SAP schmiedet Allianzen für ESA

25.05.2005 von Martin Bayer
Um die eigene Enterprise Services Architecture (ESA) voranzubringen, scharen die SAP-Verantwortlichen zahlreiche Partner um sich. Branchengrößen wie Adobe, Cisco und Intel wollen SAP-Technik in Lizenz nehmen.

Hier lesen Sie ...

  • wie SAP die Community rund um seine Enterprise Services Architecture (ESA) ausbaut;

  • wer künftig ESA in Lizenz nehmen möchte;

  • warum die Anwender der neuen Plattform noch zögerlich gegenüberstehen.

Der SAP-Vorstand wirbt um Partner für seine ESA-Plattform.

ESA bringt eine Reife für unsere Industrie, auf die wir lange gewartet haben." SAP-Chef Henning Kagermann rührte in seiner Keynote auf der SAP-Kundenveranstaltung Sapphire, die vom 17. bis 19. Mai im US-amerikanischen Boston stattfand, weiter eifrig die Werbetrommel für die eigene Architektur. Lange Zeit habe man versucht, Systeme zu verbinden, die von Haus aus nicht darauf ausgelegt gewesen wären. Mit ESA erhielten Kunden nun die versprochenen Möglichkeiten, ihre Softwaresysteme zu integrieren.

Seit nunmehr zwei Jahren propagieren die Softwerker aus dem Badischen mit ESA ihr eigenes Konzept einer Service-orientierten Architektur (SOA). Unternehmen benötigten heute angesichts der stetigen Veränderungen von Geschäftsprozessen eine flexible IT-Infrastruktur, so die Begründung der SAP-Strategen. Um den Kunden bei der Anpassung ihrer IT-Strukturen unter die Arme zu greifen, baut SAP auf die Business Process Platform (BPP). Auf Basis der darin enthaltenen Integrationsplattform Netweaver sollen die SAP selbst, Partner und Anwender zügig und ohne großen Aufwand Softwarebausteine entwickeln können, um neue Geschäftsprozesse mit Software zu unterlegen. Damit leiste die IT wieder einen strategischen Beitrag zur Geschäftsentwicklung, bricht Kagermann eine Lanze für seine zuletzt oft als vor allem teuer verschriene Branche: "IT darf nicht länger nur als Kostenfaktor gesehen werden."

Anhaltender Schmusekurs

Um ESA den Boden zu bereiten, setzt SAP auf einen Schmusekurs mit anderen Branchengrößen. Hatte 2002 der damalige SAP-Chef Hasso Plattner noch IBM und Microsoft als die größte Bedrohung seines Unternehmens gebrandmarkt, rauchte sein Nachfolger Kagermann bereits im Jahr darauf mit beiden Konkurrenten die Friedenspfeife. Diese Kooperationen hat SAP seit 2003 kontinuierlich ausgebaut.

So kündigten beispielsweise Vertreter von Microsoft und SAP Ende April auf der europäischen Sapphire in Kopenhagen das gemeinsame Projekt "Mendocino" an. Ziel des Vorhabens: Office-Applikationen enger mit Business-Anwendungen der Walldorfer zu verknüpfen. So sollen Anwender künftig von ihrem gewohnten Office-Frontend auf Daten im SAP-System zugreifen können. Außerdem kündigte IBM in der dänischen Hauptstadt eine an SAPs Business-Applikationen angepasste Version seiner DB2-Datenbank an.

Die jüngste SAP-Konferenz in Boston fügt sich nahtlos in diese Entwicklung ein. Kagermann präsentierte den über 8000 Zuhörern eine Reihe weiterer Kooperationspartner. So wollen IT-Anbieter wie Adobe, Cisco, Computer Associates (CA), EMC, Intel, Macromedia, Mercury, Symantec und Veritas ESA in Lizenz nehmen, um eigene Lösungen an die SAP-Architektur anzupassen.

Service-Repository füllt sich

Um ihre Produkte auf SAP-Umgebungen abstimmen zu können, sollen die ESA-Lizenznehmer Entwicklungswerkzeuge und Laufzeitumgebungen erhalten, um "Enterprise-ready"-Lösungen zu entwickeln. Außerdem bekämen die neuen Partner SAP zufolge alle notwendigen Informationen zu Enterprise Services. Dies sind auf einzelne Geschäftsprozesse zugeschnittene Web-Services, die von SAP, Partnern oder Kunden definiert werden können. SAP will diese in einem Repository zusammenfassen und seinen Partnern zur Verfügung stellen. Aktuell fasst SAPs Service-Container nach eigenen Angaben rund 500 Einträge.

