ERP-Software im Vergleich, Teil 2

SAP, IFS, Microsoft und Infor im Test

08.09.2010
Die Multisite-ERP-Systeme von SAP, IFS, Microsoft (Dynamics AX) und Infor (ERP LN) traten in einem Wettbewerb mit Publikumsbewertung gegeneinander an. Anhand eines vorgegebenen Prozessszenarios mussten die Anbieter zeigen, wie sie einen kompletten Geschäftsprozess innerhalb einer Firmengruppe abwickeln.

Manche Unternehmen aus dem Mittelstand unterhalten Firmengruppen mit rechtlich eigenständigen Gesellschaften. Diese innerhalb einer ERP-Software abzubilden ist eine Herausforderung für so manche Applikation. Multisite-Systeme dagegen wurden dafür entwickelt. Ihre Datenbankstruktur erlaubt es, den Waren- und Wertefluss mehrerer Unternehmen unter einem Dach abzubilden.

Firmen mit diesem Bedarf verfügen oft nicht über geeignete Lösungen. Nach Schätzungen der am ERP-Test beteiligten Firma MQ Result Consulting AG werden in nahezu 80 Prozent aller Einführungsprojekte Altsysteme abgelöst. Und obwohl die Technik gereift ist und Einführungskonzepte und -werkzeuge zur Verfügung stehen, werden laut Wolfgang Quelle, Vorstand der MQ Result Consulting AG, die Projekte immer komplexer: "Unternehmen wollen nicht mehr nur Kernfunktionen installieren, sondern auch zahlreiche Komponenten wie Dokumenten-Management, CAD, Portale und Drittlösungen integrieren, und zwar nicht nur am Stammsitz, sondern in allen Gesellschaften."

Zu den Erfolgsfaktoren einer ERP-Einführung zählt natürlich geeignete Software, allerdings mache sie laut Quelle rund 25 Prozent des Erfolgs aus - insofern solle man die Ergebnisse solcher Produktvergleiche auch nicht überbewerten. Weitere 25 bis 30 Prozent entfielen auf die Fähigkeiten des ERP-Herstellers beziehungsweise -Einführungspartners. Und der Rest? Den habe der Kunde selbst in der Hand. Menschliche Faktoren wie gute und offene Kommunikation zwischen Teams des Anbieters und Anwenders, klare Projektfahrpläne und ein straffes Projekt-Management wiegen laut MQ Result mehr als gute Technik. Das gilt erst recht für Softwareprojekte, die mehrere Gesellschaften, Standorte und vielleicht sogar Länder umfassen.

Vier Multisite-ERP-Lösungen im Wettbewerb

Während im ersten Teil des ERP-Vergleichs Applikationen für ein Einzelunternehmen getestet wurden, traten im zweiten Teil vier Multisite-Lösungen gegeneinander an (siehe "ERP-Vergleich, Teil 1: AP AG, Proalpha, Abas und Pispenta im Praxistest"). Zum zweiten ERP-Vergleich waren erschienen: SAP ("SAP ERP" beziehungsweise "SAP Business All-in-One", vorgestellt vom SAP-Partner Itelligence), Infor ("Infor ERP LN"), Microsoft ("Dynamics AX", vertreten durch den Microsoft-Partner KCS.net) und IFS ("IFS Applications"). Am Ende erhielt das SAP-System die beste Bewertung, dicht gefolgt von IFS. Knapp dahinter Infor und Microsoft. Benotet werden dabei aber nicht nur die Funktionen einer Software, sondern auch die Fähigkeit des jeweiligen Teams, die gestellten Aufgaben im System umzusetzen und die Lösungen dann dem Zuschauer zu präsentieren. Eine Herausforderung dabei: Wie stellt man Abläufe innerhalb einer Firmengruppe dar, ohne das Publikum zu verwirren? Nach Angaben von GPS und MQ Result entspricht das Szenario der Präsentation etwa dem eines Workshops bei einem Anwender, der sich im Rahmen einer ERP-Auswahl verschiedene Produkte vorführen lässt (siehe auch "ERP-Migration: Mut zum Prozesswechsel").

