Richterin rügt SCOs Beweismangel gegen IBM

30.06.2006
Rund zwei Drittel der angeblichen Beweispunkte nicht zur Klage zugelassen.

SCO gehen nicht nur die Argumente aus, die Unix-Company hat sich darüber hinaus vom Gericht eine kapitale Rüge eingehandelt: Das Unternehmen habe vorsätzlich und "unentschuldbar" Anordnungen des Gerichts missachtet. Magistratsrichterin Brooke Wells gab einem Antrag von IBM, 198 der 293 von SCO benannten Beweispunkte nicht zur Klage zuzulassen, in 187 Fällen statt. Es seien Behauptungen, aber keine Beweise.

"Angesichts der Menge des Codes, die SCO zur Untersuchung erhalten hat, betrachtet es das Gericht als unentschuldbar, dass SCO im Wesentlichen immer noch nicht alle Details auf den Tisch gelegt hat", zitiert der Nachrichtendienst "Computergram" aus einem Urteil von Richterin Wells. "Würde man einem Menschen einen Ladendiebstahl vorwerfen, dürfte man sicherlich erwarten, dass dieser Person erklärt würde, was sie gestohlen haben soll. Es wäre absurd, wenn ein Polizeibeamter dem Angeklagten erklären würde: 'Du weißt, was du gestohlen hast; ich werde es dir nicht sagen.' Es wäre auch absurd, dem Verdächtigen den kompletten Artikelkatalog des Geschäfts vorzulegen und zu fordern: Irgendwo da drin sind die Dinge, die du gestohlen hast. Also finde heraus, was es war!"

Insbesondere erregte sich Richterin Wells über den eklatanten Widerspruch zwischen SCOs öffentlichen Behauptungen und seinem Verhalten vor Gericht: "Trotz wiederholter Aufforderung, alle Beweise auf den Tisch zu legen, hat SCO nach Ansicht des Gerichts versucht, bis zur Schlussminute seine Beweise zu verschleiern, um einen unfairen Vorteil zu erlangen. SCOs eigene öffentliche Erklärungen erwecken den Anschein, als habe das Unternehmen mehr als genug Beweise, um den Anordnungen des Gerichts Folge leisten zu können."

SCO hatte IBM im Jahr 2003 eine ganze Reihe schwerer Vergehen zur Last gelegt (siehe "SCO will mindestens eine Milliarde Dollar von IBM"). Auf dem SCO Forum im August des gleichen Jahres behauptete SCO-Chef Darl McBride, man habe 1,1 Millionen Zeilen Unix-Code in 1549 Dateien identifiziert, die IBM auf Linux übertragen habe. Statt nun vor Gericht die Beweise vorzulegen, forderte und bekam das Unternehmen von IBM in der Folgezeit Millionen Codezeilen zur Untersuchung und Untermauerung seiner Vorwürfe. Stattdessen zog SCO nach und nach verschiedene Klagepunkte zurück, so dass schließlich nur ein Vorwurf blieb: IBM habe SCO-eigenen Unix-Code auf Linux übertragen.

Wiederholte Anordnungen des Gerichts, diese Behauptung mit konkreten Codeunterlagen zu bekräftigen, ging SCO mit Verfahrensanträgen aus dem Weg. Schließlich platzte im Februar 2005 Richter Dale Kimball der Kragen: "Es ist erstaunlich, dass SCO keinerlei kompetente Beweise vorgelegt hat, um den umstrittenen Punkt zu stützen, ob IBM durch die Linux-Aktivitäten SCOs angebliche Urheberrechte verletzt hat." Das Verhalten von SCO nannte er "rätselhaft" (siehe: "Richter watscht SCO ab")

IBM-Anwälte stellten schließlich den Antrag, 198 von 298 SCO-Beweispunkten mangels Beweisunterlagen nicht zur Klage zuzulassen. Dieses Teilverfahren oblag Richterin Brooke Wells. Bis auf elf Aspekte entsprach sie jetzt dem IBM-Antrag, weil es sich hier bei den Beweismitteln nicht um Sourcecode handelt. Es bleiben SCO also noch 106 Klagepunkte, nur wenig mehr als ein Drittel der von SCO geltend gemachten Beweislast. (ls)