Nils Niehörster, Geschäftsführer des Beratungshauses Raad Consult, bescheinigt SAP ein bislang geschicktes Händchen beim Schmieden seiner Allianzen. Mit den jüngsten Ankündigungen sei es den Walldorfern gelungen, eine durchgehende Integration vom Backend bis zum Frontend in Aussicht zu stellen. Allerdings dürfe man die Bündnisse auch nicht überbewerten. "Cisco wird seine Protokolle nicht neu erfinden, damit ESA besser funktioniert." Letztendlich würden sich SAP und seine Verbündeten an den Ergebnissen messen lassen müssen: "Kooperationen müssen gelebt werden."

Nicht nur Marketing

Spekulationen, es handle sich lediglich um Marketing-Partnerschaften, weist SAP-Vorstand Shai Agassi entschieden zurück. "Wir haben uns nicht nur getroffen, die Hände geschüttelt und gesagt: ,Hey, lasst uns eine Ankündigung machen.‘" Alle Partner würden Produkte im Rahmen der Zusammenarbeit herausbringen, viele sogar noch 2005. Agassi rechnet damit, dass 400 bis 500 Softwarefirmen ein Bekenntnis zur SAP-Plattform ablegen werden.

Sapphire-News

Allianzen: Adobe, Cisco, Computer Associates, EMC, Intel, Macromedia, Mercury, Symantec und Veritas wollen ESA-Lizenzen erwerben.

Partner: Mit dem "Partner-Edge"-Programm unterteilt SAP seine Partner in drei Levels: Associate, Silver und Gold.

Customer-Relationship-Management: Im vierten Quartal 2005 soll die neue Version "Mysap CRM 2005" herauskommen.

Pricing: SAP-Chef Henning Kagermann kündigte Veränderungen der Preisliste an. Ab 2006 soll sich das Pricing stärker am Wert der Software für den Kunden orientieren.

Damit wird es für SAP aber auch immer wichtiger, mit den Partnern gegenseitig die Claims abzustecken. Bereits im Zuge des Mendocino-Projekts, das letztendlich Office als Frontend für SAP-Applikationen stärkt, waren Spekulationen über die Zukunft des SAP-Portals als User Interface aufgekommen. Es müsse nach wie vor eine Ebene geben, auf der der Kontext von Daten und Informationen zusammengefasst und geordnet werde, verteidigt Agassi das SAP-Portal. "Ich hätte Mendocino nicht angekündigt, wenn es das Ende des Portals bedeuten würde", versicherte er mit einem Lächeln.

Auch in Sachen Enterprise Services besteht nach Einschätzung von Berater Niehörster noch Klärungsbedarf. Durch die enge Zusammenarbeit mit Microsoft stehe SAP vor der Aufgabe, das eigene Repository mit dem der .NET-Architektur unter einen Hut zu bekommen: "Ich habe Bedenken, dass die Gesamtarchitektur zu kompliziert wird." SAP müsse jedoch in erster Linie darauf hinarbeiten, die Komplexität für die Anwender zu verringern. Bisher bewege sich die Diskussion auf einem sehr theoretischen und technischen Niveau. Vielen Kunden seien die Vorteile von ESA noch nicht klar.

Die Idee von ESA klinge zwar gut, kommentiert ein Leser im Weblog von SAP-Manager Agassi. Allerdings höre man bereits seit Jahren von ESA, Konkretes sei dabei aber noch wenig herausgekommen. "Ich versuche immer noch, das Konzept zu verstehen", ergänzt Gary Walden, CIO der US-amerikanischen Zuckerraffinerie C&H Sugar Co. Inc. Andere Anwender wie Andreas Lauper vom Schweizer Pharmaunternehmen Novartis sind nach eigenen Angaben noch mit den bestehenden R3-Installationen so beschäftigt, dass sie sich bislang keine Gedanken über eine Migration auf eine völlig neue Architektur machen können.

Anwender wollen noch abwarten

"Die Anwender ziehen noch nicht so recht mit", meint auch Alexander Kubsch, Analyst von Techconsult. Es werde noch Jahre dauern, bis ESA von der Masse der Anwender unterstützt werde. Die Adaption der neuen Plattform vollziehe sich nur allmählich, räumte auch SAP-Chef Kagermann in Boston ein. Das scheint den Verantwortlichen des größten deutschen Softwareherstellers indes keine Sorgen zu bereiten. Sie halten weiterhin an ihrem Zeitplan fest. Bis 2007 soll das gesamte Produktportfolio auf ESA umgestellt sein.

Um die Kunden für die neue Plattform zu gewinnen, hat SAP verschiedene Initiativen ins Leben gerufen. Im Rahmen des seit März 2005 aufgelegten "ESA Adoption Program" wollen die Walldorfer verstärkt über Implementierung und Nutzen von ESA informieren. Ebenfalls seit März kümmert sich George Paolini um eine Community aus Kunden und Partnern. Die notwendige Erfahrung hat der ehemalige Sun-Manager beim Aufbau der Java Community gesammelt.