ERP-Vergleich, Teil 2
Bewertung
Die bei dem ERP-Vergleich anwesenden Teilnehmer konnten anhand von Fragebögen Noten vergeben. Laut GPS und MQ Result sehen die Teilnehmer bei der Präsentation auch hinter die Oberfläche der Systeme und erkennen sehr genau, ob der Anbieter weiß, worüber er spricht." Der äußere Eindruck der Systeme, und das Präsentationsgeschick der Akteure hätten großen Einfluss auf die Wertung.
Bewertung
Die hohen Funktionsabdeckungen „im Standard“ deuten darauf hin, dass individuelle Anpassungen und Ergänzungen weitgehend der Vergangenheit angehören sollten.
Bewertung
Diese Bewertung beruht auf der Einschätzung der Veranstalter GPS und MQ Result.
Kosten
Die Software muss nicht nur funktional zum Unternehmen passen, sondern auch finanzierbar sein. Die Anbieter hatten auf Anfrage konkrete Preisangaben gemacht.
Anbieterwechsel
Die Software muss nicht nur funktional zum Unternehmen passen, sondern auch finanzierbar sein. Die Anbieter hatten auf Anfrage konkrete Preisangaben gemacht.

Alle zum Vergleich angetretenen ERP-Systeme konnten die gestellten Aufgaben erfüllen und tragen somit zu Recht den Titel "Standardsoftware". Wie schon im ersten Teil bestätigte sich, dass die Produkte grundsätzlich der Aufgabe gewachsen sind. Unterschiede ergeben sich erst bei genauerer Betrachtung.

Beachten Sie bitte auch die PDF-Dateien zum Download am Ende dieser Seite. Sie finden dort Preisangaben sowie weitere Details zu den ERP-Herstellern.

Auf den folgenden Seiten finden Sie zu den vier ERP-Produkten Stärken und Schwächen, die dem Autor während der Präsentationen aufgefallen sind.

COMPUTERWOCHE-Marktstudie

Mehr zum Thema ERP erfahren Sie in der aktuellen Marktstudie der COMPUTERWOCHE, die Sie hier herunterladen können.

Microsoft - Microsoft Dynamics AX

Benutzeroberfläche:

Microsofts Role-tailored Client setzt im ERP-Markt Maßstäbe. Auf seinem Startbildschirm hat der Anwender die für seine Aufgaben wichtigen Informationen im Blick. Dazu zählen auch Abfragen, Berichte und Formulare.

Sehr leicht können Masken angepasst werden. Elemente auszublenden oder die Reihenfolge von Maskenfeldern zu ändern ist ein Kinderspiel.

Auch die Suchfunktionen über Filter beziehungsweise erweiterte Filter sind hilfreich. Darüber kann der Anwender beispielsweise für eine Rückrufaktion die Kunden ausfindig machen, die ein schadhaftes Produkt erworben haben.

Zudem protokolliert das Frontend über "Infologs", was bisher in Dialogen geschehen ist.

CRM:

Für die Offline-Funktion benötigt man zusätzlich Dynamics CRM. Ansonsten verweist der Hersteller auf die Formularentwicklung mittels Infopath.

Dem Außendienst steht für Besuchsberichte eine vergleichsweise dürftige Funktion zur Verfügung. Auch hier muss der Anwender mit Infopath selbst Hand anlegen, wenn er mehr möchte.

Für das Angebotswesen sieht das Microsoft-Produkt ein Strukturangebot vor, das der Anwender konfigurieren kann. Ausgefeilt ist auch die Drucksteuerung für Angebote über verschiedene Vorlagen. Im ERP-System angelegte Angebote lassen sich in Word verfeinern, wobei hier eine Versionierung hinterlegt ist.

