SaaS

Salesforce.com schmiedet an seinem On-Demand-Imperium

08.05.2008 von Martin Bayer
Der Software-as-a-Service-Spezialist (SaaS) hat ehrgeizige Ziele. Mit seiner On-Demand-Platform und einer wachsenden Zahl von Partnern und Kunden im Rücken sagt Salesforce.com-CEO Marc Benioff dem klassischen Softwaremarkt rund um SAP, Oracle und Microsoft den Kampf an.

Die Salesforce.com-Verantwortlichen wollen Europa stärker ins Visier nehmen. Erstmals findet die Kundenkonferenz "Dreamforce" des in Kalifornien beheimateten Unternehmens auf dem alten Kontinent statt. Im Londoner Barbican-Centre hat der SaaS-Spezialist über 2000 Besucher versammelt. Die Führungsriege rund um CEO Marc Benioff trieb die Kunden , Partner und das übrige Publikum durch den Mietsoftwarekosmos rund um die eigenen On-Demand-Lösungen und das Platform-as-a-Service-Angebot (PaaS).

Der Erfolg scheint dem kalifornischen Softwareanbieter, der im kommenden Jahr sein zehnjähriges Firmenjubiläum feiert, offenbar recht zu geben. Im vergangenen Geschäftsjahr 2007/08 (Ende: Januar 2008) stand ein Umsatz von fast 750 Millionen Dollar zu Buche, das sind 51 Prozent mehr als im Jahr zuvor. Für das laufende Fiskaljahr peilt das Management Einnahmen von mehr als einer Milliarde Dollar an.

Europa als Wachstumsmarkt für SaaS

Großen Anteil daran soll der europäische Markt haben. Benioff zufolge legten die Geschäfte in Europa zuletzt um 69 Prozent zu - deutlich mehr als im Stammland USA. Weltweit zählt Salesforce.com rund 41.000 Kunden und etwa 1,1 Millionen Nutzer. Davon kommen derzeit jedoch nur 7000 Anwenderunternehmen oder 140.000 Endanwender aus Europa. Dennoch gibt sich die US-Company zuversichtlich, die Geschäfte außerhalb der USA ankurbeln zu können. Europachefin Lindsey Armstrong verweist darauf, dass die beiden größten Softwaremieter des Anbieters nicht aus Amerika kommen. Außerdem will das Unternehmen im kommenden Jahr jeweils ein zusätzliches Rechenzentrum in Asien und in Europa errichten.

Interface On-Demand

Um die ehrgeizigen Ziele zu verwirklichen, setzen die Salesforce.com-Verantwortlichen ganz auf die Plattformkarte. Längst steht das angestammte On-Demand-Geschäft mit Customer-Relationship-Management-Lösungen (CRM) nicht mehr im Vordergrund. Mit Force.com offeriert der Softwarehersteller seinen Kunden eine Online-Plattform, auf der eigene Applikationen entwickelt und angeboten werden können. Neben einem Entwicklungs-Framework im Netz sollen Partner und Anwender mit "Visualforce" die Möglichkeit bekommen, User-Interface-as-a-Service zu nutzen. Mit diesen Funktionen, die mit dem "Summer-08-Release" herauskommen sollen, können Kunden dann für die auf der On-Demand-Plattform laufenden Applikationen verschiedene Benutzeroberflächen entwickeln - beispielsweise um die Anwendungen auf verschiedenen Endgeräten nutzen zu können. Mit zusätzlichen Web-2.0-Techniken sollen sich Business-Applikationen auf Force.com so einfach bedienen lassen wie Amazon.com oder Google, verspricht Benioff seinen Kunden.

Partner und Kunden bauen Applikationen

Mit der bisherigen Nutzung von Force.com zeigt sich das Salesforce.com-Management zufrieden. Kunden hätten schon über 60.000 Applikationen auf Basis der SaaS-Plattform entwickelt, hieß es in London. Partner würden rund 800 eigene On-Demand-Anwendungen auf dem Online-Marktplatz für Mietanwendungsmodule AppExchange anbieten.

Salesforce.com ergänzt Plattform um ERP

Salesforce.com bietet Anwendern mittlerweile neben CRM-Funktionen auch Infrastruktur zur Miete an.
Foto: Salesforce.com

Salesforce.com will seine Plattform kontinuierlich ausbauen: Neben der CRM-Lösung nennt Benioff Content-Management, Collaboration, Office-Productivity und Enterprise Resource Planning (ERP) als weitere Bausteine. Seine Fühler hat er bereits vorgestreckt: Mit dem erst kürzlich bekannt gegeben Bündnis mit Google integriert Salesforce.com die Office-Tools aus dem "Google-Apps"-Angebot in seiner Plattform. 2000 Kunden hätten die zusätzlichen Funktionen bereits frei geschaltet, sagt Benioff. ERP-Funktionen steuert der britische Softwareanbieter Coda bei, der seine neue Financials-Lösung komplett auf der Salesforce.com-Plattform entwickelt hat.

