Paul Hermelin, Capgemini

"SaaS sorgt für mehr Integrationsprojekte"

18.04.2011
Paul Hermelin, CEO der Capgemini-Gruppe, sprach mit CW-Redakteur Joachim Hackmann über die Herausforderungen für IT-Service-Provider.
Hermelin: Wir können Cloud-Services wettbewerbsfähig betreiben.
Foto: Sümer Cetin

CW: Ist der Trubel um Cloud Computing gerechtfertigt?

Hermelin: Es ist zu früh für eine umfassende Bewertung. Die Zeit wird zeigen: Ist Cloud Computing eine Möglichkeit, eine neue Form einer IT-Organisation zu schaffen? Ist es ein guter Weg, die Beziehung zwischen IT und Business zu verändern und zu verbessern?

Zurzeit begrüßen alle IT-Verantwortlichen das Cloud Computing, weil es IT-Leistungen je Verbrauch flexibel abrechnet. Die IT-Manager erachten es als sehr gute Möglichkeit, die IT aus der Ecke eines reinen Kostentreibers zu holen. Mit dem Cloud-Modell können Sie den IT-Einsatz und die dadurch entstehenden Kosten transparent darstellen. Deswegen wird es einen großen Hunger nach Private-Cloud-Installationen geben. Ich bin davon überzeugt, dass Konzerne damit erhebliche Produktivitätsgewinne erzielen können. Kleinen Unternehmen bringt die Virtualisierung zunächst einmal für sich genommen wenig. Sie müssen sich der Public Cloud bedienen, um sich Größenvorteile zu verschaffen. Das ist die neue Welt.

CW: Capgemini hat ein bedeutendes Outsourcing-Geschäft, Sie könnten es zu einem Cloud-Dienst ausbauen. Ist das auch ein denkbarer Weg, am Geschäft teilzuhaben?

Hermelin: Wir haben uns natürlich die Frage gestellt: Steigen wir in das Geschäft mit Infrastruktur-Leistungen aus der Cloud ein, oder konzentrieren wir uns auf die Rolle als Cloud-Broker? Angesichts der enormen Investitionen in Cloud-Dienste erschien es anfangs als unausweichlich, dass Capgemini sich auf die Rolle als Cloud-Broker konzentriert. Aber es hat sich herausgestellt, dass wir Server von großen Anbietern wie HP, Cisco und IBM zu solch günstigen Konditionen einkaufen können, dass wir Cloud-Service absolut wettbewerbsfähig betreiben können.

Hermelin im Interview
Paul Hermelin, CEO der Capgemini-Gruppe
Paul Hermelin, CEO der Capgemini-Gruppe, sprach mit CW-Redakteur Joachim Hackmann darüber, welche Herausforderungen Cloud Computing, Business Analytics, Mobility und der Fachrkräftemangel für IT-Service-Provider bereit halten.
Paul Hermelin über das Cloud Computing
Mit dem Cloud-Modell können Unternehmen den IT-Einsatz und die dadurch entstehenden Kosten transparent darstellen. Deswegen wird es einen großen Hunger nach Private-Cloud-Installationen geben.
Paul Hermelin über das Cloud Computing
Wir haben uns natürlich die Frage gestellt: Steigen wir in das Geschäft mit Infrastruktur-Leistungen aus der Cloud ein, oder konzentrieren wir uns auf die Rolle als Cloud-Broker? Angesichts der enormen Investitionen in Cloud-Dienste erschien es anfangs als unausweichlich, dass Capgemini sich auf die Rolle als Cloud-Broker konzentriert.
Paul Hermelin über das Cloud Computing
Es hat sich aber herausgestellt, dass wir Server von großen Anbietern wie HP, Cisco und IBM zu solch günstigen Konditionen einkaufen können, dass wir Cloud-Service absolut wettbewerbsfähig betreiben können.
Paul Hermelin über das Cloud Computing
Bevor Cloud Computing und on-Demand auf dem Markt kamen, haben Unternehmen für jeden Euro, den sie für eine Softwarelizenz bezahlten, weitere vier Euro für die Integration ausgegeben. Nun lautet die entscheidende Frage für uns: Was bleibt uns vom Kuchen?
Paul Hermelin über künftige Integrationsprojekte
Es zeigt sich, dass Bereiche innerhalb eines Unternehmens unabhängig voneinander SaaS-Lösungen anschaffen. Durch diese Entwicklung ergeben sich neue Integrationsaufgaben, da die unterschiedlichen Applikationen irgendwann wieder unter einem Dach zusammen geführt werden müssen.
Paul Hermelin über künftige Integrationsprojekte
Je mehr SaaS-Lösungen angeschafft werden, desto mehr Projekte fallen an. In Summe wächst also der Bedarf. Ich betrachte die Entwicklung in der IT-Servicewelt alles andere als pessimistisch.
Paul Hermelin über künftige Integrationsprojekte
Eine weitere große Triebfeder für Integrationsprojekte ist heute Mobility. Mehr und mehr Mitarbeiter haben heutzutage beispielsweise einen iPad. Für uns und unsere Kunden geht es darum, die Mobility Anforderungen richtig umzusetzen und einen Nutzen daraus zu ziehen.
Paul Hermelin über Business Analytics
Gerade in Deutschland wird Business Analytics durch den Vorstoß den SAP mit seiner in-Memory-Appliance „Hana“ heftig diskutiert. Es gibt so viele ungenutzte Daten in der IT-Welt. Wenn Anwender nicht vor der Datenflut kapitulieren wollen, brauchen Sie derartige Funktionen.
Paul Hermelin über den Fachkräftemangel
Wir brauchen mehr Absolventen, mehr Absolventen, mehr Absolventen. Für die europäischen Länder stellt sich die Herausforderung, mehr in Ausbildung zu investieren. Hier hat Europa enorme Defizite. In Indien verlassen jedes Jahr 350 000 IT-Spezialisten die Universität. In Deutschland nehmen zurzeit gut 38 000 Schulabgänger ein Informatik-Studium auf.

