SAP erklärt Portal zur Standardoberfläche

22.05.2003 von Frank Niemann
MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Mit „Netweaver“ hat SAP Anwendern zu Beginn des Jahres eine Fülle an Funktionen zur Integration versprochen. Doch einige Features werden dieses Jahr noch keine Marktreife erlangen. Mit der Ankündigung, neue Funktionen nicht mehr im Sapgui bereitzustellen, verabschiedet sich der Konzern außerdem komplett vom Client-Server-Ansatz.

Da Anwender aus Sicht der SAP nicht mehr nur Transaktionen auslösen, sondern zudem vermehrt auf Inhalte zugreifen sowie mit anderen Benutzern online kommunizieren sollen, konzentriert der Hersteller seine Entwicklungsbemühungen nunmehr auf das Portal als universelle Benutzeroberfläche. Gleichzeitig will der ERP-Spezialist auf diesem Wege die Trennung von Geschäftslogik und Benutzer-Schnittstelle vollziehen, die mit dem „Sapgui“-Client nicht ohne weiteres zu bewerkstelligen ist.

Auf einem SAP-Kongress skizzierte SAP-Vorstandsmitglied Klaus Kreplin den Fahrplan für „Netweaver“. (Foto: SAP)

„Wir schalten den Sapgui nicht ab, doch neue Features implementieren wir nur für das Portal“, erklärt Klaus Kreplin, der im erweiterten Vorstand der SAP für die Integrationskomponenten der Infrastrukturplattform Netweaver verantwortlich zeichnet. Zum Teil sei eine Anpassung an den proprietären SAP-Client auch gar nicht möglich, da sich neue Features von Mysap-Produkten nur über Web-Techniken realisieren lassen.

R/3-Anwender nicht betroffen

Für Anwender, die ausschließlich R/3 nutzen, ändert sich nichts: Sie können, wenn sie kein Portal einführen möchten, auch in Zukunft ihre Systeme über den Sapgui bedienen.

Einen weiteren Richtungsentscheid kündigte Kreplin mit der Unterstützung der Spezifikation Business Process Execution Language for Web Services (BPEL4WS) an. Sie soll in der Version 3.0 der Integrationslösung „Exchange Infrastructure“ (XI), die wie das Portal ein Bestandteil von Netweaver ist, enthalten sein. XI 3.0 soll Anfang 2004 auf den Markt kommen.

BPEL4WS dient dazu, Geschäftsprozesse und deren Schnittstellen in einem XML-Format zu beschreiben. Auf diese Weise können dann beispielsweise Buchungstransaktionen über verschiedene, mit Web-Services-Schnittstellen versehene Applikationen realisiert werden. Die Beschreibungssprache soll Anwender davon befreien, sich mit den Implementierungsdetails der angebundenen Systeme auseinander setzen zu müssen. Die von IBM und Microsoft definierte Spezifikation BPEL4WS konkurriert mit dem Web Services Choreograhy Interface (WSCI), das von Sun, SAP, Intalio und Bea festgelegt wurde. Trotz dieser Lagerbildung hat SAP seit April gleichzeitig Entwicklerressourcen für BPEL4WS abgestellt, da bislang nicht klar ist, welcher der zwei

Vorschläge sich durchsetzen wird. Unlängst haben sich auch Sun und Oracle zu diesem Schritt entschlossen.

Einheitliche Release-Stände

Neben dem Portal und der Exchange Infrastructure gehört zum Netweaver auch der „Web Application Server“ (WAS), das „Business Information Warehouse“ sowie das „Master Data Management“, einem Werkzeug zur Stammdatenverwaltung und -konsolidierung. Per Definition sollten die einzelnen Komponenten dieser Integrations- und Applikationsplattform aufeinander abgestimmt sein, doch einheitliche Releases der einzelnen Module wird es frühestens Anfang nächsten Jahres geben. Ausgenommen davon ist dann immer noch die Komponente Master Data Management, an der SAP noch feilen muss.

Zu den Ungereimtheiten im Netweaver-Portfolio zählt beispielsweise, dass die Software „Enterprise Portal“ zur Zeit nicht auf dem hauseigenen Web Application Server läuft. SAP wird mit der Version 6.0 dieses Produkts Abhilfe schaffen. Das für Mitte des Jahres angekündigte Portal basiert auf Java und lässt sich somit auch auf der J2EE-Engine des WAS betreiben, und zwar sowohl unter Windows als auch unter Unix.

