Zu Beginn seines Informatikstudiums hat Jürgen Herrmann noch mit Lochkarten gearbeitet. Jetzt ist er 51 und hat bei IBM Global Business Services mit Mitarbeitern zu tun, die Cloud Computing bereits aus dem Studium kennen. "Für die ist E-Mail schon eine alte Technologie", sagt Herrmann. Er, der Abteilungsleiter im Bereich IT Enterprise Application Solutions der Unternehmensberatung, greift dagegen am liebsten noch immer zum Telefonhörer, während ihn junge Kollegen mit SMSen zuballern.
Es ist nicht zu übersehen: Die Generation Facebook stürmt die IT-Abteilungen der Unternehmen. Etablierte Teams wirbelt sie mächtig durcheinander. Am besten, die Generation Commodore 64 stellt sich schon einmal darauf ein. Denn "altersgemischte Teams sind in der deutschen Wirtschaft auf dem Vormarsch", sagt Annette Kluge, Teamforscherin und Inhaberin des Lehrstuhls für Wirtschafts- und Organisationspsychologie an der Universität Duisburg-Essen. Die Gründe für den Trend zu Alt-Jung-Arbeitsgruppen liegen auf der Hand. Die Belegschaften altern, die Rente mit 67 kommt. Die jahrzehntelange Frühverrentung ist gestoppt. Und der demografische Wandel sorgt für eine neue Altersdurchmischung im Job.
So werden aus alten Hasen im Lauf der Zeit noch ältere Hasen. Und die sollen immer wieder mit jungen Hüpfern zusammenarbeiten. Eine Konstellation, die reichlich Sprengkraft birgt. "Die Firmen versprechen sich von altersgemischten Teams eine perfekte Kombination von umfassendem Erfahrungswissen und aktuellem Universitätswissen", sagt Kluge. "In der Praxis aber überschatten häufig Beziehungsprobleme zwischen Alt und Jung den Wissensaustausch."
Auch in IT-Abteilungen ist der Clash der Generationen nicht unbekannt. Die Klassiker sind bekannt: Junge preschen vor, Alte lassen auflaufen. Es wird gemault und gemauert, gelästert, intrigiert und gegen die Wand gelaufen. Die Kluft von 20 plus x Lebensjahren ist groß. Teamforscher sprechen vom Ingroup-Outgroup-Phänomen. Um den eigenen guten Selbstwert zu erhalten, wertet man die Eigenschaften der eigenen Gruppe auf und die der anderen ab. So sind Konflikte programmiert.
Das Ideal dagegen sieht anders aus. Wenn Alt und Jung in einer Gruppe zusammenarbeiten, profitieren alle, heißt es. Auf generationsübergreifende Teams schwören Unternehmen von der Deutschen Bahn bis zur Deutschen Bank. Je größer die Firma, desto eher setzt sie auf das Miteinander von Youngsters und Oldies. Ab 250 Beschäftigten finden sich solche Teams bereits in jedem zweiten Unternehmen. Das hat das Institut für Mittelstandsforschung Bonn in einer repräsentativen Studie herausgefunden. Im Mittelstand arbeiten immerhin 36 Prozent der Betriebe altersgemischt.
Neue Herausforderungen für Chefs
Dabei stellt der Mix aus Grünschnäbeln und Grufties besonders die Führungskräfte vor neue Herausforderungen. "Einen Alten und einen Jungen kann man nicht einfach in einen Raum sperren und sich selbst überlassen", sagt Coach Ralf Overbeck aus Ratingen bei Düsseldorf. "Wenn niemand die Mehrgenerationen-Teams begleitet und entwickelt, besteht die Gefahr, dass Alt und Jung munter aneinander vorbeiarbeiten."
Conny Schneider hilft mit, dass dies bei Hewlett-Packard (HP) in Stuttgart nicht passiert. Als Leiterin Enterprise Business Strategy Planning and Operations arbeitet sie auch mit vielen jungen Leuten zusammen. Mit Leuten, die "vieles hinterfragen, was wir Älteren als historisch gewachsen einfach hinnehmen", sagt die 47-Jährige. Bequem sei das nicht, gibt sie zu, und "manchmal auch anstrengend", aber es bringe das Team weiter.
Beispiel: Ein junger Mitarbeiter schlug eine Standardisierung der Eingabe von Kundendaten vor. Schneider war sich unsicher, zumal die Neuerung "eine ganz schöne Investition" bedeutete. Dennoch setzte sie die Idee um. "Jetzt profitieren wir und unsere Kunden von einer enormen Zeitersparnis", so Schneider.