Konstruktion:

Dynamics AX enthält CAD- und PDM-Software. Eine Konstruktionsstückliste lässt sich auschecken, um beispielsweise über ein CAD-System Konstruktionsänderungen vorzunehmen. Andere Nutzer werden über Änderungen benachrichtigt.

Produktion:

Dynamics AX beherrscht das Standard-Repertoire der Fertigungssteuerung inklusive Fremdvergabe von Produktionsaufträgen.

Einkauf:

Das Einkaufswesen bietet alles, was der Benutzer braucht. Allerdings lässt die ERP-Lösung keine Ad-hoc-Anfragen an Lieferanten zu. Andere ERP-Produkte gestatten es dagegen, Anfragen an Lieferanten zu erzeugen, auch ohne dass diese bereits als Kreditoren angelegt sind.

Service:

Dynamics AX verwaltet Serviceaufträge. Servicetechniker können Stunden buchen. Zudem gibt es eine Kapazitätsplanung für Serviceexperten.

Auswertungen:

Neben den vorgefertigten Berichten stehen dem Nutzer Datenwürfel ("Cubes") zur Verfügung, auf die er auch via Excel zugreifen kann. Microsoft liefert mit der hauseigenen Datenbank SQL Server entsprechende BI-Funktionen mit.

Schwachstellen:

Microsoft Dynamics AX bietet vergleichsweise wenige Funktionen im Standard und verlässt sich auf die Partner. Der Konzern will den Bestand an Basisfunktionen für Branchen ("Industry Layer") ausbauen. Dazu zählen industriespezifische Ausprägungen, etwa für das Qualitäts-Management.

IFS - IFS Applications

Benutzeroberfläche:

IFS bietet eine solide, aber unspektakuläre (fast schon biedere) Benutzeroberfläche. "Hübscher" wird die nächste Generation des Frontends ("Aurora"), die jedoch erst im zweiten Quartal 2009 freigegeben wird und somit nicht für diesen Test zur Verfügung stand. Derzeit verfügen die unterschiedlichen Module über verschiedene Frontends.

Ein grafischer "Business Modeler" dient dazu, Geschäftsprozesse zu definieren und auch gleich zu dokumentieren. Als einer der ersten ERP-Anbieter hat IFS eine Suchmaschine in die Software integriert. Mit ihr sind systemweite Suchanfragen im Google-Stil möglich.

CRM:

Das CRM-Modul ("Sales & Marketing") verfügt über ein anderes Frontend als die restlichen Bestandteile. Das Vertriebs-Tool erinnert an Office mit einer etwas ungewöhnlichen Karteireiterleister in der unteren Bildschirmhälfte.

Die CRM-Komponente gleicht Informationen mit Outlook effizient ab.

An Besuchsberichte kann der Nutzer Dateien anhängen. Zudem sind Manager in der Lage, Pflichtfelder für solche Berichte festzulegen.

Als flexibel erweisen sich die Offline-Funktionen. Für mobile Anwender gibt es einen Offline-Client fürs Notebook nebst lokaler Datenbank. Je nach Konfiguration umfasst die mobile Applikation nur die relevanten Kundendaten, möglich ist aber auch, das Angebotswesen der ERP-Lösung offline zu verwenden.

Bei Angeboten kann der ERP-Nutzer Kopf-, Fuß- und Positionstext erfassen. Zur Lieferterminermittlung unter Berücksichtigung von Material- und Produktionskapazität (Capable-to-Promise, kurz CTP) bezieht die Software - wie es sich für ein Multi-Site-System gehört - auch Produktionsgesellschaften ein.

Nett ist das Feature zum Erzeugen einer Angebotsrechnung.

Ergänzen lässt sich der CRM-Prozess durch einen Produktkonfigurator.

Konstruktion:

IFS lässt sich eng mit CAD-Systemen wie etwa Solidworks von Dassault Systèmes koppeln. Für Änderungen an Artikeln gibt es eine Revisionsverwaltung.