Kampfansagen und Spott in Richtung Microsoft und SAP

Mit den eigenen Plattformlösungen und zahlreichen Bündnisgenossen im Rücken ist Benioff nicht bange vor der Konkurrenz. Google an seiner Seite scheut der CEO auch nicht die Konfrontation mit dem weltgrößten Softwarehersteller Microsoft: "Der Feind meines Freundes ist auch mein Feind", gibt sich der Salesforce.com-Chef kampfbereit. Für SAP hat er dagegen nur Spott übrig. Der deutsche Softwarekonzern habe in Sachen SaaS keinen Plan, höhnt Benioff. Selbst mit einem riesigen Entwicklerheer sei es dem Konkurrenten nicht gelungen, eine vernünftige On-Demand-Lösung auf die Beine zu stellen. "SAP könne ja ihre Applikationen auf Force.com entwickeln."

Das herkömmliche Anwendungsgeschäft ist Benioff zufolge tot. Ein Beleg dafür sei, dass keine neuen Softwarehersteller klassischen Typs auf dem Markt auftauchen. Doch dazu hätten auch die Granden des alten Softwarezeitalters ihren Teil beigetragen. "Die Akquisition von Siebel durch Oracle hat dem herkömmlichen CRM-Geschäft ein Ende gesetzt", behauptet der Salesforce.com-CEO. "Die Akquisition von Bea beendete den Markt für Application Server."

Summer 08 Edition

Salesforce.com hat mit der "Summer '08-Edition" das 26. Release seiner CRM-Lösung vorgestellt. Im Mittelpunkt stehen dabei vor allem Collaboration-Features.

Mit "Salesforce Content" liefert der Applikationsvermieter zusätzliche Funktionen, mit denen Firmen unstrukturierte Daten effizienter verwalten können. Anwender seien dem Hersteller zufolge in der Lage, mit Hilfe von Tagging und Empfehlungen Dokumente und andere Daten besser einordnen zu können. Außerdem soll sich das Tool künftig auch über das Partner- und Kunden-Portal von Salesforce.com bedienen lassen. Auf Basis von "Content Analytics" können Nutzer die Relevanz von Dokumenten genauer einschätzen . Dazu zählt das Werkzeug beispielsweise, wie oft ein Dokument aufgerufen wurde.

"Salesforce Ideas" bietet Anwenderunternehmen ein Werkzeug, mit dessen Hilfe Partner, Kunden und Angestellte eigene Ideen in die Geschäftsbeziehungen einbringen können. Das Tool offeriert verschiedene Möglichkeiten, Ideen und Vorschläge zu veröffentlichen (Posting), diese zu diskutieren und darüber abzustimmen. In der Sommer-Edition könnten Anwender Ideas flexibler für die eigenen Anforderungen anpassen und in das Partner-Portal einbinden.

Neben den zusätzlichen Collaboration-Tools hat Salesforce.com auch seine CRM-Kernapplikation eigenen Angaben zufolge erweitert. Ausgebaut wurden beispielsweise die Möglichkeiten, um sich mit seinen Partnern enger zu vernetzen. Kunden sollen somit indirekte Verkaufskanäle effizienter verwalten können. Außerdem müssen sich Anwender künftiger weniger um die Verwaltung des Dashboards im Modul "Sales Force Automation" kümmern: Prozesse, die Daten aktualisieren, sollen in Zukunft stärker automatisiert ablaufen.Im Bereich Marketing seien die Anwender dem Hersteller zufolge mit dem neuen Release in der Lage, den Erfolg bestimmter Kampagnen besser zu messen.

Das Summer-Release soll ab Juni dieses Jahres verfügbar sein. Für das Modul Salesforce.com-Content verlangt der Anbieter 35 Dollar pro User und Monat. Salesforce.com-Ideas ist in der CRM-Anwendung integriert und für den internen Gebrauch kostenlos. Wollen Kunden zusätzliche Nutzer anbinden, die keine CRM-Anwender sind, werden fünf Dollar pro User und Monat fällig. Wird das Werkzeug über das Portal genutzt, verlangt Salesforce.com die üblichen Gebühren für die Portal-Nutzung.