Remote Access Server sterben aus

30.10.2002 von Sabine Ranft
MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Der klassische Remote Access Server (RAS) als Zugangspforte zu Unternehmen wird heute weitgehend von Routern ersetzt. Das kommt daher, dass die früher für den Fernzugriff verbreitete ISDN-Technologie dem Erfolg breitbandigerer Zugänge und Virtual Private Networks (VPNs) zum Opfer fiel. Als Konsequenz mussten verschiedene Hersteller von RAS-Lösungen Produktlinien einstellen.

„Der klassische RAS-Markt ist extrem rückläufig“, beschreibt Carsten Queisser, Product Marketing Manager bei Cisco in Hallbergmoos das Sterben der Remote Access Server, die einst Standardlösungen beim Fernzugriff waren. Dieses Modell hat weitgehend ausgedient. Während früher Wähllösungen vorherrschten, sind mittlerweile breitbandigere Technologien wie Digital Subscriber Line (DSL) erste Wahl.

Foto: 3Com/ww

„Die geringe Bandbreite ist heute das Hauptproblem von klassischen RAS-Lösungen“, bestätigt Stephan Wolf, Consultant bei Röwaplan in Abtsgmünd. Eine hohe Bandbreite benötigen etwa mobile Anwender, die bandbreitenhungrige Applikationen wie SAP benutzen oder in ständiger Kommunikation mit dem Server stehen.

Ein weiterer Trend: Vielfach verwenden die Firmen inzwischen Virtual Private Networks (VPNs) für den Fernzugriff. „Der RAS-Markt entwickelt sich immer deutlicher in Richtung VPNs“, bekräftigt Peter Held, Technical Manager Central Europe bei 3Com. Für den Anwender bringe das mehr Flexibilität, Sicherheit, Verfügbarkeit und Anwenderfreundlichkeit.

Nischen für RAS-Server

Darüber hinaus seien VPN-Lösungen deutlich kostengünstiger. In Nischen halten sich Remote Access Server allerdings noch: „Falls die Verbindung zum VPN-Knotenpunkt nicht herzustellen ist, werden zur Fernwartung weiterhin klassische RAS-Lösungen eingesetzt“, erläutert Wolf von Röwaplan. Ein Nachteil von VPNs besteht darin, dass sie keine garantierten Bandbreiten bieten und der Delay unter Umständen größer sein kann als bei herkömmlichen RAS-Lösungen. Auch kleine Firmen greifen teilweise auf die ältere Technologie zurück, etwa wenn die Einwahl zu den Kosten eines Ortsgesprächs möglich ist.

Die Ablösung klassischer RAS-Server durch breitbandige Verbindungen und VPNs hat Konsequenzen für das Equipment, das in den Zentralen eingesetzt wird, um zum Beispiel Telearbeiter anzubinden. Wo früher ein Remote Access Server stand, ist es heute vielfach nur noch ein Router, eventuell gekoppelt mit einem VPN-Konzentrator. Dieser verschlüsselt die Daten und verpackt sie in IP-Pakete. In Zusammenhang mit dem Wandel ist die Einstellung diverser Produktlinien zu sehen. So hat beispielsweise Intel die „Shiva Lanrover RAS“ und „Express Router“ vom Markt genommen, Ericsson ließ seine „AXC Router“ auslaufen, und 3Com stellte sein Sortiment von „Superstack RAS“ ein.

Konkurrent Perle behauptet allerdings, Kunden und Vertriebspartner dieser Unternehmen erhielten keine oder nur eine begrenzte Unterstützung. Dieser Vorwurf ist nicht ganz uneigennützig, schließlich versucht Perle nun, die vermeintliche Lücke für sich zu nutzen: Das Unternehmen bietet eigene Produkte als Ersatz für die eingestellten Erzeugnisse an. Insbesondere verweist das Unternehmen auf die „833 RAS Familie“, die auch für Windows-XP-Desktops ausgelegt ist. Da eingestellte Produktlinien nicht mehr weiterentwickelt werden, gibt es keine Garantie, dass eine für Windows 2000 getestete Software auch mit dem Nachfolgeprodukt korrekt funktioniert. Darin sieht Perle einen eindeutigen Pluspunkt für die eigene Lösung.

Die angegriffenen Firmen widersprechen Perle jedoch. 3Com beispielsweise kontert: „Verkaufte Produkte aus der „Superstack-3-RAS-1500“-Serie werden selbstverständlich weiter im Rahmen unserer ,Product Obsolescence Policy‘ mit Support unterstützt“, so Held. Die zitierte Policy veröffentlicht das Unternehmen. Darin werden Verfügbarkeiten bestimmter Services zwischen einem und fünf Jahren nach Einstellung eines Erzeugnisses genannt.

Nachfolgeprodukte vorhanden

Zudem existieren Nachfolgeprodukte für die aus dem Verkehr gezogenen 3Com-RAS-Lösungen: Dabei handelt es sich um die „Office-Connect“-Firewall (einschließlich VPN Kit), die „Superstack-3“-Firewall sowie die „Office-Connect-Gateway“-Produkte. Bestehende Kunden können sich bei 3Coms Netzwerk Design Center über Migrationsmöglichkeiten informieren.

Auch Intel relativiert die Darstellung von Perle. „Die Lanrover-Produkte sind schon vor eineinhalb Jahren abgekündigt worden“, erläutert Christian Anderka, Pressereferent Fachmedien bei Intel. „Wir bieten bis zwei Jahre nach Abkündigung aktiven Support.“ Der Zeitplan habe folgendermaßen ausgesehen: Am 4. Januar 2001 fand beispielsweise die Abkündigung der Lanrover Access Switches statt, am 27. April 2001 wurden die letzten Produkte ausgeliefert, am 20. Mai 2002 der bezahlte Support beendet, und am 27. April 2003 soll auch der interaktive Support eingestellt werden. Dann bliebe dem Anwender noch die Selbsthilfe über die Website.

Anders als 3Com führt Intel keine Nachfolgeprodukte mehr für diesen Bereich. Neben ISDN- waren auch VPN-Produkte von der Abkündigung betroffen. Beides hängt mit der Strategie von Intel zusammen, sich stärker als Komponenten- denn als Endprodukthersteller zu positionieren. Trotzdem ist Anderka überzeugt: „Von Einzelfällen abgesehen, gab es kein negatives Feedback.“

Weiter Support für AXC-Router

Ericsson schließlich hat den AXC-Router abgelöst, weil der Markt für Narrowband-Access-Router zu klein geworden war. „Es gibt weiterhin Support für die verkauften und installierten AXC-Router“, informiert Jens Kürten, Leiter Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des Unternehmens in Düsseldorf. „Der wichtigste Nachfolgemarkt ist der für Breitband-Access. Dafür hat Ericsson eine ganze Palette von Produkten, die unter anderem zusammen mit Juniper entwickelt wurden.