Die ERP-Lösung verfügt über ein eigenes Produktdaten-Management (PDM), lässt sich aber auch mit gängigen PDM-Lösungen verbinden.

Gut ausgeprägt ist das Projekt-Management, das auch eine Kostensammlung für Konstruktionsarbeiten beinhaltet. Wie einige andere ERP-Lösungen für die Maschinen- und Anlagenbranche gestattet es auch IFS, Artikel ohne vorherige Vergabe einer Artikelnummer zu erfassen.

Artikel lassen sich bereits hier als Ersatzteil markieren.

Produktion:

Aus einem Planauftrag kann der Anwender entweder einen neuen Fertigungsauftrag erstellen oder ihn in einen bereits bestehenden Fertigungsvorgang übernehmen.

Arbeitsgänge lassen sich einfach kopieren, um sie anderswo zu verwenden.

Ein Plus der IFS-Software: Artikelrevisionen lassen sich bis ins Lager mitführen. Jede Revision besteht aus eigenen Stücklisten und Arbeitsplänen.

Einkauf:

Das Einkaufssystem erlaubt Anfragen für Einmalartikel. Das sind beispielsweise Bauteile, die ein Unternehmen nur für einen Kundenauftrag benötigt. Ebenso sind Anfragen bei Lieferanten möglich, die noch nicht im Kreditorenstamm angelegt sind.

Sind Aufträge an Lieferanten vergeben worden, kann IFS auf Wunsch eine Absage an die Lieferanten erzeugen, die ebenfalls angefragt wurden, bei diesem Beschaffungsprozess jedoch nicht zum Zuge kommen.

Ein Fenster informiert den Anwender über den jeweiligen Status der Aufträge, etwa "Auftrag erteilt" oder "Bestellung erzeugt".

Über eine eigene Maske lassen sich Betriebsdaten erfassen (BDE) und Arbeitsgänge rückmelden. Gedacht ist das Tool beispielsweise für den PC in der Werkstatt.

Auf der ERP-Suche?

Bei der Suche nach einem passenden ERP-System hilft Ihnen der ERP-Matchmaker von Trovarit und der COMPUTERWOCHE.

Service:

IFS verfügt über ein eigenes Modul für das Service-Management, das:

Bei der Kapazitätsplanung von Servicetechnikern können die Urlaube der Mitarbeiter berücksichtigt werden. Die Informationen hält die HR-Komponente von IFS bereit.

Auswertungen:

Bezogen auf Fertigungsaufträge kann der Nutzer Kostenabweichungen sichtbar machen.

Eine Rentabilitätsanalyse soll bei der Entscheidung helfen, ob sich ein Auftrag lohnt. Hierbei berücksichtigt die Software die Kostendaten aus Stücklisten, Arbeitsplänen und die Konstruktionskosten.

Für Standardberichte steht eine Excel-Kopplung ("IFS Business Analytics") bereit, die eine Live-Verbindung zur ERP-Datenbank unterhält. Über die Microsoft-Tabellenkalkulation kann der Anwender mit entsprechenden Rechten ERP-Daten auch ändern.

Schwachstellen:

Hauptschwäche von IFS ist die geringe Bekanntheit und die angesichts des Anspruchs, SAP auch bei großen Kunden Paroli bieten zu können, relativ geringe Verbreitung in Deutschland. In Sachen Buchhaltung und Controlling liefert der Hersteller zwar gute Funktionen, kommt aber an SAP nicht heran.

Außerdem ist die Benutzerführung über die zahlreichen Module des Systems hinweg nicht immer stringent.

SAP - SAP Business All-in-One (SAP ERP)

Benutzeroberfläche:

Weltweit wird das ERP-Frontend von SAP ERP von rund 13 Millionen Anwendern genutzt. Schön ist es deshalb trotzdem nicht. Zwar wurde die Oberfläche in den letzten Jahren immer wieder modernisiert, doch das Buchhalter-Image konnte sie bislang nicht abstreifen.