Warten auf Feedback

Kagermann übt sich derweil in Geduld. Für die Entwicklung der Business Process Platform sei SAP auf das Feedback der Softwarepartner angewiesen. Es gehe zunächst darum, Erfahrungen zu sammeln. Ergebnisse und Umsätze seien nicht das primäre Ziel. Auch wenn SAP einen Vorsprung gegenüber seinem ärgsten Widersacher Oracle hat, darf sich die deutsche Softwareschmiede keinen Ausrutscher leisten. Der Datenbankspezialist arbeitet unter dem "Project Fusion" an der Integration der eigenen sowie der von Peoplesoft, J.D. Edwards und Retek übernommenen Applikationslinien.

Neue Partnerordnung

Donna Troy verantwortet SAPs weltweites Mittelstandsgeschäft.

SAP will seinen Partnerkanal mit dem Programm "Partner Edge" neu ordnen, um vor allem das Geschäft mit dem Mittelstand anzukurbeln. Dieses Segment trage überdurchschnittlich zum Gesamtwachstum bei, betonte SAP-Vorstand Léo Apotheker auf der Sapphire in Boston. 30 Prozent des Umsatzes stammten von mittelständischen Firmen. Zum Mittelstand zählen die Walldorfer Unternehmen mit bis zu 2500 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von weniger als einer Milliarde Euro.

Künftig werden die SAP-Partner in drei Rangstufen eingeteilt: Associate, Silver und Gold. Über die Einordnung entscheidet ein Punktesystem. Dabei sollen die Partner nicht nur für Umsätze Punkte erhalten, sondern auch für Kategorien wie Mehrwert für den Kunden und Kundenzufriedenheit. Je nach Status bekommen sie Preisnachlässe, Marketing-Unterstützung sowie technische Informationen und Support. Das Programm läuft ab sofort in den USA. Europa soll im Herbst dieses Jahres folgen.

Der grundlegende Rahmen des Programms soll weltweit einheitlich sein, erklärte Donna Troy, verantwortlich für das globale Mittelstandsgeschäft der SAP. Allerdings gebe es Möglichkeiten, lokale Anpassungen vorzunehmen. In erster Linie solle die Loyalität der Partner gestärkt sowie die Kundenzufriedenheit erhöht werden. Nicht geplant sei, die Zahl der Partner von derzeit 1400 rasant auf 5000 zu steigern. Allerdings scheint SAP nicht abgeneigt, der Konkurrenz Partner abspenstig zu machen. Apotheker forderte diese auf, ihre Position zu überdenken, und lud sie ein, sich am SAP-Programm zu beteiligen: "Wir werden Sie mit offenen Armen empfangen."

Christian Glas, Analyst von Pierre Audoin Consultants (PAC), geht jedoch nicht davon aus, dass Partner in Scharen zur SAP überlaufen werden. Zwar gebe es durchaus Chancen beispielsweise durch die Unsicherheit im J.D.-Edwards-Umfeld. Allerdings müssten Umsteiger zunächst in das notwendige Knowhow investieren. "Das kostet Geld." Die Neuordnung des Partnerkanals durch SAP hält Glas für längst fällig und sinnvoll. So werde der Markt gerade hinsichtlich der Bewertung von Kundenzufriedenheit für die Anwender transparenter. Außerdem schaffe sich SAP mit dem Programm selbst ein Steuerungsinstrument und Anreize für die Partner, langfristig zu denken.

Für die Bündnisstrategie der SAP haben die Oracle-Verantwortlichen derweil nur Spott übrig. Es sei ein Armutszeugnis, dass IBM erst nach 15 Jahren Zusammenarbeit mit einer angepassten Datenbank auf den Markt kommt, höhnte Günther Stürner, Vice President Sales Consulting und Leiter der Business Unit Database von Oracle in Deutschland. Der Datenbankspezialist kündigte an, seine aggressive Akquistionspolitik fortzusetzen. Nach dem formalen Abschluss der Peoplesoft-Integration sei man bereit für weitere Übernahmen, gab sich Oracle-Chairman Jeffrey Henley kampfeslustig. Als potenzielle Ziele gelten CRM-Spezialist Siebel und Middleware-Anbieter Bea Systems.

Nachdem SAP vor wenigen Monaten im Kampf um den auf Business-Applikationen für den Handel spezialisierten Anbieter Retek gegen Oracle den Kürzeren gezogen hatte, erteilte Kagermann allen Spekulationen über mögliche Akquisitionsabsichten eine Absage. "Wir haben keine Eile, Unternehmen zuzukaufen." Als Revanche für den geplatzten Retek-Deal präsentierte der SAP-Chef einen Geschäftsabschluss mit der US-amerikanischen Baumarktkette Home Depot.

Die mögliche Bedrohung durch Oracle sehen die Walldorfer derzeit gelassen. Zwar müsse man Oracle im Auge behalten, räumte SAP-Sprecher Bill Wohl ein. "Aber ein Blick in unseren Rückspiegel zeigt, dass sie weit zurückliegen."