratungsleistung. Sparen ließ sich beispielsweise bei der Datenbank: Hier verwendet der Maschinenbauer die kostenlose "Max DB". Dabei handelt es sich um die "SAP DB", die SAP gemeinsam mit dem Kooperationspartner MySQL weiterentwickelt. Zwar entrichtet der SAP-Kunde für die Datenbank keine Lizenzgebühren, er muss jedoch Wartung zahlen.

ERP-Software löst Stechuhr ab

Sparen konnten die Ostwestfalen auch, da sie nach den Worten des IT-Verantwortlichen Witaly Hübner ausschließlich die Standardfunktionen der SAP-Software einführten. "Wir wollten klein anfangen, ohne gleich von der SAP-Software erschlagen zu werden." Mit der Applikation löste Steinkamp kleine Softwaresysteme ab, die zur Auftragsbearbeitung und zur Betriebsdatenerfassung dienten, jedoch nicht integriert waren. Für die Zeiterfassung nutzen die Angestellten eine altertümliche Stechuhr. Sowohl die Personal- als auch die Betriebsdatenerfassung wickelt der Fertigungsbetrieb nun mit der Software "Hydra" des Herstellers MPDV ab, die über SAP-Interfaces verfügt. Hübner plant, SAP BW einzuführen, um mehr als nur Standardberichte der R/3-Umgebung erzeugen zu können. In Zukunft könnte auch ein Programm zum Produktdaten-Management hinzukommen. Dabei würden dann auch die CAD-Systeme des Maschinenbauers angebunden werden, die heute noch nicht integriert sind.

Upgrade auf neues SAP-Release droht

Viele R/3-Kunden überlegen gerade, wann und wie sie auf das aktuelle Produkt ERP 6.0 (vormals Mysap ERP 2005) umsteigen sollen. Auch Steinkamp wird irgendwann migrieren müssen, begeistert ist Hübner davon aber nicht, weil solche Vorhaben Geld kosten, das insbesondere Betriebe dieser Größe nicht ohne weiteres locker machen können. "Ich bin froh, dass wir noch eine Weile in der Standardwartung sind." Zu den laufenden Kosten kommen neben den Wartungsgebühren für die Software SAP-Beratungsleistungen. "Jeden Monat fallen drei bis vier Beraterstunden an", so Hübner.

Konzerntochter migriert auf ERP 6.0

Mit ganz anderen Budgets konnte der Industriekonzern EDAG aus Fulda hantieren. Dieser führte in der auf Stahlprodukte für Automobile (darunter Trittbretter, Ölwannen und Schutzbleche) spezialisierten mittelständischen Firmentochter WMU Weser-Metall-Umformtechnik aus Hannoversch-Münden ERP 6.0 sowie die Steeb-Lösung "AS//Automotive" ein. Damit löste die Firma ein Produktionsplanungs- und Steuerungssystem "GEPPS" des mittlerweile zu Sage Deutschland gehörenden Herstellers Bäurer ab. Gleichzeitig verabschiedete sich WMU von der Datev-Buchhaltung. Für den Umstieg sprachen verschiedene Gründe: Einerseits war die Wartung des PPS-Produkts durch Bäurer gekündigt worden, andererseits sollten alle Konzernteile von EDAG Daten an dessen Finanzholding Aton liefern können.

ERP-Stammdaten bereinigt und kopiert

Als Vorlage für die Struktur der Kreditoren, Debitoren und Kontenrahmen diente das zentrale R/3-System (Release 4.7) von EDAG. Aus einer Systemkopie zog das Projektteam ein ERP-System hoch, nahm einen Upgrade auf ERP 6.0 vor und stellte diese Umgebung auf Unicode um. Als letztes wurden mit Hilfe des SAP-Werkzeugs "Legacy System Migration Workbench" zuvor bereinigte Stammdaten des R/3-Systems bei EDAG, darunter Materialstämme, Stücklisten und Arbeitspläne, in die neue ERP-Software kopiert.

DCW-Kunden denken über die ERP-Zukunft nach

Neben den SAP-Anwendern zählen zur Steeb-Klientel noch 300 Firmen, die Software von DCW verwenden. Die Walldorfer hatten den auf den Mittelstand ausgerichteten Rechnungswesenspezialisten im Jahr 2003 gekauft. Bis zum Ende der Standardwartung im Jahr 2009 werden die Produkte noch gepflegt, jedoch nicht mehr weiterentwickelt. Eher zu den Pflichterweiterungen zählt die im Juni angekündigte Anpassung des Rechnungswesens an den Standard Sepa (Single European Payment Area), der ab 2008 in Kraft tritt. Nach Ende der Standardwartung können Kunden "erweiterte Pflege" gegen eine Zusatzgebühr beantragen. Steeb hofft, dass diese Unternehmen dann auf ein SAP-Produkt umsteigen werden. Auf DCW-Kunden hat es aber auch die in München beheimatete SoftM AG abgesehen. Sie bietet diesen Softwarenutzern eine Migration auf die eigenen Finanzbuchhaltungsprogramme an.

Steeb selbst wurde im Jahr 1992 von SAP gekauft. Mit "SC/400" hatte das Unternehmen ein betriebswirtschaftliches Programmpaket entwickelt. Noch 50 Firmen verwenden dieses Paket, das wie die DCW-Programme als native Software auf dem IBM-Midrange-System "I-Series" laufen. (fn)