Wer damit leben kann, erhält praktische Funktionen. So kann, wer die Übersicht über die zahlreichen SAP-Transaktionen verloren hat, über eine Suchfunktion die gewünschte Maske ausfindig machen.

Listen enthalten Felder mit Links, so dass man über eine Artikelnummer in den Artikelstamm verzweigen kann.

Zudem sind Dokumente wie Zeichnungen, Produktbilder und CAD-Modelle gut mit Datensätzen aus dem Artikelstamm und dem Kundenauftragsbestand verbunden.

Service für ERP- und CRM-Anwender

SAP-Newsletter von COMPUTERWOCHE und Raad

Wollen Sie regelmäßig aktuell über Produkte, Technologien und Strategien der SAP informiert werden?

Dann bestellen Sie doch den gemeinsamen SAP-Newsletter von COMPUTERWOCHE und RAAD. 14-täglich serviert der SAP-Newsletter RAAD-Analysen, Hintergrundberichte und News rund um das Walldorfer Unternehmen frisch in Ihre E-Mail-Inbox - eine Pflichtlektüre für SAP-Anwender und solche, die es werden wollen.

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CRM:

SAP ERP verfügt über eine Vertriebssteuerung, doch werden Anwender die Funktionen des Zusatzprodukts "SAP CRM 2007" zu schätzen wissen. Dessen Oberfläche dürfte eher bei den Vertriebsleuten Anklang finden.

Positiv fällt die Aktivitätsverwaltung auf, mit der sich leicht Folgeaktivitäten erzeugen lassen.

Wie nicht anders zu erwarten, ist die CRM-Komponente eng mit dem ERP-Kern verbunden.

Angebote:

Zum Erzeugen eines Angebotstexts stehen Formatierungen zur Verfügung. Über eine Angebotsversionierung lässt sich verfolgen, was man dem Kunden so alles versprochen hat. Die Versionen sind über die Standardfunktion "Belegfluss" ersichtlich, die für alle belegbezogenen Abläufe im SAP-System bereitstehen. Angebote werden zudem im System archiviert.

Sehr einfach kann der Nutzer ein Angebot in einen Auftrag übernehmen. Dabei hilft die Funktion "Positionsübernahme", wenn nicht alle Positionen übertragen werden sollen. Auch hier lässt sich per Belegfluss verfolgen, wie aus einem Angebot ein Auftrag wurde, welche Anzahlungen geleistet wurden etc.

Konstruktion:

CAD-Programme lassen sich über verschiedene Wege an die ERP-Software anbinden. Die eleganteste, aber auch teuerste führt über SAP PLM (Product-Lifecycle-Management).

Damit lässt sich eine Produktstruktur abbilden. Sie enthält eine Änderungshistorie und Preise. Ein Änderungswesen prüft ab, ob Änderungen gültig sind. Konstruktionsvorgänge können die Nutzer über Workflows steuern, etwa über die "Änderungsanfrage". Dieser Workflow kann auch über die CAD-Software (im Test war es "Solidworks") angestoßen werden.

Produktion:

SAP unterscheidet zwischen Konstruktions-, Fertigungs- und Universalstücklisten. In Letzteren ist quasi alles enthalten.

Aus dem Produktionsbereich gelangt man ohne Umwege in die Kalkulation.

An manchen Stellen hat SAP der Software durchaus auch moderne Oberflächenfunktionen spendiert: Aufträge lassen sich per Drag and Drop auf die jeweiligen Arbeitsplätze übermitteln.

Eine integrierte Betriebsdatenerfassung dient dazu, Aufträge zurückzumelden.

Als funktionsreich und übersichtlich erweist sich die Steuerung für die Fremdfertigung.

Einkauf:

Spätestens hier zeigt sich die Eignung der SAP-Software zur Konzernlösung: Rahmenverträge für Lieferanten können für eine ganze Firmengruppe angelegt und verwaltet werden.