CW: Welche Cloud Services bieten Sie an?

Hermelin: Im letzten Jahr haben wir bereits ein Angebot rund um Infrastructure Transformation Services ins Leben gerufen, das Unternehmen dabei hilft, ihre IT in Richtung Cloud Computing zu entwickeln. Nun kommt noch ein Cloud-Service für Infrastruktur-Dienste hinzu. Das Angebot setzt auf unserem bereits existierenden Infrastructure-as-a-Service-Offering auf. Wir zielen damit vor allem auf den Private-Cloud-Bereich. Je nach Bedarf können die Kunden innerhalb des Angebots unter verschiedenen Service-Leveln wählen, um Leistungen rund um Server und Storage zu beziehen. Das war eine schwere Entscheidung, denn für Anbieter ist der Betrieb sehr kapitalintensiv und man muss genau analysieren, ob sich die Investitionen auszahlen.

CW: Fragen Kunden diese Dienste bereits nach?

Hermelin: Europäische Kunden interessieren sich vornehmlich für die private Cloud. Die US-Anwender sind offener. Dort gibt es generell eine bedeutende Nachfrage nach Cloud-Diensten. Daher vermarkten wir den Dienst zunächst mit einem Schwerpunkt in den USA. Aber das Angebot gilt natürlich weltweit.

SaaS-Vielfalt verlangt nach Integration

CW: Welche Auswirkungen hat das Modell auf das Geschäftsmodell der Service-Provider?

Hermelin: Bevor Cloud Computing und on-Demand auf dem Markt kamen, haben Unternehmen für jeden Euro, den sie für eine Softwarelizenz bezahlten, weitere vier Euro für die Integration ausgegeben. Nun forcieren Anbieter wie Oracle und SAP ihre on-Demand-Angebote und die entscheidende Frage für uns lautet: Was bleibt uns vom Kuchen?

Hermelin: Ich betrachte die Entwicklung in der IT-Servicewelt alles andere als pessimistisch.
Foto: Sümer Cetin

Früher haben wir SAP-Projekte für Großkunden betrieben, die mit beispielsweise fünf Millionen Euro dotiert werden. Wenn wir heute eine SaaS-Lösung etwa von Salesforce.com integrieren, sind das Projekte im Wert von sagen wir mal 200 000 Euro. Es zeigt sich aber, dass Bereiche innerhalb eines Unternehmens unabhängig voneinander SaaS-Lösungen anschaffen. Dort entsteht dann eine neue Art von Spaghetti-Code mit verschiedenen Pasta-Sorten. Und das - es tut mir leid das sagen zu müssen - ist gut für uns. Denn durch diese Entwicklung ergeben sich neue Integrationsaufgaben, da die unterschiedlichen Applikationen irgendwann wieder unter einem Dach zusammen geführt werden müssen. Unterm Strich bedeutet das: Je mehr SaaS-Lösungen angeschafft werden, desto mehr Projekte fallen an. In Summe wächst also der Bedarf. Ich betrachte die Entwicklung in der IT-Servicewelt alles andere als pessimistisch.

