Turbo für ERP-Software

SAP-Gründer Hasso Plattner plädiert für In-Memory-Datenbanken

09.06.2009 von Frank Niemann
Der SAP-Mitgründer und Chairman hat klare Vorstellungen, wie sich Geschäftsanwendungen weiterentwickeln sollten: Durch spaltenorientierte Speicherung von Datenbankinformationen und Datenhaltung im Arbeitsspeicher ließen sich die Auswertung von Informationen, aber auch die Transaktionsverarbeitung dramatisch beschleunigen.

Wie bereits auf der Sapphire in Orlando/Florida vor einigen Wochen referierte der SAP-Mitgründer und Chairman nun in Deutschland über die Möglichkeiten, sämtliche Daten einer Geschäftsapplikation im Hauptspeicher zu halten und dadurch die Antwortzeiten stark zu verkürzen (siehe "Plattner: So lassen sich Antwortzeiten bei ERP-Systemen verkürzen"). Auf der "SAP World Tour 2009" in Mannheim wurde Plattner jedoch deutlich konkreter. Neben der In-Memory-Technik eröffne sich mit der spaltenorientierten Speicherung von Daten ein Weg, die Anwendungs-Performance hochzuschrauben. Spaltenorientierte Verarbeitung biete gegenüber dem heute vorherrschenden satzorientierten Datenbankverfahren viele Vorteile.

Vermeidbare Speicherbewegungen im SAP-Rechnungswesen

Für Transaktionen würden beispielsweise nur die Felder herangezogen, die für die Verarbeitung auch tatsächlich erforderlich sind. Heute umfasse der Datensatz in der SAP-Buchhaltung 319 Felder. Der Umfang sei nötig, da das Rechnungswesen zahlreiche Steuersysteme und Landesversionen abdeckt. Für eine Transaktion würden zwar meist nur 20 von diesen Feldern gebraucht, gleichwohl müssten alle 319 in den Speicher geladen werden. Hinzu komme, dass der überwiegende Teil der Funktionen von Software für Enterprise Resource Planning (ERP) mehrere gleichartige Datensätze verarbeite. Die Anzahl der im Speicher zu bewegenden Felder, die eigentlich nicht benötigt werden, nehme so rapide zu.

Durch ein spaltenorientiertes Speicherkonzept ließe sich nach Plattners Überzeugung die Menge an zu bewegenden Daten auf ein Zehntel reduzieren. Noch mehr könnte gespart werden, wenn die Software die Informationen komprimiert abspeichert. Auf diese Weise sinke der Speicherbedarf deutlich, so dass Unternehmen ihre kompletten Geschäftsinformationen in den Arbeitsspeicher laden könnten. Ohnehin schleppen dem SAP-Urgestein zufolge zahlreiche Unternehmen eine Menge ERP-Daten mit, auf die keiner mehr zugreift. "Da die ERP-Nutzer im Schnitt nur alle acht bis zehn Jahre ihre Datenbanken reorganisieren, haben sie so viele Daten", erläutert Plattner. Viele dieser Informationen seien aber allenfalls für eine Revision erforderlich.

SAP TREX arbeitet spaltenorientiert

SAP selbst macht bereits von spaltenorientierten Datenbankverfahren und In-Memory-Technik Gebrauch, und zwar innerhalb der Basistechnik TREX. Letztere nutzt der Konzern beispielsweise im hardwaregestützten "Business Warehouse Accelerator" (BWA) und in der Suchmaschine "Netweaver Enterprise Search" (siehe auch "Trends bei Search Engines für Unternehmen"). In einer Demonstration zeigte SAP, wie sich im BWA komplexe Auswertungen über 366 Millionen Datensätze quasi auf Knopfdruck vornehmen lassen. Als Frontend diente die unlängst präsentierte Software "Business Objects Explorer". Bei den Daten handelte es sich um anonymisierte Informationen eines Handelskonzerns.

Im Gegensatz zu satzorientierten Datenbank (links auf dem Schaubild) bieten spaltenorientierte Datenbankverfahren einige Vorteile in Sachen Speicherauslastung und Geschwindigkeit.

Plattner zufolge wären In-Memory-Technik und spaltenorientierte Verarbeitung dazu geeignet, die Datenverarbeitung innerhalb der SAP-Geschäftssoftware leistungsfähiger zu machen. Die möglichen Verbesserungen ließen sich seiner Überzeugung nach durch die Optimierung herkömmlicher Datenbanken - etwa mittels Reorganisation - nicht erreichen. Selbst komplexe Abfragen und Berechnungen, die heute im ERP-System viel Zeit in Anspruch nehmen, können nach Plattners Worten mit Hilfe der Datenbanktechnik innerhalb von Sekunden abgearbeitet werden: "Festplatten braucht man dann nur noch zum Archivieren von Daten, zum Logging sowie zum Wiederanlauf von Applikationen." Darüber hinaus ließen sich zahlreiche Berechnungen in die Datenbank verlagern, die heute von der Geschäftslogik der Anwendungssoftware erledigt werden.

