Virtualisierung - First Look

Red Hat Enterprise Virtualization im Test

30.11.2009 von Ariane Rüdiger
Mit Red Hat betritt ein weiterer Player den Markt für Server-Virtualisierung. Die Trumpfkarte des Anbieters: die enge Integration mit dem Red-Hat-Linux-Betriebssystem.

Lange herrschte VMware relativ unbeeinträchtigt auf dem Markt für Server-Virtualisierung. Doch inzwischen entwickelt sich mehr und mehr Konkurrenz. Ein aktuelles Beispiel dafür ist die neue Virtualisierungslösung von Red Hat, Enterprise Virtualization for Servers. Zur Erinnerung: Bisher setzte Red Hat auf ein Derivat der Open-Source-Lösung Xen, von dem sie sich nun zugunsten einer eigenen Software allmählich verabschieden möchte. Die neue Lösung wurde von Qumranet, einem Aufkauf von Red Hat, eingebracht.

Anwender des bisherigen Produkts können beruhigt sein: Der Hersteller sichert volle Unterstützung seiner Xen-Virtualisierung noch über die gesamte Laufzeit von Red Hat Enterprise Linux 4.5 zu, also bis mindestens 2014. Man werde, so Navin Thadani, Senior Director Virtualization Business, Unternehmen allerdings zum Umstieg auf die neue Lösung motivieren und neuen Kunden nur noch Red Hat Enterprise Virtualization for Servers anbieten.

Red Hat Enterprise Virtualization for Servers
Admin
Administration mehrerer Data-Center sowie der dort laufenden Storage-, Netzwerk- und Cluster-Systeme im Red-Hat-System
Auto Completion
Die Funktion Auto-Completion bei Suchanfragen
Event Log
Anzeige der Event-Log-Informationen
Hosts anzeigen
Anzeige der Hosts in einem Data-Center
Monitoring
Real-time-Monitoring im Data-Center
Suche
Suche nach virtuellen Maschinen: "Zeige nur solche Windows-XP-Systeme, bei denen die Funktion Windows-Web-Folder installiert ist."

Zwei Betriebssystemvarianten

Dieses gibt es in zwei Varianten: Anwender können entweder eine Standalone-Version mit dem Red Hat Enterprise Virtualization-Hypervisor (RHEV-H) kaufen. Dieser Hypervisor hat nur 100 MB Code und kommt damit sehr schlank daher.

Oder sie entscheiden sich dafür, das Virtualisierungsprodukt auf die neue Betriebssystemversion Red Hat Enterprise Linux 5.4 aufzuspielen. Diese muss zwar separat erworben werden, integriert aber bereits Red Hats KVM (Kernel Virtualization Manager). Der gesamte Kern des Betriebssystems wird also gewissermaßen zum Hypervisor. In diesem Konstrukt sieht Red Hat den größten Vorteil seines Angebots: Der Hypervisor als Bestandteil des Betriebssystemkerns stammt aus derselben Softwareschmiede wie das Virtualisierungs-Management. Das sollte für optimale Abstimmung aufeinander und schnelle Treiberentwicklung für neue Hardware sorgen.

Außerdem können nun auf demselben Host einerseits native Anwendungen für Red Hat Enterprise Linux laufen, andererseits virtuelle Maschinen, auf denen die unterstützten Gast-Betriebssysteme arbeiten. Das Virtualisierungs-Management allerdings läuft auf einer separaten virtuellen Maschine oder einem separaten physikalischen Server - unter Windows Server 2003. Eine Version für Red Hats eigenes Betriebssystem ist geplant.

Vor allem Windows-Gäste

Auf Gastmaschinen darf theoretisch jedes Betriebssystem arbeiten, das auf x86-Hardware läuft. Praktisch zählt Red Hat Windows 2003, 2008 und XP sowie die eigenen RHEL-Versionen 3, 4 und 5 auf. Nicht unterstützt wird dagegen Sun Solaris für x86-Hardware. Andere herstellerspezifische Unix-Dialekte fallen schon deshalb aus, weil sie spezifische Hardware brauchen.