CW: Die anstehenden Aufgaben sind anders als frühere Integrationsarbeiten etwa im Rahmen von ERP-Projekten. Was kommt auf Service-Provider und ihre Mitarbeiter zu?

Hermelin: Ein großer Bereich betrifft das Daten-Management. Die Anforderungen der Kunden konzentrieren sich zunehmend auf Speicherung, Management und Analyse von Daten. Das ist eine enorme Herausforderung. Dafür benötigen wir zusätzliche Mitarbeiter mit entsprechenden Fähigkeiten. Die finden wir zurzeit auch ganz wesentlich in Indien.

Eine weitere große Triebfeder für Integrationsprojekte ist heute Mobility. Mehr und mehr Mitarbeiter haben heutzutage beispielsweise einen iPad. Ich sehe das bei uns selbst. In Group-Management-Meetings sitzen 80 Prozent meiner Manager mit einem iPad und greifen auf ihre E-Mails zu. Und sie würden gerne noch viel mehr damit machen. Das ist kein spezifisches Capgemini-Phänomen. Weltweit rennen die CIOs hier der Entwicklung hinterher. Es ist nun einmal so, dass Mitarbeiter immer einen Weg finden, ihre private IT im Unternehmensumfeld zu nutzen. Für uns und unsere Kunden geht es darum, die Mobility Anforderungen richtig umzusetzen und einen Nutzen daraus zu ziehen.

Es gibt zu viele ungenutzte Daten

Hermelin: Überall dort, wo Daten verarbeitet werden müssen, sind wir in einer guten Position.
Foto: Sümer Cetin

CW: Sie sprachen bereits die Bedeutung des Daten-Managements beziehungsweise von Business Analytics an. Wie schätzen Sie hier die Möglichkeiten für Service-Provider ein?

Hermelin: Gerade in Deutschland wird Business Analytics durch den Vorstoß den SAP mit seiner in-Memory-Appliance "Hana" heftig diskutiert. Es gibt so viele ungenutzte Daten in der IT-Welt. Wenn Anwender nicht vor der Datenflut kapitulieren wollen, brauchen Sie derartige Funktionen.

CW: Die IT dringt auch in bislang unerschlossene Bereiche vor, etwa in der Automobil- und Energiebranche. Sind klassische IT-Provider dafür gewappnet?

Hermelin: Wir hatten kürzlich ein Gespräch mit BMW. Die junge Generation, die digital Natives, wollen auch im Auto ständig Online sein. Irgendwann wird es nicht mehr zeitgemäß sein, dass Autofahrer via Smartphone auf das Web zugreifen. Möglicherweise wird das Armaturenbrett Zugang zum Facebook-Account bieten. Es geht aber noch weit darüber hinaus. Stichwort ist das vernetzte Fahrzeug. Die Automobilindustrie ist daher ein lohnenswerter Kunde für uns. Überall dort, wo Daten verarbeitet werden müssen, sind wir in einer guten Position.

CW: Dazu brauchen Sie aber anderes Know-how als heute.

Hermelin: Deshalb sind wir froh, dass wir einen starken Consulting-Bereich haben.

CW: In der deutschen IT-Branche ist einmal mehr der Fachkräftemangel ein viel diskutiertes Thema. Wie bedeutsam ist der Mangel an IT-Experten in Europa?

Hermelin: Wir brauchen mehr Absolventen, mehr Absolventen, mehr Absolventen. Für die europäischen Länder stellt sich die Herausforderung, mehr in Ausbildung zu investieren. Hier hat Europa enorme Defizite. In Indien verlassen jedes Jahr 350 000 IT-Spezialisten die Universität. In Deutschland nehmen zurzeit gut 38 000 Schulabgänger ein Informatik-Studium auf. Der Mangel an Fachkräften wird zum größten Hindernis der wirtschaftlichen Entwicklung in Europa.