Ein weiteres Detail, das positiv auffällt: Für die Qualitätssicherung beim Wareneingang legt SAP ein Prüflos automatisch an.

Lieferung:

Für die Packmittelverwaltung bietet SAP ERP einen umfangreichen Satz an Funktionen. Eine Packmittelstruktur präsentiert verschiedene Ebenen, etwa Paletten, Kartons etc.

Als einer von wenigen Anbietern liefert SAP über den Zusatzbaustein "SAP Global Trade System" eine eigene Software für die Exportabwicklung gemäß dem Atlas-Verfahren, die darüber hinaus eine Präferenzkalkulation bietet. Damit lässt sich die Ursprungseigenschaft eines Produkts ermitteln. Dies ist relevant für Erzeugnisse, die zu Präferenzzollsätzen ausgeführt werden sollen.

Service:

Auch SAP kennt eine Geräteakte, die eine ausführliche Änderungshistorie mitführt.

Servicetechniker können leicht ersehen, welchem Kunden welches Gerät gehört. Das ist brauchbar, wenn beispielsweise eine Maschine den Besitzer wechselt.

Über den Serviceauftrag kann der Anwender rasch in die Kalkulation wechseln, um dem Kunden einen Kostenvoranschlag zu unterbreiten.

Finanzbuchhaltung:

Die SAP-Module FI/CO sind ideal zur Abbildung von Konzernstrukturen ausgelegt. SAP unterscheidet hier zwischen einem "Mandanten" (eine Firmengruppe), dem mehrere "Buchungskreise" (rechtlich eigenständige Gesellschaften) untergliedert sind. Darunter lassen sich "Werke" und "Lager" einrichten. Diese Gliederung gestattet es, Controlling-Funktionen auch für komplexe Unternehmensstrukturen einzurichten.

Auswertung:

Für Reports steht SAP BW zur Verfügung. Über die Ansichten ist ein Absprung in die Belege im ERP-System möglich, die diese Zahlen "verursacht" haben. Mit dem Tool "BEx Web" lassen sich Berichte auch im Browser darstellen.

Schwachstellen:

SAP bietet so zahlreiche Funktionen, dass sie sich kaum in einer Oberfläche unterbringen lassen. Man kann sich leicht in den Masken verheddern. Zudem sind viele Ansichten nicht konsistent. Einige Listenanzeigen erinnern an die R/3- und R/2-Ära. In künftigen Erweiterungen des Systems soll es harmonisierte Oberflächen geben.

Zudem bietet SAP im ERP-Standard nur wenige Vertriebsfunktionen. Man verweist hier auf das mittlerweile ausgereifte CRM-Beiboot.

Infor - ERP LN (vormals Baan)

Benutzeroberfläche:

ERP LN hat seine Ursprünge beim niederländischen ERP-Spezialisten Baan. Das für die diskrete Fertigung konzipierte Produkt hat mehrere Generations- und auch Eigentümerwechsel hinter sich. Mittlerweile gehört es zum Softwarekonzern Infor Global Solutions. Eine Besonderheit ist der "Dynamic Enterprise Modeler", mit dem sich Geschäftsprozesse gestalten lassen.

Die Benutzeroberfläche hat Infor unlängst durch die Technik "Myday" verschönert. Über sie erhält der Anwender auf seine Rolle zugeschnittene Funktionen und Reports. Zudem informiert Myday über Ereignisse. Dazu zählen Warnungen, wenn Aufträge aus dem Termin zu laufen drohen.

Sobald es ans Eingemachte geht, verlässt der Nutzer Myday und befindet sich in einer relativ klassisch anmutenden ERP-Maske. Zu den praktischen Eigenschaften dieses Frontends zählen Suchfelder oberhalb der Spalten in einer Liste. Darüber kann man ohne Wechsel der Ansicht beispielsweise im Materialstamm stöbern.

Der Anwender kann anhand selbst gewählter Kriterien Farbcodes für Felder vergeben.