Hinsichtlich der Dimensionierung spielt das neue Red Hat-Produkt für Server-Virtualisierung auf jeden Fall in der Oberliga: Es handhabt 256 virtuelle CPUs per Host und 256 logische CPUs pro Host. Acht virtuelle Maschinen können zu einem Host gebündelt werden. Mit diesem Wert liegt Red Hat vor den wichtigsten Konkurrenten vSphere4 von VMware und dem Microsoft Hypervisor. Pro Host sind bei Red Hat acht virtuelle Netzwerkkarten möglich, hier bietet VMware zehn.

Security nach Regierungsstandard

Ein weiteres Alleinstellungsmerkmal der Lösung ist die Sicherheit nach amerikanischem Regierungsmaßstab. Integriert wurde SELinux (Security-Enhanced Linux). Ob allerdings das Argument, man sei so sicher, wie die amerikanische Regierung möchte, in Deutschland viel werbliche Kraft entfaltet, bleibt abzuwarten.

Ansonsten bietet Red Hat einige Features schon in der Grundversion, wofür bei VMware Aufpreis zu zahlen ist. Ein Beispiel ist die Migration laufender Maschinen, so lange die zugehörigen Daten auf gemeinsam genutztem Speicherraum liegen, ein anderes der intelligente Failover hochverfügbarer VMs.

Benutzeroberfläche

Red Hat Enterprise Virtualization for Servers kommt mit einer sehr aufgeräumten Benutzeroberfläche daher. Die Bedienung erfolgt über Tabs und eine Suchzeile, in die der Administrator auch komplexe Suchanfragen in einer Syntax eingeben kann. Sie ähnelt der von Datenbankabfragen und ist leicht erlernbar. Damit lassen sich schnell kritische Information herausfinden, beispielsweise auf welchen Servern SAP läuft und bei welchen von ihnen in den letzten Tagen kritische Auslastungswerte erreicht wurden. Einmal erstellte Abfragen können in einem Bereich auf der linken Seite der Benutzeroberfläche abgelegt und dann immer wieder benutzt werden.

Über Tabs im oberen Bereich der Benutzeroberfläche erfolgt der direkte Zugriff auf so genannte Datenzentren, Cluster, Hosts, Storage, virtuelle Maschinen, Pools und Templates. Dabei sind Datenzentren eine logische, keine physikalische Einheit, es können sich also mehrere Datenzentren in einem Rechenzentrum befinden. In der unteren Hälfte werden Details zu ausgewählten Items angezeigt. Die Oberfläche ermöglicht den Drilldown bis in jede einzelne virtuelle Maschine. Über Tabs in der unteren Hälfte der Benutzeroberfläche lassen sich beispielsweise die laufenden Applikationen, die Storage- und Netzwerkverbindungen sowie die Speicherkapazität anzeigen, konfigurieren und verwalten. Der Speichermanager stellt lediglich physikalisch die LUNs (Logical Unit Numbers) bereit, die der Virtualisierungsmanager logisch administriert.

Energie sparen im Cluster

Auf Cluster-Ebene kann der Anwender Regeln definieren, beispielsweise die Lastverteilung im Cluster. Außerdem kann er vorgeben, bei welchem Nutzungsgrad der Inhalt einer virtuellen Maschine auf eine andere verschoben wird. Dann fährt die freie Maschine zeitweise herunter und spart so Energie. Neue Server entstehen wörtlich auf Knopfdruck und lassen sich zum Beispiel durch einfaches Ankreuzen einer Checkbox als hochverfügbar charakterisieren. In diesem Fall werden sie bei einem Absturz automatisch isoliert und auf einer anderen Maschine wieder hochgefahren (Intelligent Failover).

Einfaches Pricing-Modell

Das Pricing für die Red-Hat-Virtualisierung ist denkbar einfach: Kunden bezahlen pro Jahr und pro Socket, egal, wie viele Kerne sich auf dem Socket befinden. Die Virtualisierung zehn physikalischer Server mit je zwei Sockets kostet pro Jahr rund 10000 Euro. Die Wartung ist darin enthalten.

Fazit

Insgesamt macht das Red-Hat-System einen wohl durchdachten und soliden Eindruck. Allerdings fehlen dem Linux-Spezialisten derzeit noch Produkte in den Bereichen Desktop-Virtualisierung und Cloud Computing, um mit den großen Konkurrenten Citrix und VMware mithalten zu können. (wh)