Die Alten haben einen Plan B
Umgekehrt lernen auch die Jungen von den Älteren. So wie Florian Mauler aus Schneiders Abteilung. "Ich bewundere die Coolness älterer Kollegen. Die kann echt nichts überraschen", sagt der 23-Jährige, der seinen Bachelor in Wirtschaftsinformatik hat und parallel zum Job auf Master weiterstudiert. "Selbst wenn alles anders kommt als geplant, haben sie immer schon einen Plan B in der Tasche."
Gegenseitige Befruchtung bei der Arbeit und beidseitiger Respekt sind nicht immer der Normalfall. "Intergenerationenteams sind bei weitem kein Selbstläufer", gibt Jürgen Wegge, Professor am Institut für Arbeits-, Organisations- und Sozialpsychologie der Technischen Universität Dresden, zu bedenken. Die in Wirtschaftskreisen oft verlautete Empfehlung, altersgemischte Teams einzuführen, bezeichnet er als "sehr idealistisch". Nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft seien meist keine Effekte auf die Produktivität zu verzeichnen - "und wenn doch, dann eher negative", so Wegge.
Vorurteile leben weiter
Der Altersmix wirkt sich nur dann positiv aus, wenn die Aufgaben komplex sind und kein Zeitdruck besteht - eine Situation, die in IT-Teams selten sein dürfte. Dagegen bestätigen sich in wissenschaftlichen Untersuchungen oft die in vielen Köpfen zementierten Vorurteile gegenüber Alt und Jung. So können ältere Mitarbeiter zwar von ihrer Erfahrung und ihren Netzwerken profitieren. Beim Problemlösen jedoch brauchen sie meist länger und gehen weniger kreativ an die Dinge heran als Jüngere. Den Youngstern mangelt es häufig an den viel geforderten Soft Skills. Dafür aber sind sie energiegeladen, ehrgeizig und stressresistenter als die Älteren.
Unabdingbar ist eine gemeinsame Basis für die Zusammenarbeit. Wissenschaftler Kluge empfiehlt, bereits ganz am Anfang nach Gemeinsamkeiten zu suchen. Trotzdem verlässt sich die IT-Branche nicht allein darauf. Bei SAP etwa - Mitarbeiter-Durchschnittsalter 39 Jahre - organisieren sich ältere Kollegen im Netzwerk "net45+". Und HP hat speziell für jüngere Mitarbeiter das Young Employee Network (YEN) gegründet - weil sie zwar in sozialen Netzwerken zu Hause sind, aber kein Netzwerk im Unternehmen haben. )
Facebook meets C64
So klappt die Zusammenarbeit zwischen alten Hasen und jungen Hüpfern.
1. Keine Wunder erwarten
Stoßen neue Leute dazu, muss sich das Team erst einmal neu formieren. Das gilt erst recht, wenn der Neuzugang der eigene Sohn oder die eigene Tochter sein könnte. Also nicht gleich Wunder erwarten, dass alles reibungslos klappt. Lieber ein erstes Fremdeln einkalkulieren. So lässt man sich nicht schon am Anfang runterziehen.
2. Alles Einstellungssache
Wer gemischte Teams als Chance sieht und nicht als Notlösung, hat bessere Startchancen - ganz im Sinne einer Selffulfilling Prophecy. Die richtige Einstellung: wird schon.
3. Parallelen suchen
Damit sich eine Arbeitsbeziehung aufbauen kann, muss eine Basis da sein. Um die zu schaffen, ist es ratsam, nach Gemeinsamkeiten zu suchen und nicht nach Unterschieden. Hat der Neue vielleicht an derselben Universität studiert? Geht er in seiner Freizeit auch gern zum Geocashing? Prima, das sind schon exzellente Anknüpfungspunkte für eine Annäherung.
4. Hut ab!
Die Youngsters bringen Energie und Ehrgeiz ein, die Oldies Erfahrung und Netzwerke. Verbünden Sie sich nicht mit Kollegen gegen die jeweils andere Altergruppe. Erkennen Sie im Gegenteil neidlos die Vorzüge der anderen an und versuchen Sie, in Ihrem Team davon zu profitieren. So bleibt Ärger aus, und die Arbeit geht schneller voran. Das wollen doch schließlich alle.
5. Ziel anpeilen
Ein gemeinsames Vorhaben schweißt zusammen. Alterszugehörigkeiten sind dabei egal. Also alle auf ein gemeinsames Ziel konzentrieren. Dann klappt`s auch mit dem Sitznachbarn - ganz egal, ob der mit Schultertasche und Nerdbrille oder mit Rucksack und Sakko ins Büro kommt.