Softwarespezialisten am Hasso Plattner Institut in Potsdam beschäftigen sich seit zwei Jahren intensiv mit entsprechenden Entwürfen. Der SAP-Chairman finanziert das Institut komplett, hält als Professor Vorlesungen und leitet das Fachgebiet Enterprise Platform and Integration Concepts.

Verwendung in SAP Business ByDesign

Nach Ansicht des Softwaregurus könnte SAP die Geschäftsanwendungen auf die spaltenorientierte Verarbeitung umstellen, ohne Daten manipulieren oder Softwarefunktionen umschreiben zu müssen. Lediglich das Datenbankschema sei anzupassen. Plattner ließ durchblicken, dass Business ByDesign in Richtung dieser Datenbankverfahren weiterentwickelt werden soll. Erste Ansätze in dieser Richtung sind SAP zufolge mit dem Feature Pack 2.5 zu erwarten, das für diesen Herbst vorgesehen ist. Für die Datenauswertung und die integrierte Suche verwendet das ERP-Mietsystem bereits die erwähnte TREX-Technik.

Pionier Sybase

Mehrkernprozessoren (Multi-Core) und Arbeitsspeicher im Terabyte-Bereich sollen spaltenorientierte Datenbankverfahren ermöglichen.

Nach Plattners Worten hat der Softwareanbieter Sybase schon vor Jahren spaltenorientierte Konzepte für die eigene Datenbank entwickelt. Während der R/3-Entwicklung habe SAP dieser Idee jedoch keine Beachtung geschenkt und sich auf satzorientiert arbeitende Datenbankverfahren gestützt, wie sie Oracle, IBM und Microsoft anbieten. Die Sybase-Datenbank ist für den Betrieb von ERP-Software von SAP nicht freigegeben, da sie Lock-Mechanismen nur auf Block- und nicht auf Satzebene erlaubt. Lock-Verfahren sind erforderlich, um den gleichzeitigen Zugriff auf Daten zu regeln.

Microsoft entwickelte vor einigen Jahren auf der Grundlage der Sybase-Technik die eigene Datenbanklösung "SQL Server" und stattete sie mit den Features aus, die SAP-Systeme benötigen. Heute zählt SQL Server zu den meistgenutzten SAP-Datenbanken. Lediglich die für kleine Firmen gedachte SAP-Software "Business One" kann mit Datenbanksoftware von Sybase betrieben werden.

SAP-Anwender zeigen sich interessiert

Auf Anfrage teilten SAP-Anwender mit, sie würden es begrüßen, wenn der Softwareanbieter seine Produkte in Richtung spaltenorientierte Datenbankverfahren weiterentwickeln würde. Jedoch glauben die IT-Leiter nicht so recht, dass dies ohne massive Eingriffe in die Geschäftslogik der heutigen SAP-Lösungen möglich sein werde. Zudem wären die Kunden wenig begeistert, wenn sie neue Software kaufen müssten, um die von Plattner skizzierten Mechanismen zu nutzen.

"Da die ERP-Nutzer im Schnitt nur alle acht bis zehn Jahre ihre Datenbanken reorganisieren, haben sie so viele Daten", erläutert Plattner. Viele dieser Informationen seien aber allenfalls für eine Revision erforderlich.

Auch aus strategischer Sicht wäre ein solcher Umbau der SAP-Applikationen nicht ganz einfach: Die heutigen von SAP unterstützten Datenbanksysteme bieten keine entsprechenden Features. Zudem könnte SAP seine Datenbankunabhängigkeit verlieren, wenn Programmfunktionen aus der Applikation in die Datenbankebene abwanderten. Heute bietet SAP wie die meisten ERP-Hersteller eine generische Datenbankanbindung, die es dem Anwender überlässt, welches Datenbanksystem er nutzen möchte. Mehrheitlich verwenden SAP-Kunden hier Produkte des Erzrivalen Oracle.

Auf der SAP-Konferenz sickerten auch Details zur Weiterentwicklung des Miet-ERP-Systems Business ByDesign durch. Der Hersteller verkauft das Produkt zwar schon, mit einer breiten Vermarktung ist aber nicht vor 2010 zu rechnen (siehe auch "Was wird aus Business ByDesign?"). Ein Grund für die Verzögerung sind die hohen Verwaltungskosten innerhalb des SAP-Rechenzentrums. Hier hat der Hersteller Verbesserungen in Aussicht gestellt (siehe "SAP will Verwaltungskosten beim Miet-ERP-Produkt senken").