CRM:

Im CRM-Funktionsumfang ist ein Debitoren-Cockpit enthalten, so dass sich der Verkäufer im Kundengespräch über den potenziellen Käufer informieren kann. Das Cockpit bedient sich der Daten aus der integrierten Finanzbuchhaltung.

Wie viele andere ERP-Hersteller auch bietet das Infor-System keine Offline-Funktionen für CRM im Standard. Hier verweist das Softwarehaus auf Zusatzprodukte wie etwa "Infor CRM Epiphany".

Angebote:

In Sachen Angebotswesen fällt ERP LN positiv auf: Sehr einfach kann der Nutzer beispielsweise Alternativen für einen Posten im Angebot einfügen. Auch die Angebotskalkulation erreicht der ERP-Anwender ohne Umwege. Hat sich der Kunde entschieden, lässt sich aus dem Angebot recht einfach ein Auftrag erzeugen.

Konstruktion:

Änderungsvorschläge für die Konstruktion können aus dem Servicemodul der ERP-Software erzeugt werden. Ein Workflow steuert die Abläufe, so dass diese sich nachvollziehen lassen.

Einkauf/Disposition:

Funktionen für Angebotsvergleiche helfen dem Einkäufer. Er kann verschiedene Offerten anhand verschiedener Kriterien gegenüberstellen, etwa aufgrund der Gesamtsumme.

Zum Kontext passende, integrierte Reports der Myday-Oberfläche geben dem Beschaffer weitere Auskünfte zu den Lieferanten.

Produktion:

Wie SAP gestattet es auch Infor ERP LN, Belegflüsse zu verfolgen. Beispielsweise lässt sich so ermitteln, aus welchem Verkaufsauftrag welche Produktionsaufträge resultierten.

Plantafeln zur Darstellung von Fertigungsaufträgen gehören mittlerweile zum Standard von ERP-Systemen. Bei ERP LN ist diese Funktion besonders flexibel.

Speziell für die Fremdvergabe von Fertigungsaufträgen ins Ausland erzeugt die Infor-Lösung neuerdings eine Pro-forma-Rechnung, sollte der Auftraggeber Material beistellen müssen.

Lieferung:

Infor zählt neben SAP zu den wenigen Anbietern, die eine eigene Software ("Infor XDEX") für die Exportabwicklung gemäß dem ab 1. Juli gültigen Atlas-Verfahren bieten können.

Service:

Infor bietet Funktionen zur Disposition und Einsatzplanung von Servicetechnikern. An Kunden ausgelieferte Produkte lassen sich in einer Geräteakte pflegen. Bei diesen Aufgaben hilft ferner ein integriertes Dokumenten-Management.

Rechnungswesen:

Infor ERP LN ist nicht nur in der Produktionssteuerung, sondern auch beim Rechnungswesen für den Multisite-Betrieb gerüstet. Beispielsweise lassen sich mehrere Firmen mit einem gemeinsamen Logistik-Dienstleister und verschiedenen Lagern einrichten.

Den Bereich Personalwesen deckt Infor mit einem Produkt des Kooperationspartners Hansalog ab.

Auswertungen:

Wer über die Reports der Myday-Oberfläche hinausgehende Funktionen benötigt, wird auf das Zusatzprodukt "Infor PM 10" verwiesen.

Schwachstellen:

Infor ERP LN ist ein über Jahre gereiftes System, das die Fertigung steuern kann. In Sachen CRM-Unterstützung bietet das Produkt trotz der guten Angebotsfunktionen zu wenig.

Die neue Oberfläche Myday ist zwar ein Schritt in Richtung Benutzerfreundlichkeit, noch wirkt sie aber wie aufgesetzt, da für Buchungen das klassische ERP-Frontend herhalten muss.

Das Rechnungswesen kann, was es soll. Mehr nicht. An die Funktionen von SAP reicht das Modul nicht heran. (fn)

COMPUTERWOCHE-Marktstudie

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