Das Netweaver-Paket bündelt die SAP mit Mysap-Lösungen wie etwa „Mysap CRM“ und „Mysap SCM“ sowie der „Mysap Business Suite“. Im Rahmen dieser Lösungen ist die Nutzung von XI sowie dem Portal über die erworbenen User-Lizenzen abgegolten. So verwendet beispielsweise die Lösung „Mysap Supplier Relationship Management“ (SRM) XI zur Prozessintegration. Der Kunde erhält mit Mysap SRM das XI-Grundsystem sowie eine CPU-Lizenz. Eine darüber hinausgehende XI-Nutzung, sei es zur Anbindung eines EDI-Systems oder zum Betrieb der Integrationssoftware auf einer weiteren CPU, ist extra zu bezahlen.

Nach den Plänen der Walldorfer soll die Exchange Infrastructure das universelle Integrationssystem innerhalb einer SAP-geprägten Welt werden. Mit ihr sind Kunden in der Lage, sowohl SAP-Programme untereinander zu integrieren als auch Fremdsysteme an Mysap-Umgebungen anzubinden, wobei die erforderlichen Adapter zum Teil von Partnern stammen. Künftig erfolgt beispielsweise die Verknüpfung der Kunden-Management-Software Mysap CRM mit dem Business Information Warehouse über XI. Sowohl die synchrone als auch die asynchrone Kommunikation wickelt das Integrationssystem über XML-Nachrichten ab. Nur in Sonderfällen kommen andere Kopplungsfunktionen zum Tragen, etwa für den Zugriff auf große Datenvolumen im Sinne des Extrahierens, Transformierens und Ladens (ETL) von Geschäftsdaten aus dem BW.

Laut SAP verbessert sich die Einbindung von Fremdanwendungen, EDI und anderer Formate mit XI 3.0 deutlich. So sorgt das Werkzeug beispielsweise dafür, dass Schnittstellen-Definitionen von Backend-Systemen in das „Integration Repository“ beziehungsweise das „Integration Directory“ eingetragen werden. Dies erleichtert es dem Anwender, in XI Geschäftsprozesse unter Einbeziehung fremder Applikationen zu definieren (Business Process Management). Dies war bis dato nur möglich, wenn Integrationsspezialisten, wie beispielsweise Seeburger, selbst die erforderlichen Einträge im XI-Repository und -Directory mitgeliefert hatten.

Bisher sah SAP zur Integration fremder Applikationen den „Business Connector“ (BC) vor. Den Support für dieses XML-basierende Werkzeug will der Konzern mittelfristig einstellen, ein genaues Datum steht jedoch noch nicht fest. Bestehende BC-Installationen sollen sich ohne großen Aufwand nach XI migrieren lassen, sofern der Anwender Daten-Mappings mit Extensible Stylesheet Language Transformations (XSLT) vorgenommen hat.

Migration des Business Connector

In Sachen Integration muss SAP noch einige Anfang dieses Jahres gemachte Versprechen einlösen. Da ist die .NET-Anbindung zu nennen, die erst mit XI 3.0 kommen soll. Die Software wird mit Microsofts Integrationslösung Biztalk zusammenarbeiten. Bisher ließ SAP die Anwender noch weitgehend im Unklaren, auf welche Weise .NET-Systeme über XI an die Mysap-Welt angebunden werden sollen. Zwar tauchte in Broschüren bereits vor einem Jahr ein .NET-Adapter auf, doch handelte es sich dabei wohl eher um eine Erfindung aus dem Marketing. „Es gibt nicht den einen .NET-Adapter“, erklärt ein Spezialist des Softwarehauses. Aus Gründen der Flexibilität erfolgt die Kopplung von SAP- und .NET-Systemen künftig über die jeweiligen Integrationsprodukte der Hersteller.

Weitere Möglichkeiten, eine Brücke in die .NET-Welt zu schlagen, möchte SAP mit seinem Portal schaffen. So arbeitet der Hersteller an einem „Portal Development Kit for .NET“, das Ende dieses Jahres verfügbar sein soll. Mit ihm können Entwickler in Microsofts „Visual Studio .NET“ „Iviews“ entwickeln, um so .NET-Software im Enterprise Portal bedienbar zu machen. Iviews sind Portalkomponenten, die den Zugriff auf Anwendungen und Inhalte erlauben. Diese Portalmodule laufen auf dem Iview-Server ab, der Teil des Portal-Servers ist. Dort findet das User- und Berechtigungs-Management sowie die Definition von Benutzerrollen statt.

Im Zusammenhang mit .NET ist noch unklar, ob Iviews für den Zugriff auf die Microsoft-Welt auch auf einem SAP-Portal unter Unix funktionieren. Möglicherweise arbeiten solche Iviews nur dann, wenn das Portal auf einer Windows-Maschine installiert wurde.