Transformationsroadmap richtig entwickeln

SAP S/4HANA-Umstieg in drei Schritten

10.04.2018 von Michael Seehrich
Projekte in Richtung SAP S/4HANA sind komplex. Nur wer seinen technologischen Status Quo und die strategischen Ziele genau kennt, findet zu seiner individuellen Transformations-Roadmap. Dabei helfen können verschiedene Methoden aus der Qualitätssicherung.

Ob Konzern oder Mittelstand: Der Umstieg auf SAP S/4HANA stellt für jedes Unternehmen eine Herausforderung dar. Wer diese meistern will, braucht eine individuelle Transformations-Roadmap, die vor allem die Anforderungen an die künftige Applikationslandschaft spezifiziert. Ausgehend von der Unternehmensstrategie, müssen dafür Prozesse, Organisationsstruktur, technologische Bedarfe und die vorhandene Systemumgebung berücksichtigt werden.

Die Transformation in Richtung SAP S/4HANA zu planen, ist alles andere als ein Spaziergang.
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Viele Ansätze, um den richtigen Transformationspfad zu ermitteln, greifen jedoch zu kurz, da sie nur einzelne Elemente betrachten, wie den potenziellen Nutzen neuer Funktionen von SAP S/4HANA für die einzelnen Fachbereiche. So kann beispielsweise im Service-Bereich eine direkte Integration der Maschine (IoT) zwar eine Entlastung des Service-Technikers bedeuten; andererseits entsteht dadurch für den Service-Planer im Backoffice ein höherer Aufwand und Qualifikationsanspruch.

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Das heißt konkret: Einsparungen durch SAP S/4HANA in einem Fachbereich können zu größeren Aufwänden und Risiken sowohl intern als auch in anderen Fachbereichen führen, was weitere kostenintensive Transformationen und Anpassungen notwendig macht. Die Folge können Ineffizienzen, aber auch ein Anstieg der Prozess- und Betriebskosten sein. Um dies zu vermeiden, sollten Unternehmen die Anforderungen ganzheitlich betrachten und priorisieren. Folgende drei Schritte sollten dabei beachtet werden.

1. Ganzheitliche Betrachtung der künftigen Anforderungen

Für eine kundenindividuelle Transformations-Roadmap zu SAP S/4HANA ist es notwendig, die künftigen geschäftlichen, organisatorischen und funktionalen Anforderungen eines Unternehmens zu berücksichtigen. Nur so können die notwendigen Funktionen und dazugehörigen SAP- und Non-SAP-Produkte priorisiert und gezielt in der neuen Applikationslandschaft rund um SAP S/4HANA abgebildet werden. Von Bedeutung sind in diesem Zusammenhang vor allem die folgenden Bereiche:

2. Analyse der vorhandenen IT- und SAP-Infrastruktur

Um den Abdeckungsgrad der künftigen Kundenanforderungen durch bereits vorhandene Applikationen zu ermitteln, muss im nächsten Schritt die System- und Applikationslandschaft analysiert und inventarisiert werden. Dazu bieten sich Fragenkataloge und Workshops an, bei denen die Art der Anwendungen, Funktionen, der Lokalisierungsgrad, die Software, Datenbanken, Schnittstellen, Dokumentation, Verfügbarkeit von internem und externem Know-how, Lizenzkosten, TCO und vorhandene Risiken identifiziert werden. Für die SAP-Systeme empfehlen sich spezielle Programme, die automatische Analysen über die Nutzung der Standardtransaktionen, aber auch Aufrufe von bestehenden Entwicklungen erlauben. Dies ermöglicht einen direkten Abgleich mit neuen SAP S/4HANA-Funktionen.

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Im Ergebnis erhält ein Unternehmen unter anderem Transparenz, welche Funktionen wie genutzt werden, wie viele Eigenentwicklungen existieren und für welche Zwecke diese aufgerufen werden und ob eine zugehörige Dokumentation existiert. Natürlich werden auch technische Kennzahlen, zum Beispiel zu Performance und Peaks, ermittelt. Bei den technischen Analysen werden auch kundeneigene Systeme und Produkte von Drittanbietern betrachtet.

3. Entwicklung der SAP S/4HANA-Transformations-Roadmap

Sind die strategischen Zielsetzungen und der technologische Status quo des Kunden ermittelt, können daraus die Anforderungen an die neue SAP S/4HANA-Landschaft abgeleitet und eine kundenindividuelle Transformations-Roadmap erstellt werden. Dabei entsteht häufig nicht nur eine einzige Transformations-Roadmap, sondern verschiedene Szenarien, unter denen gewählt werden kann.

Durch die Auswirkungen auf das Unternehmen, die Vielzahl der Anforderungen an die neue Lösung sowie die verfügbaren Produkt- und Transformations-Varianten und deren Zusammenspiel gestalten sich SAP S/4HANA-Projekte hochkomplex. Um diese Komplexität zu reduzieren, bieten sich Methoden zur Qualitätssicherung aus anderen Bereichen an.

Techniken und Methoden - Was ist was im Innovation Management

Ganz neu ist die Verwendung der "House of Quality"-Methodik aus der Produkt- und Serviceentwicklung für die Ermittlung der Applikationslandschaft und der daraus abgeleiteten SAP S/4HANA-Transformations-Roadmap. Im "House of Quality" werden die Kundenanforderungen gewichtet und den vorhandenen oder zu entwickelnden Produkteigenschaften gegenübergestellt. Der daraus resultierende Erfüllungsgrad der Funktionen lässt sich aus der entstandenen, bewerteten Arbeits- und Entscheidungsmatrix ablesen, die das Ergebnis und das Kernelement der "Quality Function Deployment"-Methode (QFD) bildet.

Die QFD-Methodik ist Teil der Six-Sigma-Methodik, die die Anforderungen des Kunden visualisiert (Voice of Customer). Sie dient dazu, die häufig unscharf formulierten Kundenwünsche zu sammeln, zu bewerten und eine technische Produktentscheidung herbeizuführen, und zwar nach dem Grad der Erfüllung der Kundenanforderungen. Aus der Matrix wird eine faktenbasierte Entscheidungsgrundlage für den Vorstand und die Bereichsleitung zur Verfügung gestellt.

Gewichtung erlaubt agilen Ansatz

Als standardisierte Entscheidungsmatrix bei SAP S/4HANA-Transformationsprojekten angewandt, dient "House oft Quality" zur Aufnahme, Priorisierung und Dokumentation sämtlicher geschäftlicher und technologischer Anforderungen eines Unternehmens. Der direkte Vergleich mit dem Status quo, dem Erfüllungsgrad der vorhandenen SAP-Produkte, führt zur Entwicklung verschiedener Transformations-Szenarien, die gemeinsam mit dem Kunden als Business Cases bewertet werden und letztlich die Basis bieten, zu einer Entscheidung zu finden.

Ein weiterer Vorteil der Bewertungsmatrix besteht darin, dass die gewichteten Kundenanforderungen und deren funktionale Abdeckung die Priorität und Reihenfolge der Umsetzung zeigen, auf deren Basis zum Beispiel in einem agilen Ansatz die entsprechenden Scrum-Teams definiert werden können.