Realtime mit Thin Clients

16.12.2005
COMPUTERWOCHE VERLEGERPUBLIKATION - Die LVM-Versicherungen in Münster haben ihre IT-Architektur komplett neu aufgestellt und auf Mobilität zugeschnitten.

Vor einigen Jahren stand Werner Schmidt, IT-Vorstand der LVM-Versicherungen, vor einer ernsten Herausforderung: Sowohl die Hardware-Produktion als auch die Pflege des proprietären Betriebssystems für die alten Nixdorf-Computer waren ausgelaufen. Es gab keine Migrationspfade von der Anlage aus den frühen 80er Jahren, er musste ein neues Agentursystem entwickeln. Eine „Jahrhundertentscheidung“ nennt der Vorstand die komplette Neuausrichtung der IT-Architektur und der Geschäftsprozesse.

Inzwischen haben die LVM-Versicherungen von der Zeitschrift „Versicherungsmagazin“ in Zusammenarbeit mit dem BVK e.V. (Bundesverband der Versicherungskaufleute e.V.) das zweite Jahr infolge den Gold Award für das beste Agentursystem erhalten. Ausgezeichnet wurde vor allem die durchgehende Geschäftsprozessunterstützung sowie die Verschmelzung der IT-Welten von Innen- und Außendienst.

„Wir haben das damals als Chance begriffen, althergebrachte Abläufe und Verfahren radikal infrage zu stellen, neueste Technologien einzusetzen und das Unternehmen in Gänze neu zu positionieren“, sagt Schmidt. Die neue IT-Architektur basiert auf der Zentralisierung von Daten und Anwendungen, auf die alle User mit Thin Clients zugreifen und setzt auf Internetstandards wie Linux, Java, HTML und XML .

„Wir haben den 3-Tier-Ansatz gewählt, der die IT-Architektur in Benutzerschnittstelle, Geschäftslogik und Daten aufteilt“, sagt Vorstand Schmidt. Das bringt mehrere Vorteile: Weil die Clients weder Daten noch Anwendungen vorhalten, werden Doppelt- und Dreifachentwicklungen vermieden und die Entwicklungs- und Wartungskosten reduziert. Die Trennung der Geschäftslogik von den Daten ermöglichete auch das Einbingen bestehender Host-Anwendungen in neu gekapselter Form über die IBM-Middleware-Websphere. Alle Nutzer des Systems greifen realtime auf denselben Datenbestand und dieselben Applikationen zu, Replizierungsmechanismen entfallen völlig.

Gleiche Daten für alle

Die Thin Clients sind nicht nur auf den Laptops des Außendienstes installiert. Auch die 2300 Mitarbeiter der LVM-Hauptverwaltung in Münster – rund 650 davon sind Telearbeiter – sowie die bundesweit 2170 Agenturen und 250 angestellten Außendienstler sind mit „dünnen“ Desktops ausgestattet. Auf den Rechnern läuft ein schlankes Linux-Betriebssystem.

Während die Verbindung in der Versicherungszentrale über das hausinterne LAN läuft, sind Agenturen, angestellter Außendienst und Telearbeiter über ein VPN im T-ATM-Festnetz der Deutschen Telekom angeschlossen, das auch gleichzeitig Sprache überträgt. Mobile Außendienst-Laptops kommunizieren über UMTS oder GPRS und ein VPN von T-Mobile mit der Zentrale. Über die Netzwerkverbindung werden die Clients automatisch mit Software-Updates versorgt. Partner und Kunden können via Internet auf die für sie freigegebenen Applikationen und Daten zugreifen.

Vorstand Schmidt hatte nicht nur die Veränderung der IT-Architektur ins Auge gefasst, sondern die Optimierung der Geschäftsprozesse und die Neuausrichtung des Unternehmens. Die mobile Anbindung der Außendienst-Laptops in der neuen IT-Architektur war dann kein großes Problem mehr. Weil alle Daten und Anwendungen zentralisiert sind, war lediglich ein zusätzlicher mobiler Kommunikationskanal einzurichten.

Wie alle anderen Nutzer im LVM-Netz greifen die Außendienstler jetzt auf dieselben Daten und Programme zu wie ihre Kollegen in der Zentrale und in den Agenturen. Und zwar realtime: Wenn der Außendienstmitarbeiter das Kundengespräch abschließt, sind alle Informationen sofort im zentralen Datenbestand gespeichert. Geänderte Stammdaten wie Adresse oder Bankverbindung, Vertragsabschlüsse oder -änderungen sind für jeden LVM-Mitarbeiter sofort sichtbar. Hat der Kunde später eine Nachfrage, ist der Mitarbeiter der Agentur oder Zentrale jederzeit auf dem aktuellen Stand.

Über die Investitionen für die IT-Umstrukturierung und die mobile Anbindung will Schmidt keine Angaben machen. „Das Gesamtprojekt zahlt sich für uns aus“, ist er überzeugt. „Die Rationalisierungsgewinne setzten wir zum einen zur Erweiterung des Serviceangebots ein, zum anderen, um unser Angebot von der Preis- und Leistungsseite für die Kunden attraktiver zu machen.“